Nur ein Prozent kommt nach Europa

Nur ein Prozent kommt nach Europa

50 Millionen Menschen sind es, die auf der Flucht sind, und es scheinen immer mehr zu werden. Krieg, Verfolgung, Katastrophen oder Armut lassen die Menschen aufbrechen. Vor allem die Nachbarländer sind es, die die Folgen tragen. Das zeigt das Beispiel Syrien. So sind die meisten der Bürgerkriegsflüchtlinge im Libanon , in Jordanien und in der Türkei untergekommen. Dort leben sie derzeit in riesigen Camps. Nach Europa schaffen es insgesamt gesehen nur wenige. Zuletzt waren es 500.000. „Das ist nicht mal ein Prozent der Flüchtlingszahlen weltweit“, wie der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienst , Pater Frido Pflüger, sagt.

Erstellt: 15.01.2015
Aktualisiert: 17.02.2023
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Als früherer Lehrer für Mathematik sieht der Jesuit die Zahlen nüchtern. Einen wie ihn, der in der afrikanischen Wüste Camps mit 450.000 Menschen betreute, kann nichts erschüttern, wie am Dienstagabend in München deutlich wird. Die Katholische Akademie in Bayern hatte geladen, um über „Flüchtlinge – Drama ohne Ende?“ zu diskutieren. Neben dem Praktiker ist der Vizepräsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus Nürnberg gekommen. Michael Griesbeck hat Statistiken über die Asylbewerberzahlen in Deutschland mitgebracht. Seit 2008 ist die Zahl bis 2014 deutlich gestiegen, von 30.000 auf über 200.000.

Bild: © KNA

Schutz finden in der Bundesrepublik nach dem Grundgesetz jene, die politisch verfolgt werden sowie Menschen, die unter die Genfer Schutz-Konvention fallen oder denen Folter oder Todesstrafe droht. Der Rest ist ausreisepflichtig. Weil dies aus verschiedenen Gründen oft nicht möglich ist, gibt es die „Duldung“, von der aktuell 100.000 Menschen betroffen sind, wie Griesbeck sagt.

Appell an das „müde Europa“

Der frühere BAMF-Chef, Albert Schmid, sitzt heute als Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern mit am Podium. Er sieht im Katholischen die „religiöse Antwort auf die globalisierte Welt“. Deshalb wirbt er für den christlich-biblischen Blick auf den Menschen, lautet doch Jesu Wort: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“ Er freue sich, dass sich in Bayern so viele Pfarreien der Flüchtlinge annähmen. Das sei nicht immer so gewesen. Seit den 1990er Jahren habe es da eine deutliche Bewusstseinsänderung gegeben.

Weil aber kein Mensch gerne seine Heimat verlasse, müsse auch den Herkunftsländern die Möglichkeit zur Entwicklung gegeben werden, so Schmid. Von Papst Paul VI. stamme der Satz: „Entwicklung ist das neue Wort für Frieden.“ Zudem appelliert der SPD-Politiker an das „müde Europa“, die Zuwanderung als persönliche Herausforderung anzunehmen und sich der Welt zu öffnen.

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Streit um Dublin-Verfahren

Streitfrage bleibt die Dublin-Regelung, wonach das Asylverfahren dort einzuleiten ist, wo der Flüchtling zuerst registriert wurde. Griesbeck räumt eine Reformbedürftigkeit ein, doch so lange es kein besseres System gebe, sei an diesem festzuhalten. So könne es nicht sein, dass wer wirklich Schutz suche, in erster Linie nach den noch besseren sozialen Standards eines anderen Landes schiele.

Pflüger plädiert dagegen für die freie Wahl. Er ist überzeugt, dass Flüchtlinge Länder danach aussuchten, ob sie dort schon Freunde oder Verwandte hätten. Dublin sorge nur für einen „Verschiebebahnhof“. Zwar gebe es 40.000 Anträge jedes Jahr in Deutschland, am Ende würden aber nur rund 1.000 abgeschoben: „Auf die käme es dann auch nicht mehr an.“

Bleibt für manche Pfarreien in ihrer christlichen Verantwortung nur noch das Kirchenasyl als Lösung, um etwa einen bereits fleißig Deutsch lernenden Afghanen vor einer Abschiebung nach Ungarn zu bewahren. Meist soll damit nur jene Frist von sechs Monaten überbrückt werden, damit das Asylverfahren hier stattfinden kann. Doch dann komme das BAMF wieder mit anderen Regelungen, weiß eine Pfarrgemeinderatsvorsitzende zu berichten. Da ist selbst Griesbeck überrascht und bietet der Juristin ein persönliches Gespräch an. Vielleicht eröffnet sich dadurch ja eine neue Perspektive für die Zukunft.

Von Barbara Just (KNA)