
„Spürbares Zeichen der Solidarität“
Pakistan ist das Beispielland der diesjährigen Missio-Aktion zum Monat der Weltmission. Am 5. Oktober eröffnet ihn die Kirche in Deutschland, Höhepunkt ist der Weltmissionssonntag am 26. Oktober. Über die Hintergründe und das Grundanliegen der aktuellen Aktion spricht Missio-Präsident Klaus Krämer im Interview.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Pakistan ist das Beispielland der diesjährigen Missio-Aktion zum Monat der Weltmission. Am 5. Oktober eröffnet ihn die Kirche in Deutschland, Höhepunkt ist der Weltmissionssonntag am 26. Oktober. Über die Hintergründe und das Grundanliegen der aktuellen Aktion spricht Missio-Präsident Klaus Krämer im Interview.
Frage: Herr Prälat Krämer, wie lautet das Motto der Aktion, und was steckt dahinter?
Krämer: Es lautet „Eurer Kummer wird sich in Freude verwandeln“ – ein Wort aus den Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium. In den Kummer und die Sorge der Jünger über das, was kommen wird, spricht Jesus diesen ermutigenden Satz. Er gibt die Stimmungslage der Christen in Pakistan gut wieder. Die Christen stehen aufgrund der sogenannten Blasphemiegesetze und Angst vor Terror sehr stark unter Druck. Zugleich habe ich erleben können, mit wie viel Zuversicht die Christen in dieser Region die Situation meistern.
Frage: Wie kamen Sie auf Pakistan?
Krämer: Wir versuchen beim Weltmissionssonntag, Christen in Deutschland die Situation der einzelnen Ortskirchen unserer Partner in Afrika, Asien und Ozeanien und die Art, wie Christen dort ihren Glauben leben, nahezubringen. Pakistan ist ein Land, in dem Christen unter sehr schwierigen Bedingungen ihren Glauben leben und als Kirche Zeugnis ablegen. Wir können daraus aber auch Kraft für unser eigenes Leben und unseren Glauben schöpfen.
Frage: Wie ist die Situation aktuell für die Christen vor Ort?
Krämer: 96 Prozent der Bevölkerung in Pakistan, etwa 180 Millionen Menschen, sind Muslime und nur 1,6 Prozent Christen, davon wiederum knapp die Hälfte Katholiken. Als kleine christliche Minderheit stehen die Christen unter enormem Druck. Außerdem ist das gesellschaftliche Klima in Pakistan sehr aufgeheizt, wie die aktuellen politischen Ereignisse zeigen. Das Gewaltpotenzial in Pakistan ist hoch.
Islamistische Terrorgruppen versetzen das Land in Unruhe und schüren unter den Menschen große Angst. Darunter leiden die Angehörigen aller Religionen und alle Bürgerinnen und Bürger in Pakistan. Sie müssen ständig mit Attentaten rechnen. Das Straßenbild wird von Sicherheitskräften beherrscht. Auf einer meiner Reisen nach Pakistan hatte ich manchmal das Gefühl, dass die Menschen an neuralgischen Orten in der Öffentlichkeit wie in einem Belagerungszustand leben müssen.

Frage: Wie gefährlich ist es in Pakistan, Christ zu sein?
Krämer: Die Blasphemiegesetzgebung ist in Pakistan im Vergleich zu anderen islamischen Ländern besonders scharf. Vermeintliche Vergehen wie die Schändung des Korans oder die Beleidigung des Propheten Mohammed werden unter drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe gestellt, die allerdings bisher noch nicht vollstreckt wurde.
Anklagen aufgrund dieser Blasphemiegesetze erfolgen gegen Muslime, Hindus, Christen und Angehörige anderer religiöser Gruppen gleichermaßen. Die Blasphemiegesetze laden förmlich zum Missbrauch ein. Damit werden private Konflikte, Familien- oder Sippenfehden ausgetragen, manchmal geht es auch um politische oder wirtschaftliche Vorteile, die sich diejenigen erhoffen, die einen anderen wegen angeblicher Blasphemie anzeigen. Christen betrifft das sehr häufig.
Das Gefährliche dabei ist auch: Wenn ein einzelner Christ der Blasphemie angeklagt wird, gerät dann auch oft die gesamte christliche Gemeinschaft in einem Stadtviertel oder Dorf, aus dem dieser Christ stammt, unter Druck.
Frage: Bedeutet schon als Christ zu leben Blasphemie?
Krämer: Nach der Verfassung Pakistans herrscht formal Religionsfreiheit. Die Christen können im Land leben, haben ihre Gotteshäuser und feiern Gottesdienste. Die Christen in Pakistan sind Bürger des Landes wie alle anderen Bürger auch. Aber im Alltag kommt es zu zahlreichen Diskriminierungen. So werden Muslime bei der Arbeitssuche oft bevorzugt. Erschwerend kommt hinzu, dass Christen in der Regel unteren Bevölkerungsschichten angehören und ein niedrigeres Bildungsniveau haben. Sie gehen oft nur einfachen Arbeiten nach, etwa als abhängige Landarbeiter, so dass sie nur geringe Aufstiegschancen haben. Die Lage für christliche Frauen ist noch schwerer.
