Blasphemischer Bleistift
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Blasphemischer Bleistift

Islam, Christentum, Judentum: Keine Religion ist sicher vor den giftigen Bleistiftstrichen des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“. Religiöse Satire ist ein fester Bestandteil – so lautet das Credo der 1992 gegründeten Zeitschrift mit einer Auflage von rund 140.000 Exemplaren. Spätestens seit der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen im Jahr 2006 stand jedoch besonders die Islamkritik des Magazins im Fokus der medialen Aufmerksamkeit.

Erstellt: 08.01.2015
Aktualisiert: 12.07.2015
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Islam, Christentum, Judentum: Keine Religion ist sicher vor den giftigen Bleistiftstrichen des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“. Religiöse Satire ist ein fester Bestandteil – so lautet das Credo der 1992 gegründeten Zeitschrift mit einer Auflage von rund 140.000 Exemplaren. Spätestens seit der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen im Jahr 2006 stand jedoch besonders die Islamkritik des Magazins im Fokus der medialen Aufmerksamkeit.

Deftige Zeichnungen, Obszönitäten, Drohungen und zuletzt auch Gewalt sorgten immer wieder für öffentliche Aufschreie. Mit dem Anschlag auf die Pariser Redaktion des Satireblatts am Mittwoch, bei dem mindestens zwölf Menschen erschossen und vier schwer verletzt worden, ist eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Nachdruck umstrittener Mohammed-Karikatur

Der Nachdruck der umstrittenen zwölf Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung „Jyllands Posten“ und weitere eigene Karikaturen sorgten bereits 2006 für einen teils gewalttätigen Sturm der Entrüstung in der islamischen Welt. Die Zeichnungen zeigten Mohammed unter anderem mit einem Turban in Form einer Bombe mit brennender Zündschnur. Eine von der Satirezeitschrift selbst in Auftrag gegebene Zeichnung stellt Mohammed dar, wie er den Kopf auf die Hände stützt, mit der Sprechblase: „Es ist hart, von Idioten geliebt zu werden.“

Die Pariser Moschee und die Vereinigung der islamischen Organisationen Frankreichs (UOIF) klagten damals gegen das Magazin. Die Richter sprachen den damaligen Herausgeber des Blatts, Philippe Val, jedoch vom Vorwurf der Beleidigung frei.

Zeitschriften-Cover weltweit: Wie die Nachrichten heute auf den Anschlag in Paris reagierten

Brandanschlag und Hackerangriff

Eine neue Ebene erreichte der Konflikt im November 2011. Kurz vor der Veröffentlichung einer islamkritischen Ausgabe wurden die Redaktionsräume von „Charlie Hebdo“ durch einen Brandanschlag teilweise zerstört. Zuvor hatte die Zeitung eine Sonderausgabe mit dem Titel „Charia hebdo“ (deutsch etwa: „wöchentliches islamisches Strafgericht“) angekündigt.

Das Titelblatt zeigte den Propheten Mohammed mit einer Sprechblase „100 Stockschläge, wenn Sie sich nicht totlachen“. Auf der Rückseite sollte unter anderem eine Zeichnung Mohammeds mit einer roten Clownsnase und der Bildunterschrift „Der Islam ist mit dem Humor vereinbar“ gezeigt werden. Und auch 2012 wieder Mohammed – diesmal nackt. Demonstrationen und ein Hackerangriff auf die Internetseite des Magazins waren die Folge.

Auch Kritik am Christentum

Doch auch mit anderen Religionen geht das Magazin keineswegs zimperlich um. Wegen Kritik an Papst und Christentum stand die Zeitung 2009 vor Gericht. Die konservative „Allgemeine Allianz gegen Rassismus und für Respekt der französischen und christlichen Identität“ (Agrif) hatte dem Blatt unter anderem vorgeworfen, in einem Beitrag die Jesus-Äußerung „Lasset die Kinder zu mir kommen“ in einen pädophil-pornografischen Kontext gerückt zu haben.

