Tod und Gewalt im pazifischen Flüchtlingslager
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Tod und Gewalt im pazifischen Flüchtlingslager

Ein toter iranischer Flüchtling, 77 Verletzte und ein weiterer Schritt Richtung Aussterben des „fair go“ für jeden – jener egalitären Gesinnung, für die Australien einst berühmt war. Das ist die Bilanz von zwei Tagen und Nächten Unruhe Anfang dieser Woche im Flüchtlinslager auf Manus, einer abgelegenen Inselprovinz in Papua-Neuguinea.

Erstellt: 21.02.2014
Aktualisiert: 19.12.2023
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Australiens Regierungen gleich welcher parteipolitischen Couleur stilisieren seit Jahren Bootsflüchtlinge zu einem Sicherheitsrisiko, das man erst gar nicht in die Nähe Australiens kommen lassen darf. Also belebte die ehemalige Premierministerin Julia Gillard (2010–2013) von der Labour-Partei die sogenannte pazifische Lösung aus der Ära von Premierminister John Howard (1995–2007) neu. Gillards konservativer Nachfolger Tony Abbott von der konservativen Liberalen Partei setzt sie in verschärfter Version fort: Bootsflüchtlinge werden auf unbestimmte Zeit weit entfernt von Medien, Anwälten und dem Geltungsbereich australischen Rechts auf Manus sowie im pazifischen Inselstaat Nauru interniert.

Was genau am Montag und Dienstag auf Manus passierte, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass es gewaltsame Aktionen von Bewohnern von Manus und der örtlichen Polizei gegen die Flüchtlinge gab – und dass das Personal des internationalen Sicherheitskonzerns G4S, der im Auftrag Australiens das Lager betreibt, die Gewalt nicht verhindern konnte.

Nach Darstellung des australischen Einwanderungsministers Scott Morrison hatten Asylbewerber versucht auszubrechen; sie seien folglich selbst an ihrem Unglück schuld. Flüchtlingshilfeorganisationen zeichnen ein anderes Bild. Demnach drangen einheimische Polizisten zusammen mit aufgebrachten Bürgern in das Lager ein und attackierten die Flüchtlinge mit Knüppeln und Macheten.

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Politik der Abschreckung

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Bewohner von Manus gegen das Lager sind. Die vielen Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan, dem Irak und dem Iran sowie die Sicherheitsleute von G4S werden als Störung der sozialen Ordnung empfunden. Die Asylbewerber ihrerseits sind verzweifelt, haben sie doch so gut wie keine Aussichten, jemals wieder aus dem Lager und aus Papua-Neuguinea herauszukommen. Es ist erklärte australische Politik, zur Abschreckung von weiteren Flüchtlingen die Asylverfahren so lange wie möglich hinzuziehen.

Einem möglichen positiven Asylbescheid folgt dann eine Überprüfung durch den australischen Geheimdienst ASIO. Die Prüfungskriterien zur Feststellung, ob der Bewerber nicht möglicherweise doch ein verkappter Terrorist ist, wurden erst kürzlich von der Abbott-Regierung weiter verschärft. Doch selbst wenn der Geheimdienst Grünes Licht gibt, steht den Asylbewerbern laut dem Vertrag zwischen Australien und Papua-Neuguinea nur die Möglichkeit einer Einbürgerung in dem Pazifikstaat offen. Dagegen haben die Flüchtlinge auf Manus und auf Nauru wiederholt protestiert – zuletzt eben zu Wochenbeginn.

Australiens Öffentlichkeit ist in der Asylfrage gespalten. Das Versprechen einer ultraharten Gangart gegen Bootsflüchtlinge sowie gegen die meist indonesischen Schlepperbanden war ein wesentlicher Grund für den Sieg des Katholiken Abbott bei der Parlamentswahl im September. Andere sind schockiert über die Härte, mit der sich Abbott über internationales und nationales Recht hinwegsetzt.

„Australien sollte ein Ort der Freiheit sein, nicht von Gulags, ein Ort der Fairness statt gesichtsloser Sicherheitsbeamter, ein Ort des Mitgefühls statt der Grausamkeit.“

—  Zitat: Ben Saul, Professor für internationales Recht, Universität Sydney

Bischof beklagt unverhältnismäßige Härte

Der katholische Bischof Gerard Hanna von Wagga Wagga erinnert im Namen der bischöflichen Flüchtlingskommission an die vietnamesischen Bootsflüchtlinge oder auch die nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 nach Australien geflüchteten Chinesen: „Australien war einmal ein Ort der Zuflucht. Jetzt ist die Reise nach Australien geprägt von Schmerz, Not und weiterem Exil.“

Als „unaustralisch“ bezeichnet Ben Saul den „paranoiden Sicherheitsextremismus“. Weiter schreibt der Professor für internationales Recht an der Universität Sydney in einem Kommentar für die Zeitung „Sydney Morning Herald“ (Mittwoch): „Australien sollte ein Ort der Freiheit sein, nicht von Gulags, ein Ort der Fairness statt gesichtsloser Sicherheitsbeamter, ein Ort des Mitgefühls statt der Grausamkeit.“

Von Michael Lenz

Stellungnahme

Die Stellungnahme des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) zu den Zusammenstößen im Flüchtlingslager auf Papua-Neuguinea können Sie hier lesen: