„Wenig beruhigende Ergebnisse“
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„Wenig beruhigende Ergebnisse“

Die weltweiten Militärausgaben sind im Jahr 2013 gesunken. Dies gab das Schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI Anfang dieser Woche bekannt. Warum trotzdem kein Grund zur Freude besteht, erklärt Gertrud Casel, Geschäftsführerin der Deutschen Kommission Justitia et Pax , im Interview mit dem Internetportal Weltkirche. Außerdem äußert sie sich zur Informationspflicht bei Rüstungsexporten, über die das Bundesverfassungsgericht in dieser Woche verhandelt hat.

Erstellt: 17.04.2014
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die weltweiten Militärausgaben sind im Jahr 2013 gesunken. Dies gab das Schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI Anfang dieser Woche bekannt. Warum trotzdem kein Grund zur Freude besteht, erklärt Gertrud Casel, Geschäftsführerin der Deutschen Kommission Justitia et Pax , im Interview mit dem Internetportal Weltkirche. Außerdem äußert sie sich zur Informationspflicht bei Rüstungsexporten, über die das Bundesverfassungsgericht in dieser Woche verhandelt hat.

Frage: Frau Casel, laut des SIPRI-Berichts fielen weltweit die Ausgaben für Rüstungsgüter seit 2012 um 1,9 Prozent. Eine gute Nachricht?

Casel: Das Positive ist, dass die Militärausgaben in den Staaten, die bisher die Rangliste anführten, gesunken sind – allen voran in den USA. Hier sind die Ausgaben sogar um 7,8 Prozent zurückgegangen. Dort wie in anderen westlichen Ländern ist der Rückgang auf die Finanz- und Wirtschaftskrise zurückzuführen. In den USA im Speziellen haben auch der Abzug aus Afghanistan und Irak und die automatischen Haushaltskürzungen ihren Teil beigetragen.

Die Kehrseite der Nachricht ist, dass die Militärausgaben in Schwellen- und Entwicklungsländern weiter steigen. Besorgniserregend ist vor allem die hohe und steigende Verbreitung von Waffen in Konfliktregionen. Im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in asiatischen Ländern wie Indien, Pakistan, Indonesien und Südkorea liegen die größten Zuwächse bei Rüstungsimporten. Wir wissen aus vielen Studien: je höher das Waffenaufkommen, umso größer das Risiko, dass Konflikte militärisch ausgetragen werden. Insgesamt liefert der SIPRI-Bericht also wenig beruhigende Ergebnisse.

Frage: Während die Militärausgaben in den westlichen Ländern zurückgehen, stiegen beispielsweise in Afrika die Ausgaben um 8,3 Prozent. Welche Auswirkungen hat dies auf die Stabilität des Kontinents?

Casel: Diese Zahl muss man in Relation sehen. Es gibt in ganz Afrika zwar einen Anstieg der Rüstungsausgaben um 8,3 Prozent, allerdings bedeutet dies in absoluten Zahlen „lediglich“ 44,9 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich dazu liegen die Ausgaben für Deutschland bei insgesamt 48,9 Milliarden US-Dollar. Der riesige Kontinent Afrika gibt immer noch weniger Geld für Militär aus als unser kleines Deutschland alleine.

Trotzdem: Speziell in Afrika wäre es besser und notwendig, in Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung zu investieren als in Rüstung. Dies gilt insbesondere, wenn man sich die zukünftigen globalen Herausforderungen anschaut wie Klimawandel, Dürre, Wassernot und den Kampf um Rohstoffe. Statt zukunftsfähige Lösungen zu schaffen, erhöht man mit militärischer Stärke das Risiko dafür, dass sich abzeichnende Ressourcen-Konflikte in bewaffneten Kriegen ausgetragen werden können.

Frage: Von der wachsenden Nachfrage nach Rüstungsgütern in Afrika und dem Nahen Osten profitiert auch die deutsche Rüstungsindustrie. Laut eines Berichts der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) gingen im Jahr 2012 mehr als die Hälfte der Rüstungsexportgenehmigungen an so genannte Drittstaaten wie Saudi-Arabien, Algerien und den Irak. Wie bewerten Sie diesen Trend?

