Malala und Asia Bibi
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Malala und Asia Bibi

Religionsfreiheit ‐ ... oder weshalb Religionsfreiheit immer nur für alle „zu haben“ ist. Im Monat der Weltmission 2014 ging es immer wieder auch um zwei pakistanische Frauen: Malala Yousafzai und Asia Bibi. So unterschiedlich sie sind, so unterscheiden sich auch die Gründe ihrer Bekanntheit.

Erstellt: 14.01.2015
Aktualisiert: 26.08.2016
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... oder weshalb Religionsfreiheit immer nur für alle „zu haben“ ist

Im Monat der Weltmission 2014 ging es immer wieder auch um zwei pakistanische Frauen: Malala Yousafzai und Asia Bibi. So unterschiedlich sie sind, so unterscheiden sich auch die Gründe ihrer Bekanntheit.

Die eine ist Muslimin, 17 Jahre alt und Trägerin des Friedensnobelpreises . Malala hat sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft unerschrocken für die Rechte von Mädchen eingesetzt. Sie ist dadurch zur Märtyrerin geworden. Weil den Taliban die Bildung von Mädchen ein Dorn im Auge ist, haben sie ihr in den Kopf geschossen. Sie hat knapp überlebt, musste aber aus Pakistan fliehen. Sie ist ein Zeichen der Hoffnung für all diejenigen, die allen Menschen eine gleichberechtigte und gute Zukunft eröffnen wollen.

Bild: © Missio Aachen

Die andere, Asia Bibi , ist Christin und sitzt seit fünf Jahren in Haft. Sie ist eine einfache Landarbeiterin, die weder lesen noch schreiben kann. Sie ließ sich in einen religiösen Disput verwickeln und wurde zum Tode verurteilt, weil sie angeblich den Propheten Mohammed beleidigt hat. Ihr Antrag auf Berufung ist vergangene Woche abgelehnt worden. Nun steht noch eine Berufungsinstanz zwischen ihr und der Hinrichtung.

So unterschiedlich die Schicksale beider Frauen sind, so zeigt diese kurze Zusammenschau doch eines: In einem Land , wo Religionsfreiheit mit Füßen getreten wird, steht es auch um den Schutz, den Respekt und die Durchsetzung aller Menschenrechte nicht gut. Dies gilt nicht nur für Pakistan , sondern für viele Länder dieser Erde.

Nicht nur Christen leiden

Nicht nur in evangelikalen Kreisen wird in letzter Zeit vermehrt von Christenverfolgung gesprochen. Dies wird der Komplexität des Problems nicht gerecht. In einem Land wie Pakistan werden Christen in der Tat massiv diskriminiert. Sie haben nicht die gleichen Berufs- und Bildungschancen wie Angehörige der muslimischen Mehrheit. Es gibt Anschläge auf christliche Schulen, Kirchen und Dörfer. Christen werden gelegentlich beleidigt und öffentlich verleumdet.

Doch zugleich können sie in der Regel unbedrängt Gottesdienste feiern und ihrer Religion nachgehen. Die Diskriminierungen sind eine massive Wirklichkeit – aber das Systematische, was eine Verfolgung ausmachen würde, ist nicht gegeben. Zudem leiden nicht nur Christen unter diesen Diskriminierungen, sondern zugleich alle (religiösen) Minderheiten: Ahmadyyas, Hindus, Sikhs etc. Wie das Beispiel Malala zeigt, leiden auch muslimische Frauen unter der Unterdrückung. Deshalb haben sich die katholische und evangelische Bischofskonferenz in ihrem „ Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit 2013“ zum Ziel gesetzt, dass sich die christlichen Kirchen selbstverständlich für die Religionsfreiheit der Christinnen und Christen weltweit einsetzen – aber nie exklusiv, sondern exemplarisch. Der Einsatz für Religionsfreiheit bedeutet immer, die Freiheit aller zu befürworten! Religiöse Minderheiten stellen diesbezüglich auch in Deutschland die „Nagelprobe“ echter Religionsfreiheit dar, die nicht nur für die Mehrheit gilt, sondern für alle.

„Der Einsatz für Religionsfreiheit bedeutet immer, die Freiheit aller zu befürworten!“

Bild: © privat

Kein einseitiger Opferdiskurs

Die Liste der Länder, in denen das Recht auf Religionsfreiheit beschädigt wird, ist leider lang: Vietnam, Nordkorea, China, Syrien, Irak … Gerade letztgenannte Länder weisen auf eine große Wunde der Christenheit hin: Die Verfolgung und Auslöschung der Kirchen dort, deren Geschichte zum Teil auf die Anfänge des Christentums geht, durch den IS und andere radikale Gruppen schmerzt. Zugleich stellt sie Christinnen und Christen vor „ihre“ Nagelprobe: Gelingt es trotz dieser unsäglichen Gräueltaten, nicht einseitig von Christenverfolgung zu sprechen, sondern von Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie von Menschenrechten für alle? Schließlich werden auch andere Gruppen von den Fundamentalisten verfolgt und bedrängt. „Die Zahlen und Berichte über die Verfolgung und Bedrängung von Christen zeigen deutlich, dass dort, wo die Religionsfreiheit für Christen eingeschränkt ist, auch die Freiheit anderer Religionen missachtet wird, beispielsweise auch von Minderheiten und Dissidenten innerhalb des Islam.“ (Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit)

Ein einseitiger und blinder Opferdiskurs der Religionsgemeinschaften ist sicherlich kein Motor für ein friedliches Zusammenleben. Selbstverständlich muss Ungerechtigkeit offen und ehrlich angeklagt werden – allerdings stets im Bewusstsein, dass auch „die anderen“ Opfer sind oder werden können. Nur wenn dieses Bewusstsein wächst, dann wächst auch eine Kultur, in der das Recht auf Religionsfreiheit für alle respektiert, geschützt und gefördert wird. Mit Blick auf die beiden pakistanischen Frauen gilt also: von Asia Bibi reden und von Malala nicht schweigen!

Von Wolf-Gero Reichert

Quelle: DRS.GLOBAL – Aus der weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart 1/2015 . Mit freundlichem Dank für die Genehmigung.

Zur Person

Wolf-Gero Reichert ist Missio-Diözesanreferent in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Zuvor war der promovierte Theologe am Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik in Frankfurt-Sankt Georgen tätig.