
„Menschenunwürdige Bedingungen beenden“
Im Vatikan haben Papst Franziskus und weitere Vertreter der großen Religionen am Dienstag eine gemeinsame Erklärung zum Kampf gegen Menschenhandel unterzeichnet. Es ist die erste interreligiöse Initiative dieser Art. Pater Clemens Schliermann von der Don Bosco Mission erklärt im domradio.de -Interview, weshalb sie so wichtig ist.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Im Vatikan haben Papst Franziskus und weitere Vertreter der großen Religionen am Dienstag eine gemeinsame Erklärung zum Kampf gegen Menschenhandel unterzeichnet. Es ist die erste interreligiöse Initiative dieser Art. Pater Clemens Schliermann von der Don Bosco Mission erklärt im domradio.de -Interview, weshalb sie so wichtig ist.
Frage: Sklaverei – das ist ein Wort, das ja eigentlich längst überholt sein müsste. Aber leider ist die sogenannte Sklaverei viel häufiger als gedacht. Wo begegnet sie uns auch hier in Deutschland?
Pater Schliermann: Gerade gestern kam eine Meldung über den Ticker, dass in Großbordellen eine Razzia durchgezogen worden ist. Dass junge Frauen häufig aus dem Bereich Osteuropa als moderne Sklavinnen gehalten werden, und hier gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen werden. Das Prostitutionsgesetz, dass die ganze Fragestellung transparenter machen sollte, hat genau das Gegenteil erreicht: Mehr Frauen werden tatsächlich durch mafiöse Organisationen gehandelt. Das ist ein Teil dieses bösen Gesichtes, den wir hier wahrnehmen können. Oder die Fragestellung, dass wir immer wieder Situationen haben, dass aus Rumänien oder der Ukraine billige Arbeitssklaven am Bau sich verdingen müssen mit einem Betrag weit unter dem Mindestlohn von 4,50 Euro.
Frage: Das Thema ist auch vor der eigenen Haustür akut. Ein Schwerpunktland zum Thema moderne Sklaverei ist Indien. Wo liegen die Ursachen?

Schliermann: In Indien liegen die Ursachen sicherlich auch in dem ganzen starken Gefälle zwischen Arm und Reich. Wir Salesianer Don Boscos sind wir in allen elf Provinzen tätig. Wir holen jeden Tag in Bengalore, in Südindien, 50 Kinder vom Bahnhof. Das sind Straßenkinder, die auf der Flucht sind. Viele, die wir da retten, werden vor der Prostitution bewahrt. Auch Organhandel ist ein großes Thema. Das ist zwar nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist zumindest einer.
Frage: Sie holen sie von der Straße weg. Welche Perspektiven haben die Kinder? Sind sie dauerhaft gerettet?
Schliermann: Sie werden jeden Tag am Bahnhof aufgesammelt von den Salesianern und anderen Mitarbeitern. Wir können 85 Prozent innerhalb von 24 Stunden wieder zurück vermitteln. Die anderen bleiben bei uns in den Einrichtungen. Da geht es vor allem um die medizinische Betreuung, um Traumatabewältigung und Bildungsarbeit.
Frage: Anlässlich des Welttags zur Abschaffung der Sklaverei hat Papst Franziskus mit anderen Religionsführern am Dienstag eine Erklärung im Kampf gegen Menschenhandel unterzeichnet. Wie wichtig ist dieses Zeichen?
Schliermann: Das hat für uns eine große Bedeutung. Einerseits wird durch solche Tage den Menschen hoffentlich bewusster, wieviel auch wir dazu beitragen können. Wenn wir zum Beispiel billige Kleidung kaufen, muss uns bewusst sein, dass sie häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen in Asien hergestellt wird, dass Kinder und Frauen unter sklavenähnlichen Bedingungen schuften müssen. Wenn uns das bewusst ist, wenn wir uns als Konsumenten fragen, ob das fair gehandelt ist, kommt der Tee aus fairen Kooperativen oder ist der Tee von Kindern und Frauen unter erbärmlichen Bedingungen gepflückt worden. Ich denke, es hat eine große Bedeutung, wenn der Papst und andere Religionsführer diese Erklärung unterschreiben und damit deutlich machen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wir müssen alles tun, damit wir solche Bedingungen beenden oder zumindest einen Anstoß geben können, dass es weniger wird.
Das Interview führte Daniel Hauser.
Mit freundlichem Dank für die Genehmigung an domradio.de .