Bild: © Justitia et Pax

Casel: Seitdem die Rüstungsausgaben in europäischen Staaten sinken, sind die Rüstungsunternehmen sehr bestrebt, Absatzmärkte in Drittstaaten, also außerhalb der Europäischen Union und der NATO, zu erschließen. Im Kriegswaffenkontrollgesetz und im Außenwirtschaftsgesetz sind Exporte in Drittstaaten jedoch nur als Ausnahmen vorgesehen. Sie dürfen nur im Einzelfall und unter strengen Vorgaben und Kriterien genehmigt werden. Inzwischen ist allerdings das Verhältnis von Ausnahme und Regel auf den Kopf gestellt. Im Jahr 2012 ergingen 55 Prozent der Lieferungsgenehmigungen an Drittstaaten. Darunter sind viele Länder, in denen die Menschenrechte nicht geachtet werden. Auch die Regel, keine Waffen in Konfliktregionen zu liefern, wird massiv missachtet. Das Regelwerk und seine Umsetzung werden zu einem löchrigen Schweizer Käse.

Frage: In dieser Woche verhandelte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber, ob die Regierung den Bundestag früher über Rüstungsexporte informieren muss. Halten Sie die Forderung der Opposition nach mehr Transparenz für gerechtfertigt?

Casel: Die Forderung nach mehr Transparenz haben wir in der GKKE schon lange erhoben. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren ihren Rüstungsexportbericht zwar jährlich, aber immer erst gegen Ende des Folgejahres veröffentlicht. Das führte im Sommer 2011 dazu, dass Abgeordnete der Regierungsfraktionen in einer Plenardebatte im Bundestag beklagt hatten, sie könnten die angeblichen Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien schlecht verteidigen. Denn sie wüssten weder ob, noch was entschieden wurde. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Prinzipiell hat in Deutschland das Parlament die Aufgabe, die Bundesregierung zu kontrollieren. Die Regierung verweist jedoch auf die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates, dessen Beratungen vertraulich sind. So kann das Parlament seiner Kontrollpflicht nicht nachkommen.

Wir brauchen unbedingt mehr Transparenz, damit Parlament und Öffentlichkeit die Rüstungsexporte diskutieren und sich eine Meinung bilden können. Daher ist es richtig, dass die Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt haben. Abgesehen davon sieht der Koalitionsvertrag ja bereits eine zeitnähere Berichterstattung gegenüber dem Parlament vor. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung soll zukünftig schon zum Sommer veröffentlicht werden.

Frage: Geht ihnen diese Regelung weit genug?

Casel: Es geht nicht nur um die Zeitnähe, sondern auch um die Aussagekraft der Informationen. Bisher wissen wir de facto nichts über die tatsächlichen Exporte von Rüstungsgütern. Von der Bundesregierung werden nur die Genehmigungen kommuniziert. Darüber hinaus fehlen in den Regierungsberichten die inhaltlichen Begründungen für die Bewilligung von Rüstungsexporten. Warum soll zum Beispiel Saudi-Arabien zu einem Stabilitätspartner aufgerüstet werden? Ebenso wenig informiert der Rüstungsexportbericht über Voranfragen der Rüstungskonzerne an die Regierung. Diese Voranfragen sind allerdings sehr wichtig, weil sie rechtlich bindend sind und in 90 Prozent der Fälle zu tatsächlichen Anträgen führen. Daher fordern wir, dass das Parlament zeitnah und inhaltlich umfassend über die Grundsatzentscheidung des Bundessicherheitsrats informiert wird.

Das Interview führten Lena Kretschmann und Camilla Przybylski.

Die GKKE

wurde 1973 als ökumenischer Arbeitsverbund zur Entwicklungspolitik gegründet. Sie steht im Gespräch mit politischen Institutionen und gesellschaftlichen Interessengruppen. Getragen wird die Konferenz von der katholischen Menschenrechts- und Entwicklungskommission Justitia et Pax und von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst. Die GKKE legt jedes Jahr einen eigenen Rüstungsexportbericht vor, in dem sie über die deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern informiert und diese bewertet (siehe PDF-Download).

Deutsche Kommission Justitia et Pax

Die Deutsche Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden) ist eine Art „Runder Tisch“ der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche in Deutschland tätig sind.