Das Konklave zur Papstwahl 2013 karikierte „Charlie Hebdo“ als Schwulentreffen. Die Zeichnung, die Kardinäle nackt beim Kreistanz mit hochgezogenen Gewändern zeigt, untertitelte die Redaktion mit „Gay-Lobby im Konklave – Wann kommt der Rauch denn?“.

Um angeblich antisemitische Äußerungen des Karikaturisten Sine ging es 2011, als dieser sich zur geplanten Hochzeit von Jean Sarkozy, Sohn des ehemaligen französischen Staatspräsidenten, mit Jessica Sebaou, der jüdischen Erbin der Kaufhauskette Darty, äußerte.

Dass der blasphemische Bleistiftstrich des Magazins auch in den vergangenen Monaten nicht weicher geworden ist, zeigt ein Blick auf seine Facebook-Seite. „Scheiße“ brüllt dort dem Betrachter ein hässliches Jesuskind zu Weihnachten aus der Krippe entgegen. Und zum neuen Jahr übermittelt ein karikierter Abu Bakr al-Baghdadi, Anführer der Terrororganisation „Islamischer Staat“, die besten Wünsche, und „... vor allem Gesundheit“.

Von Inga Kilian (KNA)

Immer wieder Konflikte um Meinungs- und Pressefreiheit

Der Terroranschlag von Paris lenkt den Blick auch auf den weltweiten Konflikt um die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen. Dabei kam es von 2006 an in zahlreichen islamischen Ländern zu gewaltsamen Protesten. Auch die sogenannte Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. 2006 und das Buch „Die satanischen Verse“ von Salman Rushdie sorgten für Konflikte zwischen westlicher und islamischer Welt. Ein Rückblick: 1988: Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie veröffentlicht sein Buch „Die satanischen Verse“. 1989: Der iranische Religionsführer Ayatollah Khomeini verurteilt Rushdie mit einer Fatwa zum Tode. Begründet wird der islamische Richtspruch damit, dass das Buch „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“ gerichtet sei. November 2004: Der niederländische Filmregisseur, Publizist und Satiriker Theo von Gogh wird von einem niederländisch-marokkanischen Islamisten ermordet. Er begründet die Gewalttat vor allem mit van Goghs Film „Unterwerfung“; dieser handelt von vier islamischen Frauen, die über ihre Missbrauchserfahrungen sprechen. September 2005: Die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ veröffentlicht zwölf Mohammed-Karikaturen. Mit dem Bruch des islamischen Abbildungsverbots will sie das Recht auf Meinungsfreiheit demonstrieren. Zwei der Zeichner müssen nach Morddrohungen untertauchen. Oktober 2005: Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen stellt sich auf die Seite der Zeitung und weist die Bitte um ein Gespräch von Botschaftern aus elf islamischen Ländern ab. November/Dezember 2005: Eine Delegation dänischer Imame reist durch mehrere islamische Länder, um auf die Situation in Dänemark aufmerksam zu machen. Januar 2006: Norwegens „Magazinet“ druckt die Karikaturen nach; später folgen Zeitungen anderer Länder, darunter auch deutsche. „Jyllands-Posten“ entschuldigt sich für die Kränkung religiöser Gefühle. In islamischen Ländern kommt es zu gewaltsamen Protesten. September 2006: In einem Vortrag an der Universität Regensburg zitiert Papst Benedikt XVI. eine Aussage zur Rolle der Gewalt im Islam, die der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaiologos (1350–1425) während der Unterhaltung mit einem persischen Gelehrten machte. Die Rede führt zu heftigen Protesten in der muslimischen Welt. Februar 2008: Die dänischen Sicherheitsbehörden decken Mordpläne gegen den Karikaturisten Kurt Westergaard auf. Als Reaktion darauf drucken dänische Zeitungen erneut dessen Karikaturen ab. Januar 2010: Westergaard entgeht nur knapp dem Anschlag eines mutmaßlichen Islamisten. Er kann sich rechtzeitig in einen speziell gesicherten Raum retten und von dort die Polizei alarmieren. Quelle: KNA