Den Opfern eine Stimme geben
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Den Opfern eine Stimme geben

Ob Prostituierte, Mädchenbräute, Opfer von Organhandel oder Haussklaven – fast 36 Millionen Menschen, besonders Frauen und Kinder, sind Schätzungen zufolge (siehe Infobox unten zum Global Slavery Index 2014) weltweit in irgendeiner Form von Sklaverei betroffen. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher liegen.

Erstellt: 17.11.2014
Aktualisiert: 12.07.2015
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Ob Prostituierte, Mädchenbräute, Opfer von Organhandel oder Haussklaven – fast 36 Millionen Menschen, besonders Frauen und Kinder, sind Schätzungen zufolge (siehe Infobox unten zum Global Slavery Index 2014) weltweit in irgendeiner Form von Sklaverei betroffen. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher liegen.

Ein erster Schritt, um das Phänomen zu bekämpfen, ist es, den Opfern eine Stimme zu geben. Das betont im Interview mit Radio Vatikan Antonia Stampalija. Sie ist die Generaldirektorin des religionsübergreifenden Global Freedom Network (GFN), das der Vatikan vor kurzem in Zusammenarbeit mit der anglikanischen Kirche ins Leben rief. Auf einem Symposium des Netzwerkes sprachen an diesem Wochenende bei der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften junge Leute unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit aus aller Welt über ihre Erfahrungen mit der modernen Sklaverei. Man habe bewusst die Opfer zu Wort kommen lassen wollen, so Stampalija:

„Hauptziel ist wirklich, die Stimmen dieser jungen Leute zu hören, die von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung betroffen waren, und von ihnen zu erfahren, wo sie Wege sehen, andere junge Menschen davor zu bewahren. Es geht darum, ihre Stimme zu hören, ihre Geschichten, aus ihren Erfahrungen zu lernen, und dies in etwas Konstruktives umzuwandeln, in klare Botschaften und Strategien, um Menschenhandel zukünftig zu unterbinden.“

Empfehlungen gegen Menschenhandel und Sklaverei

Über die am Netzwerk beteiligten Partner und Laienorganisationen habe man 20 Sprecher ausgewählt und nach Rom eingeladen. Jeder von ihnen sei gebeten worden, in seinem Redebeitrag drei Empfehlungen gegen Menschenhandel und Sklaverei abzugeben. Auf dieser Grundlage wolle man konkrete Handlungsansätze im Kampf gegen diese Verbrechen entwickeln. Der Austausch im Vatikan sei nur der Ausgangspunkt für einen weltweiten Einsatz gegen die Sklaverei und ihre vielen Gesichter, erläutert die GFN-Generaldirektorin.

„Es geht um den Aufbau langfristiger Beziehungen zu diesen jungen Leuten, die so etwas wie junge Botschafter unseres Netzwerkes sind, eine Referenzgruppe – mit der Übereinkunft, andere junge Leute weltweit zu erreichen: Prävention ist ein Schlüssel! Wenn wir im Kontakt sind mit diesen jungen Leuten, können wir Entscheidungen treffen und Strategien entwickeln, mit denen wir uns dann gezielt an Regierungen und Anti-Sklaverei-Organisationen wenden können.“

„Wandel auf der Graswurzelebene“

Das Global Freedom Netzwerk macht sich die Basisarbeit der Religionsgemeinschaften weltweit zunutze, um im Alltag effektiv gegen Sklaverei und Menschenhandel vorzugehen. Der Anspruch dabei ist, das globale Phänomen auch global zu bekämpfen und dabei alle Potentiale auf bestmögliche Weise zu nutzen. Antonia Stampalija:

„Unser Netzwerk lädt alle Glaubensrichtungen aus der ganzen Welt dazu ein, sich beim Kampf gegen den Menschenhandel zusammenzuschließen. So haben wir zusammen und durch das Wirken jeder einzelnen Glaubensgemeinschaft eine viel größere Reichweite als wenn sich jeder alleine engagiert! Durch diese Unterstützung sind wir in der Lage, einen Wandel auf der Graswurzelebene einzuleiten.“

Neben Papst Franziskus und dem anglikanischen Erzbischof Justin Welby wird das Netzwerk wesentlich auch vom Großen Imam der Al-Azhar-Universität Kairo, Mohamed Ahmed el-Tayeb, unterstützt. Das zweitägige Symposium im Vatikan trägt den Titel „Jugendliche gegen Prostitution und Menschenhandel“. Eingeladen dazu hat die Päpstliche Akademie der Wissenschaften und die argentinische NGO „Vinculos en red“. Insgesamt nahmen mehr als 100 Vertreter teil.

Fast 36 Millionen Menschen leben in Sklaverei

Rund 35,8 Millionen Männer, Frauen und Kinder weltweit leben in Sklaverei. Das geht aus dem Global Slavery Index 2014 der australischen Menschenrechtsorganisation „Walk Free Foundation“ hervor, der am Montag veröffentlicht wurde. Demnach leben und arbeiten allein in Indien 14,3 Millionen Menschen unter Zwang. Das Land mit dem höchsten Anteil versklavter Bevölkerung ist demnach Mauretanien: Dort leben vier Prozent der knapp vier Millionen Einwohner in struktureller Unfreiheit. Andere Länder mit einem hohen Bevölkerungsanteil in Sklaverei sind der Studie zufolge China (3,2 Millionen), Pakistan (2,1 Millionen), Usbekistan (1,2 Millionen) und Russland (1 Million). Deutschland rangiert in der Häufigkeit von Sklaverei auf Platz 147 von 167 untersuchten Ländern. Am besten ist die Lage in Luxemburg, Irland und Island; im letztgenannten leben laut der Walk Free Foundation 23 Personen in moderner Sklaverei. (KNA)