Frage: Wie leben die Christen im Vergleich zu uns ihren Glauben?
Krämer: Es gibt in den sechs Diözesen viele Orte, an denen kirchliches Leben stattfindet. Die katholische Kirche in Pakistan bietet der gesamten Gesellschaft in Pakistan auch Orte und Einrichtungen an, an denen sich Angehörige aller Religionen treffen können. Die Kirche ist in dieser Minderheitensituation sehr sensibel für den interreligiösen Dialog. Das ist sehr wichtig, weil die katholische Kirche in der pakistanischen Gesellschaft damit als ein Akteur wahrgenommen wird, der die Probleme des Landes ernst nimmt. So erhöht die katholische Kirche das Ansehen der Christen als wichtiger zivilgesellschaftlicher Faktor in Pakistan. Das trägt zum eigenen Überleben und zur Konfliktprävention bei.
Frage: Welche Rolle spielt die Kirche überhaupt für die pakistanische Gesellschaft?
Krämer: Obwohl Christen in der Minderheit sind, engagieren sie sich in der Bildung und im sozialen Bereich überdurchschnittlich. Die katholischen Schulen sind wichtige Bildungseinrichtungen im Land. Auch viele muslimische Eltern schicken ihre Kinder dorthin, weil sie wissen, dass die Kinder dort eine gute und wertorientierte Ausbildung bekommen.
Die Kirche unterhält einige Gesundheitszentren, die die Basisgesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen, und soziale Zentren, die sich Menschen am Rande zuwenden, die in der Gesellschaft nicht beachtet werden. Auch die Frauenförderung ist ein wichtiger Bereich, den sich die Kirche in Pakistan auf ihre Fahnen geschrieben hat. Die Kirche wirkt also weit über ihr zahlenmäßiges Gewicht in die Gesellschaft hinein. Und das wird als sehr positiver Faktor für die Entwicklung im Land selbst wahrgenommen.
„Die Kirche wirkt weit über ihr zahlenmäßiges Gewicht in die Gesellschaft hinein.“
Frage: Wie hilft Missio ganz konkret in Pakistan?
Krämer: Wir versuchen durch die Projekte, die wir fördern, die Kirche zu unterstützen und den Christen im Land den Rücken zu stärken, die sich ja für alle Menschen in Pakistan einbringen wollen. Als ich im Mai in Pakistan war, haben mich vor allem zwei Projekte beeindruckt:
ein Zentrum für den interreligiösen Dialog in Lahore und eine katholische Frauenorganisation in Islamabad, die auf die Dörfer geht, die Frauen dort unterstützt, mit ihnen über ihre Rechte redet, sie ermutigt, gesellschaftlich aktiv zu werden. Außerdem unterstützt missio die Ausbildung von Priestern, Ordensleuten und Laien, die aktiv in der Seelsorge tätig sind – das ist immer die nachhaltigste Form von Hilfe.
Frage: Was planen Sie für den Monat der Weltmission?
Krämer: Wir werden zwölf Gäste aus Pakistan haben, die in rund 300 Veranstaltungen in deutschen Diözesen und Pfarreien unterwegs sein werden. Für die Gemeinden haben wir Materialien erarbeitet, damit sie am Sonntag der Weltmission Gottesdienste gestalten und ihre Solidarität mit den Christen in Pakistan zeigen können. Wir haben zudem eine Gebetskarte vorbereitet: Alle Teilnehmenden können auf dieser Karte ihre Gebete und guten Wünsche für die Kirche in Pakistan schreiben. Nach Ende der Aktion werden diese Karten dann an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz in Pakistan geschickt. Das soll ein spürbares Zeichen der Solidarität werden. Wir wissen, dass die Christen in Pakistan für solche Zeichen der Verbundenheit sehr dankbar sind.
Frage: Zur Solidarität gehören auch die Spenden am Sonntag der Weltmission. Gibt es bestimmte Projekte, die Sie mit diesem Geld unterstützen möchten?
Krämer: Die Spenden und Kollekten, die am 26. Oktober in allen Ländern der Weltkirche gesammelt werden, fließen in einen großen Solidaritätsfonds der Päpstlichen Missionswerke weltweit, zu denen wir ja gehören, und aus dem dann die bedürftigsten Ortskirchen unterstützt werden. Der Sonntag der Weltmission ist die weltweit größte katholische Solidaritätsaktion.
Frage: Was erhoffen Sie sich von der Aktion in diesem Jahr?
Krämer: Gerade in Pakistan zeigt sich, dass der Glaube auch unter schwierigen Bedingungen lebendig sein und seine Strahlkraft entfalten kann. Das kann auch uns bereichern. Und es ist zugleich eine Einladung, solidarisch zu sein und die Christen auch in der schwierigen Situation zu unterstützen. Beim Weltmissionssonntag wird deutlich, dass Christen in der Welt wirklich eine Solidargemeinschaft sind.
Das Interview führte Gottfried Bohl