Mit Bananen in die Zukunft
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Mit Bananen in die Zukunft

Es war eines der finstersten Jahre in der Geschichte Äthiopiens: 1984 begann die bis dahin größte Hungersnot in dem ostafrikanischen Land. Bis 1985 starben etwa eine Million Menschen, Millionen weitere litten bitter unter der Dürre und den Entbehrungen, sind teilweise bis heute gezeichnet. Doch 30 Jahre später haben viele Kleinunternehmer ihre Chance genutzt und sich eine stabile Existenz aufgebaut. Inzwischen sind sie Vorbild für andere.

Erstellt: 17.04.2014
Aktualisiert: 12.07.2015
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Es war eines der finstersten Jahre in der Geschichte Äthiopiens: 1984 begann die bis dahin größte Hungersnot in dem ostafrikanischen Land. Bis 1985 starben etwa eine Million Menschen, Millionen weitere litten bitter unter der Dürre und den Entbehrungen, sind teilweise bis heute gezeichnet. Doch 30 Jahre später haben viele Kleinunternehmer ihre Chance genutzt und sich eine stabile Existenz aufgebaut. Inzwischen sind sie Vorbild für andere.

Girma Wondafrash, 75, war 1984 verantwortlich für den ländlichen Bezirk Gemza, in dem das Antsokia-Tal liegt. „Wir nannten es nur noch ‚Tal des Todes‘. Die Leute verhungerten in ihren Häusern, Mütter ließen ihre Kinder im Stich. An manchen Tagen starben zwischen 15 bis 20 Menschen.“ Vor der Hungersnot, einer tragischen Kombination aus anhaltender Dürre und politischen Konflikten, sei das Tal fruchtbar gewesen. Die christliche Hilfsorganisation „World Vision“, bis heute die einzige in der Gegend, versorgte nach eigenen Angaben schließlich 36.000 Menschen im Tal mit Nahrungsmitteln, 86.000 im gesamten Bezirk Gemza. Zum Wiederaufbau stellte „World Vision“ den Bauern in den ersten Jahren landwirtschaftliche Geräte, Vieh und Saatgut zur Verfügung, wies sie in Alternativen des Anbaus ein, bohrte Brunnen und pflanzte Bäume, um die Bodenerosion aufzuhalten – und damit nicht zuletzt die nächste Hungersnot.

Von Hirsepflänzchen zu Bananen, Mango und Orangen

Im Dorf Mekoi steht der 60-jährige Bauer Abebe Aragaw im Schatten seiner Mangobäume und plant eine Zukunft, die er vor 30 Jahren noch nicht hatte. 1984 hungerte seine Familie monatelang, seine beiden Ochsen starben, die Hirsepflänzchen auf seinem Feld verdorrten. Heute ist er Chef eines mehrfach ausgezeichneten Modellbetriebs. Auf zwei Hektar erzeugt er unter anderem Bananen, Mango und Orangen sowie Zwiebeln, Avocado und Kaffee – Produkte, die vor 30 Jahren niemand im Antsokia-Tal aß, geschweige denn pflanzte.

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Und heute? Aragaw lacht aus vollem Hals: „Was ist das für eine Frage?“ Mit Wohlwollen blickt er auf seine üppigen Bananenstauden, die vollen Avocadobäume. Ja, es brauchte Überzeugungskraft, damit er sich auf neue Produkte und Anbaumethoden einließ. Aber dann war er begeistert. Die Frauen des Dorfes erhielten Kochunterricht für die neuen Gemüsesorten. Noch heute muss er über die Verwunderung schmunzeln, mit der sie gemeinsam die ersten Karotten ihres Lebens kauten – irgendwie erinnerte es sie an Hühnerfleisch.

Heute kommen Bauern von weither, um von Aragaw zu lernen. Fünf seiner sechs Kinder konnte er zur Schule schicken. Die Familie hat ein Dach aus Wellblech statt wie früher aus Stroh über dem Kopf und schläft in richtigen Betten. Seine Frau verkauft die Produkte und legt Geld zur Seite. Der Plan für seine Zukunft? Von seinen Ersparnissen will er sich ein Haus in der Stadt kaufen und von dort seine Ernte vermarkten, während ein Sohn sich um den Hof kümmert.

„Wir werden expandieren“

Ein paar der Kaffeebohnen, die an Bauer Aragaws Sträuchern wachsen, könnten es ins Cafe Rohobot im nahe gelegenen Städtchen Majete geschafft haben: Hier betreiben drei junge Frauen ein kleines Restaurant. Kaffee, in der typischen äthiopischen Zeremonie vom Rösten der Bohnen bis zum Brauen des Kaffeesuds zubereitet, darf natürlich nicht fehlen. Die paar Tische vor dem Restaurant-Container sind mit Kunden besetzt, die in ihrem Appetit beherzt zulangen.

Rohobot bedeute soviel wie „Wir werden expandieren“, erklärt Betreiberin Tsehay Tesfaye, 30 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Mit einem Mikrokredit der Lokalregierung von umgerechnet etwa 180 Euro eröffneten sie und zwei Schulfreundinnen ihren eigenen Betrieb in einem Land, in dem nicht einmal jede fünfte Frau lesen und schreiben kann, dafür aber jede im Durchschnitt fünf Kinder zur Welt bringt. Für ein zweites Restaurant in der Stadt legen die jungen Unternehmerinnen jeden Monat zwischen 33 und 55 Euro beiseite und hegen überdies Pläne vom eigenen Haus. Tsehay Tesfayes arbeitsloser Ehemann hilft beim Bedienen aus: Er hat verstanden, dass der Erfolg seiner Frau auch ihm zugutekommt.

Von Anja Bengelstorff

Misereor-Projekt

Auch das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor engagiert sich in Äthiopien - zum Beispiel im Gesundheitsbereich. Lesen Sie hier mehr über das Projekt: