Aus Alt mach Neu

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Die Kleidung auf dem Weltmarkt wird zunehmend billiger – doch zwangsläufig nicht zum Vorteil von Mensch und Umwelt. Auf diese Problematik möchte der Katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit IN VIA Bayern mit seinem neuen Umwelt- und Sozialprojekt „Faire Kleidung“ hinweisen. Die Künstlerin Naomi Lawrence, führt in diesem Rahmen „Upcycling“-Workshops mit jungen Mädchen durch. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, erklärte die 48-jährige Münchnerin im Interview mit dem Internetportal Weltkirche.

Erstellt: 30.06.2014
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die Kleidung auf dem Weltmarkt wird zunehmend billiger – doch zwangsläufig nicht zum Vorteil von Mensch und Umwelt. Auf diese Problematik möchte der Katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit IN VIA Bayern mit seinem neuen Umwelt- und Sozialprojekt „Faire Kleidung“ hinweisen. Die Künstlerin Naomi Lawrence, führt in diesem Rahmen „Upcycling“-Workshops mit jungen Mädchen durch. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, erklärte die 48-jährige Münchnerin im Interview mit dem Internetportal Weltkirche.

Frage: Frau Lawrence, was muss man sich unter dem Begriff „Upcycling“ vorstellen?

Lawrence: Beim „Upcycling“ nehme ich einen Gegenstand, der eigentlich entsorgt werden sollte und werte ihn durch erneute Bearbeitung auf. Ein schönes Beispiel hierfür sind Fahrradschläuche. Der Fahrradschlauch ist relativ begrenzt in seiner Anwendungsmöglichkeit und wird entsorgt, sobald er nicht mehr einsetzbar ist. Wenn man aus diesen Schläuchen witzige und trendige Objekte näht oder andere Kunstgegenstände herstellt, hat man plötzlich ein Produkt, das interessanter und wertiger ist, als das Ursprüngliche.

Frage: Mit welchen Materialien arbeiten Sie in den Workshops?

Lawrence: Wir arbeiten mit T-Shirts. Der Hintergrund ist, dass immer mehr Warenhausketten nach dem Motto produzieren lassen „Das T-Shirt trage ich einmal und werfe es dann weg“. In den Workshops gehen wir der Frage nach, warum Kleidung auf diese Art und Weise entwertet wird, und wirken durch das „Upcycling“ diesem Trend entgegen.

Bild: © IN VIA Bayern e. V.

Frage: Das heißt die jungen Frauen bringen alte T-Shirts mit und gestalten diese im Workshop mit Ihnen um?

Lawrence: Die Teilnehmerinnen bringen T-Shirts mit, die sie nicht mehr tragen. Zusammen mit dem Informationsmaterial von IN VIA und den Kooperationspartnern wie u. a. Femnet e.V., die Christliche Initiative Romero e. V., rk Textil Fürth, das konsumkritische Projekt Weltbewusst der Jugendorganisation Bund Naturschutz, das Ökologische Bildungszentrum (ÖBZ) machen sie sich ein Bild davon, wo das jeweilige Kleidungsstück herkommt und wie es verarbeitet wurde. Vor diesem Hintergrund sollen die jungen Frauen die Arbeit, die in dieses Kleidungsstück investiert wurde, erkennen und das Produkt wertschätzen. Sie stellen sich die Fragen: „Vielleicht ist das T-Shirt doch mehr wert als ich dachte? Vielleicht lohnt es sich, dass auch ich ein bisschen Arbeit hineinstecke, kreativ werde und damit ein Statement abgebe?“.

Frage: Kann das Jedermann/ -frau zu Hause nachmachen? Wenn ja, wie beginnt man am besten?

Lawrence: Ich möchte Techniken vorstellen, die weder teuer noch besonders schwierig sind. Ich arbeite nach dem Motto „Trau‘ dich und probier‘ etwas aus“. In puncto Kreativität ist es oft nicht das Problem, dass die Leute etwas nicht können, sondern dass sie sich nicht trauen, kreativ zu sein, weil sie das Gefühl haben, ihnen fehle die dazugehörige Ausbildung oder das Handwerkszeug. Dabei gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, ein eigenes individuelles T-Shirt zu gestalten. Mein Ansatz ist, der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen und zu schauen, was passiert.

Frage: Das Umweltprojekt von IN VIA dreht sich um die Frage, wie man den eigenen ökologischen Fußabdruck verbessern kann. Das Upcycling ist eine Methode. Wenn man dann doch einmal neue Kleidung kauft, worauf sollte man achten?

Bild: © IN VIA Bayern e. V.

Lawrence: Wir haben heutzutage kaum noch Möglichkeiten nachzuvollziehen, wo ein T-Shirt tatsächlich hergestellt und wo bloß das Etikett angebracht wurde. Meiner Meinung nach wird die Verantwortung immer mehr auf den Endverbraucher abgewälzt. Nehmen wir das Beispiel Kinderarbeit. Da diese in Deutschland verboten ist, müsste der Staat eigentlich Sorge dafür tragen, dass Produkte, die aus Kinderarbeit entstanden sind, hier nicht verkäuflich sind. Dem Verbraucher wird zunehmend ein schlechtes Gewissen gemacht, während der Staat und die Politik ihre Verantwortung der Wirtschaft gegenüber nicht mehr wahrnehmen.

Frage: Stichwort „bewusst einkaufen“: Werden die jungen Frauen, die bei dem IN VIA-Projekt mitmachen, zukünftig anders über ihr eigenes Konsumverhalten denken?

Lawrence: Das denke ich auf jeden Fall. Die jungen Frauen sind mit 16 bis 24 Jahren in einem wichtigen Alter, in dem man noch viel mit Informationsmaterial bewirken kann. Die Workshop-Teilnehmerinnen sind mitten in einer Phase, in der es wichtig ist zu konsumieren. Das wollen wir ihnen auch nicht verbieten, sondern wir wollen Bewusstsein für kritischen Konsum schaffen. Die jungen Frauen sollen Denkanstöße erhalten, wie man kreative und schicke Klamotten tragen kann, ohne einfach das neuste und angesagte T-Shirt im Laden zu kaufen. Ich möchte ihnen Möglichkeiten an die Hand geben, sich gegen den Gruppenzwang der Altersgenossen zu wehren, ständig der neusten und trendigsten Modemarke hinterherzulaufen.

Frage: Sie machen viele soziale Projekte, haben schon mit alleinerziehenden Müttern von Kindern mit Behinderung gearbeitet, haben ein Film-Kunstprojekt mit minderjährigen Flüchtlingen durchgeführt, engagieren sich gegen Gentrifizierung. Was kommt als nächstes?

Lawrence: Momentan bin ich in ein soziales Recycling-Projekt mit Fahrradschläuchen involviert. Ich lasse mich überraschen, was sich in nächster Zeit ergibt. In der Regel suche ich mir mein nächstes Projekt nicht aus, es kommt mir zugeflogen.

Das Interview führten Lena Kretschmann und Camilla Przybylski.