Arme Kirche für die Armen: ein Widerspruch?
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Arme Kirche für die Armen: ein Widerspruch?

Europa im Jahr 2043: Eine autokratische Putschwelle hat den Kontinent heimgesucht. Korruption, Terrorismus und Klientelwirtschaft greifen um sich. Nach einem Wertverfall des Euro und einer Hyperinflation muss auch die katholische Kirche mitansehen, wie ihre Reichtümer verpuffen. Der 30 Jahre zuvor noch für unrealistisch gehaltene Wunsch des damaligen Papstes Franziskus nach einer „armen Kirche“ scheint nun doch Realität geworden zu sein.

Erstellt: 10.03.2014
Aktualisiert: 12.07.2015
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Europa im Jahr 2043: Eine autokratische Putschwelle hat den Kontinent heimgesucht. Korruption, Terrorismus und Klientelwirtschaft greifen um sich. Nach einem Wertverfall des Euro und einer Hyperinflation muss auch die katholische Kirche mitansehen, wie ihre Reichtümer verpuffen. Der 30 Jahre zuvor noch für unrealistisch gehaltene Wunsch des damaligen Papstes Franziskus nach einer „armen Kirche“ scheint nun doch Realität geworden zu sein.

Was wie ein düsterer Science-Fiction-Roman klingt, ist die Vision von Volker Riehl, Leiter des Misereor Dialog- und Verbindungsbüros Südliches Afrika in Harare, Simbabwe. Neben ihm haben sich Politiker und Journalisten, Katholiken und Protestanten, Akademiker und Lebenskünstler, Verbandsvertreter und Vorstandsvorsitzende Gedanken über ein Jahr Papst Franziskus gemacht. Dabei entstanden ist ein von der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg herausgegebener Sammelband, der fragt, wie eine Kirche für die Armen sein müsste, und ob sie selbst arm sein müsse.

Bei einer Diskussionsveranstaltung zum Buch am Freitagabend in Nürnberg sagt Wolfgang Kessler, Chefredakteur der Zeitung „Publik Forum“, Franziskus habe „die Kirche neu definiert und die Machtkoordinaten verschoben“. Mit der Ernennung von Kardinälen, die in Brennpunktländern leben, habe er Zeichen gesetzt, die bis in die Basisgemeinden nachwirkten. Jetzt sei es an der Zeit, „Missstände radikal anzugehen“, so Kessler. Dazu gehörten etwa ein glaubwürdiger Umgang mit Geld, Mut zur Kritik am Kapitalismus und ein ökologisches und faires Wirtschaften in den einzelnen Gemeinden.

Bild: © Jesuitenmission

Gemeinsame Verantwortung von Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft

„Keine NGO, die nur Geld verteilt, sondern einen echten Akteur für Solidarität und Gemeinschaft“, wünscht sich der Jesuit Richard D''Souza, der für die Armen in seiner Heimat Indien spricht. Er befürwortet allerdings eine Kirche mit Ressourcen, die armen Menschen hilft und sich für eine gerechtere Welt einsetzt. Auf Augenhöhe mit der Politik sieht die ehemalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) die Kirche. Die großen Konflikte dieser Welt sollten nicht den politischen Verantwortungsstrukturen überlassen werden. Die gemeinsamen entwicklungspolitischen Friedensaufgaben seien nur „zusammen mit Kirchen und Zivilgesellschaften zu lösen“.

„Ich bin an vielem sehr reich, aber ich fühle mich arm an Zeit.“

—  Zitat: Erzbischof Ludwig Schick

Einen sehr persönlichen Blick auf den Begriff „arm“ wirft der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Er habe eine Bahncard, einen „Mercedes mit Fahrer“, wenn er verreisen müsse, sowie „eine finanzielle Absicherung bis zum Tod“. „Ich bin an vielem sehr reich, aber ich fühle mich arm an Zeit“, sagt der Erzbischof. Allerdings sei sein Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Frieden für alle Menschen, dem er seine Zeit widme, eine freiwillig gewählte Armut, der er sich gerne stelle.

Und dann gibt es noch Angelika, die jahrelang obdachlos war, sich heute als Lebenskünstlerin bezeichnet und das Nürnberger Sozialmagazin, den „Straßenkreuzer“, verkauft. Auf die Frage, was die Menschen von der Kirche erwarten, habe ihr mal ein Mann „Schuhe für alle“ geantwortet, schreibt sie in ihrem Buchbeitrag. Eine Einschätzung, die die 65-Jährige teilt. Eigene, nicht von anderen bereits getragene Schuhe, seien wichtig für ihr Selbstwertgefühl.

„Selbstwertgefühl und Selbstachtung sind meines Erachtens für Menschen wichtiger als Kleidung und Essen.“ Als einen richtigen Weg schlägt sie Besuchsdienste vor, die die Kirchengemeinden in armen Vierteln organisieren sollten. Man könnte dort für die Menschen das sammeln, was sie am dringendsten benötigten, etwa einen Kochtopf, Lebensmittel oder Schulsachen. „Viele der Menschen, denen auf diese Weise geholfen wird, würden nicht zur Caritas gehen und um Hilfe bitten. Wer dorthin geht, gibt zu, dass er arm ist. Denn da muss man einen Ausweis vorlegen.“

Auch im Szenario für das Jahr 2043 von Misereor-Experte Riehl wird Solidarität groß geschrieben: „Afrika darf in diesen schweren Zeiten Europa nicht im Stich lassen. Jetzt geht es darum, dem Norden zur Hilfe zu kommen. It''s pay back time.“

Von Julia Grimminger

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