Eine Generation ohne Aids
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Eine Generation ohne Aids

Aids ‐ Nur in Südafrika gibt es mehr HIV-Infizierte als in Indien: Fünf Millionen Menschen leiden in dem südasiatischen Staat unter der Immunschwächekrankheit. Pater Alwin Mascarenhas leitet in dem indischen Dorf Pregnapur ein Zentrum für Aidskranke. Anlässlich des Weltaidstags 2014 spricht der Steyler -Ordensmann über die Situation der HIV-Infizierten und den Kampf gegen das Stigma „Aids“.

Erstellt: 01.12.2014
Aktualisiert: 04.01.2023
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Frage: Pater Mascarenhas, wie verbreitet ist HIV/Aids in Pregnapur und Umgebung?

Mascarenhas: Bei uns in Medak, einem Distrikt des indischen Bundesstaates Telangana, sind über 12.000 Menschen mit dem HI-Virus infiziert, darunter 416 Kinder. 50 Prozent aller Infizierten sind in antiretroviraler Therapie.

Frage: Welchen gesellschaftlichen Stand haben HIV-Infizierte?

Mascarenhas: Noch vor einigen Jahren sind HIV-Infizierte in Medak stark diskriminiert worden. Mir fallen da viele persönliche Schicksale ein, wie etwa das von Suguna, deren Mann Bhaskar sehr jung an Aids starb. Fortan wurde Suguna ausgegrenzt und von ihrer eigenen Familie verstoßen, erst recht, als festgestellt wurde, dass sie selbst HIV positiv war. Zahlreiche Beratungs- und Aufklärungsprogramme haben die Situation verbessert. Trotzdem: Wer das HI-Virus in sich trägt, ist immer noch stigmatisiert und hat große Schwierigkeiten, Arbeit zu finden oder in einer privaten oder staatlichen Gesundheitseinrichtung behandelt zu werden.

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Frage: Mit welchen Maßnahmen helfen Sie den HIV-Infizierten vor Ort?

Mascarenhas: 2006 haben wir in Pregnapur „Asha Jyothi“ eröffnet, ein Pflegezentrum für Aidskranke mit rund 20 Betten, in dem wir Schwerstkranken mit christlicher Nächstenliebe begegnen. Zugleich haben wir ein umfassendes Programm zur Aufklärung der Landbevölkerung auf den Weg gebracht, mit dem wir der weiteren Ausbreitung von HIV/Aids entgegenwirken. Zum Dritten fördern wir ein Programm zur Prävention der HIV-Übertragung von schwangeren Frauen auf Kinder – allein mit dieser Maßnahme konnten wir mehr als 700 Kinder in unserem Distrikt vor HIV schützen. In unserem „Arnold Janssen Home“ betreuen wir seit 2011 rund 30 Waisen, die ihre Eltern an HIV/Aids verloren haben. Mithilfe der Steyler Missionsprokur in Deutschland pflegen wir darüber hinaus regelmäßig 30 HIV-infizierte Kinder, die bei ihren Pflegefamilien zu Hause wohnen.

Frage: Was motiviert Sie an Ihrer Arbeit?

Mascarenhas: Die Erfolgsgeschichten jener, denen wir helfen konnten. Mir kommt da zum Beispiel Harish in den Sinn. Drei Jahre war er alt, als sein Vater an Aids starb. Auch Harish und seine Mutter tragen das HI-Virus in sich. Als Harish in die Schule kam, bestand er nur aus Haut und Knochen und litt außerdem unter Krätze. Menschen mit Immunschwäche sind sehr anfällig für diese Hautkrankheit. Harishs ganzer Körper war mit Schuppen und Borken übersät, er roch unangenehm und wurde deshalb von seinen Mitschülern immer ausgegrenzt. Oft flehte er seine Mutter an, nicht mehr in die Schule gehen zu müssen.

Frage: Wie konnten Sie Harish helfen?

Mascarenhas: Wir behandelten ihn und vermittelten ihm das Gefühl, willkommen und angenommen zu sein. Schon nach zwei Monaten war er kaum mehr wiederzuerkennen: Die Krätze war komplett verschwunden. Er sieht heute völlig gesund aus und wird von uns monatlich mit spezieller Nahrung und Medikamenten versorgt. Obwohl er HIV positiv ist, lebt er ein sehr selbstbewusstes Leben, geht inzwischen in die 8. Klasse und hat in der Schule viele Freunde.

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Frage: Wie finanzieren Sie Ihr Engagement für HIV-Infizierte?

Mascarenhas: Die Nichtregierungsorganisation Asha Jyothi, in deren Trägerschaft unser Zentrum gehört, genießt den Ruf einer erstklassigen Anlaufstelle für HIV/Aidskranke. Sie wurde vielfach ausgezeichnet und mit Regierungsmitteln gefördert. Am 1. April 2013 hat die Regierung ihre Fördermittel überraschend gestrichen. Trotz dieser kritischen finanziellen Lage versuchen wir, unsere Pflege aufrecht zu erhalten, sind dazu aber dringend auf Spenden angewiesen.

Frage: Feiern Sie trotz des finanziellen Engpasses den Weltaidstag 2014?

Mascarenhas: Ja, den Weltaidstag begehen wir jedes Jahr sehr feierlich. Oft begrüßen wir bei uns Ehrengäste aus der Landesregierung. Meist gibt es eine Tanzvorführung unserer Kinder und unsere Mitarbeiter führen ein kleines Rollenspiel auf, in dem sie auf die HIV/Aids-Problematik aufmerksam machen. Dieses Jahr planen wir am 2. Dezember eine große Kundgebung in Pregnapur, die wir unter das Motto des Weltaidstags 2014 gestellt haben: „Eine Generation ohne Aids“. Das bleibt langfristig unser Ziel: Durch umfassende Aufklärungskampagnen und liebevolle Pflege eine Gesellschaft mitzugestalten, in der Aids keine Rolle mehr spielt.

Das Interview führte Markus Frädrich.

Hilfe für Aidskranke

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Stichwort: Aids

Aids steht als Abkürzung für das „Acquired Immune Deficiency Syndrome“. Die „erworbene Immunschwäche“ führt zu einem Zusammenbruch des körpereigenen Abwehrsystems. Derzeit sind nach neuesten Schätzungen der UN-Organisation UNAIDS rund 35,3 Millionen Menschen mit dem humanen Immunschwäche-Virus (HIV) infiziert oder bereits an Aids erkrankt. Davon leben allein rund zwei Drittel im südlichen Afrika. Die Ursachen liegen oft in mangelnder Aufklärung und Bildung. Dass Frauen vielfach kein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben, fördert die Epidemie. In Deutschland schätzt das Robert-Koch-Institut (RKI) die Zahl der HIV-Infizierten aktuell auf 78.000. Seit Beginn der Epidemie gab es demnach etwa 27.000 Todesfälle in Deutschland, jährlich kommen etwa 500 hinzu. Rund 14.000 Menschen in Deutschland wissen Schätzungen zufolge nichts von ihrer Infektion. (KNA)