Mehr Blut, weniger Hoffnung

Mehr Blut, weniger Hoffnung

Die jüngsten Rückschläge sind alarmierend. In El Salvador schnellt die Mordrate nach oben, immer mehr Mara-Jugendbanden fühlen sich dem von der Kirche ausgehandelten Waffenstillstand nicht mehr verpflichtet. Nun wurde auch noch ein bekannter Friedensaktivist und katholischer Pfarrer wegen angeblicher Nähe zu den gefürchteten Gangs verhaftet. Vor gut zwei Jahren hatte Militärbischof Fabio Colindres gemeinsam mit dem ehemaligen Guerilla-Kämpfer Raul Mijango die Gespräche mit den Mara aufgenommen und dabei bemerkenswerte Ergebnisse erzielt.

Erstellt: 04.08.2014
Aktualisiert: 23.03.2023
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Die jüngsten Rückschläge sind alarmierend. In El Salvador schnellt die Mordrate nach oben, immer mehr Mara-Jugendbanden fühlen sich dem von der Kirche ausgehandelten Waffenstillstand nicht mehr verpflichtet. Nun wurde auch noch ein bekannter Friedensaktivist und katholischer Pfarrer wegen angeblicher Nähe zu den gefürchteten Gangs verhaftet. Vor gut zwei Jahren hatte Militärbischof Fabio Colindres gemeinsam mit dem ehemaligen Guerilla-Kämpfer Raul Mijango die Gespräche mit den Mara aufgenommen und dabei bemerkenswerte Ergebnisse erzielt.

Die Mara sind ein ernstzunehmender Gegner der Polizei. In mehreren Ländern Zentralamerikas aktiv, verfügen sie besonders in ihrer Ursprungsregion El Salvador über beträchtliche Macht. Die Mitglieder aller Gangs zusammengenommen zählen nach Zehntausenden. Sie betreiben Drogenhandel, erpressen Schutzgeld, organisieren Prostitution. Es geht um viel Geld. Das macht sie erbarmungslos – gegenüber ihresgleichen und jedem anderen, der sich ihnen in den Weg stellt.

Zögern und große Hoffnung

Ein Waffenstillstand reduzierte zunächst die Mordrate deutlich, die Gespräche bildeten den Auftakt einer Vertrauensbildung auf beiden Seiten. Doch die linksgerichtete Regierung des damaligen Staatspräsidenten Mauricio Funes zeigte sich von der Initiative Colindres'' und Mijangos ebenso überfordert wie die Spitze der katholischen Kirche. Sie zögerte lange, in den Friedensprozess einzusteigen.

Immerhin erklärte sich die Kirche inzwischen auch offiziell bereit, an dem von der neu gewählten Regierung einberufenen Nationalen Sicherheitsdialog teilzunehmen. „Wir setzen große Hoffnungen in diesen Prozess“, sagte der Erzbischof der Hauptstadtdiözese San Salvador, Jose Luis Escobar Alas. Militärbischof Colindres glaubt, dass ein dauerhafter Dialog mit den salvadorianischen Banden auch möglich sei, ohne dass der Staat aufhöre, die Kriminalität zu bekämpfen.

Bild: © Steffen/Adveniat

Der amtierende Staatspräsident Salvador Sanchez Ceren versucht, sich diplomatisch aus der Affäre zu ziehen: Ein Waffenstillstand zwischen den Banden sei nicht Teil der Sicherheitspolitik seiner Regierung. Sollten diese Gruppen allerdings eine derartige Vereinbarung treffen, um die Gewalt zu verringern, werde man sie auch nicht daran hindern.

Pfarrer wegen Drogenschmuggel verhaftet

Ein neuer Rückschlag ist allerdings die Verhaftung des katholischen geistlichen Antonio Rodriguez Lopez-Tercero, genannt „Padre Tono“. Dem Priester aus San Salvador, der für zahlreiche Aktionen für Aussöhnung und Frieden bekannt ist, wird nach Polizeiangaben vorgeworfen, Drogen in Haftanstalten geschmuggelt zu haben. Generalstaatsanwalt Luis Martinez erklärte in dieser Woche, der Geistliche unterhalte direkte Verbindungen zu führenden Köpfen einer der gefürchtetsten Mara-Gangs des Landes und sei an Verbrechen beteiligt gewesen. Vorwürfe, die die Bemühungen der katholischen Kirche erschweren könnten, sollten sie sich als wahr herausstellen.

Menschenrechtsorganisationen forderten in einer ersten Reaktion auf die Vorwürfe gegen Padre Tono Zugang zu Informationen der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Demonstranten forderten am Donnerstag seine Freilassung. Sie glauben nicht, dass aus dem Geistlichen plötzlich ein Verbrecher geworden sei.

Das ungelöste Problem der Gewalt in El Salvador beschäftigt mittlerweile auch internationale Organe. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) erklärte in der vergangenen Woche, dass es vor allem „die Gewalt und die Verfolgung von mächtigen lokalen Banden und kriminellen Vereinigungen“ seien, die immer mehr Kinder aus El Salvador zur Flucht in Richtung USA trieben. Von mehr als 100 befragten Kindern gaben die meisten an, der Grund für ihre Flucht sei die Gewalt bewaffneter Banden.

Doch auch wenn die Kinder und Jugendlichen es in die USA schaffen, sind sie dort nicht vor dem Zugriff der Mara-Banden sicher. US-amerikanische Grenzbeamte berichten, dass Angehörige der Gruppe „Mara Salvatrucha“ die Unterkünfte der Flüchtlinge infiltriert hätten, um dort Nachwuchs zu rekrutieren.

Von Tobias Käufer

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