
„Gehet und handelt genauso!“
Die Begegnung mit Maria in den Straßen Turins war eine Art zweite Berufung für die heute 75-jährige Schwester Eugenia Bonetti. Leidenschaftlich und entschlossen spricht die Ordensfrau, der schon Präsident Bush jr. persönlich zugehört hat, zu den Gästen einer Debatte der EU-Bischofskommission COMECE zum Thema Menschenhandel .
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die Begegnung mit Maria in den Straßen Turins war eine Art zweite Berufung für die heute 75-jährige Schwester Eugenia Bonetti. Leidenschaftlich und entschlossen spricht die Ordensfrau, der schon Präsident Bush jr. persönlich zugehört hat, zu den Gästen einer Debatte der EU-Bischofskommission COMECE zum Thema Menschenhandel .
Maria war eine 30-jährige Nigerianerin mit drei Kindern, die auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa dem organisierten Menschenhandel zum Opfer fiel. Ohne legalen Aufenthaltsstatus und Krankenversicherung landete sie auf der Straße. Nach Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) leben in Europa etwa eine halbe Million Frauen und Minderjährige, die ein ähnliches Schicksal teilen.
„Ich schäme mich für unsere sogenannte zivilisierte Gesellschaft, die diese Umstände zulässt.“
„Ich schäme mich für unsere sogenannte zivilisierte Gesellschaft, die diese Umstände zulässt“, klagt Sr. Eugenia. Armut, Korruption und die Ignoranz jedes Einzelnen seien für sie die Ursachen des Leids. Die ungesättigte Nachfrage nach körperlichen und sexuellen Dienstleistungen sei ein Ausdruck dieser Ignoranz. Erst das Desinteresse einer ganzen Gesellschaft gegenüber den Lebensgeschichten und -umständen von Fremden schaffe einen Raum, in dem die Würde des Menschen auf brutalste Weise verachtet werde. Jetzt klingt sie fast wie Papst Franziskus.
In den Netzen der Zwangsprostitution
Von den Bildern eines verklärten Europas angetrieben, fährt Sr. Eugenia fort, riskierten insbesondere junge Frauen ihre Würde, ihre Identität und gar ihr Leben, um Zugang zu dieser Welt zu erhalten und ihrer Armut zu entfliehen. Verzweiflung und existenzielle Hoffnung seien ein lukratives Geschäft für den organisierten Menschenhandel. Gelockt mit Jobversprechen oder akademischer Bildung landeten Frauen, darunter viele Minderjährige, in den Netzen der Zwangsprostitution.
Sr. Eugenia scheut nicht davor, gegenüber staatlichen, kirchlichen wie auch gesellschaftlichen Stellen den Finger in die Wunde zu legen. Auf ihre Initiative hin errichtete die Konferenz italienischer Frauenkongregationen (USMI) eine eigene Fachstelle gegen Menschenhandel. Im Rahmen ihrer Aktion „Frauen helfen Frauen“ arbeiten in Italien derzeit über 250 Ordensschwestern aus 70 verschiedenen Kongregationen an über 110 Projekten mit. Zu den Aufgaben der Ordensfrauen gehört auch die Sensibilisierung ihrer Mitschwestern in den afrikanischen Ländern, die häufig nichts von dem Schicksal ihrer jungen Landsleute wissen.
Den Anwesenden der Debatte gibt Sr. Eugenia am Schluss die Worte mit auf den Weg, die auch Jesus im Lukasevangelium dem Gesetzeslehrer auf die Frage mitgab, wer sein Nächster sei: „Gehet und handelt genauso!“
Von Dorian Winter
COMECE: Kirchen rufen die EU zum weitergehenden Handeln gegen Menschenhandel auf