„Wir stehen auf Boden“
Die Internationale Grüne Woche in Berlin ist in vollem Gange. Zum 40. Mal ist die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) mit einem Stand auf der weltgrößten Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau vertreten. Im Interview erklärt die KLJB-Bundesvorsitzende Karin Silbe, welches Thema der Verband in diesem Jahr in den Mittelpunkt stellt.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Die Internationale Grüne Woche in Berlin ist in vollem Gange. Zum 40. Mal ist die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) mit einem Stand auf der weltgrößten Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau vertreten. Im Interview erklärt die KLJB-Bundesvorsitzende Karin Silbe, welches Thema der Verband in diesem Jahr in den Mittelpunkt stellt.
Frage: Mit welchem Thema ist die KLJB auf der Grünen Woche präsent?
Silbe: Unter dem Motto „Wir stehen auf Boden“ befassen wir uns in diesem Jahr mit fruchtbaren Böden. Die Vereinten Nationen haben 2015 als Jahr der Böden ausgerufen. Über die kommenden Monate verteilt haben wir daher unterschiedliche Aktivitäten geplant. Eine davon ist unser Stand auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Im August findet in der Nähe von Oldenburg unser Bundestreffen mit rund 1.200 Landjugendlichen statt. Auch hier werden wir das Thema „Bodenfruchtbarkeit“ aufgreifen. Zudem planen wir eine Schilder-Aktion, in der wir kleine Tafeln an Feldrändern, Wiesen und Wanderwegen aufstellen. Hier bekommen Spaziergänger Informationen über den Waldboden und bestimmte Pflanzenarten. Zugleich werden sie aufgefordert, selbst aktiv zu werden und z. B. die abgebildeten Pflanzen vor Ort zu suchen und sich deren Wurzeln anzuschauen.
Frage: Mit welchen Mitmach-Aktionen und Veranstaltungen versuchen Sie, den Besuchern der Grünen Woche das Thema „Böden“ näher zu bringen?
Silbe: Wir haben an unserem Stand verschiedene Schaukästen aufgehängt, in denen man sich Pflanzenwurzeln unter der Erde anschauen kann. Die Besucher der Messe sind oft erstaunt, dass an der Pflanze noch sehr viel mehr wächst, als man auf den ersten Blick sieht. Zudem haben wir eine Fotowand mit Löchern zum Durchschauen aufgestellt, auf dem ein Landwirt und zwei Regenwürmer abgebildet sind. Diese sind immerhin die wichtigsten Arbeiter des Landwirtes. Darüber hinaus führen wir ein kleines Schätz-Spiel mit den Besuchern durch. Hier gilt es einzuschätzen, welcher Boden für sie der wertvollste ist. Zur Auswahl steht zum Beispiel Bodenfläche in Frankfurt und Berlin, eine grüne Wiese und Ackerboden. Wir wollen darauf hinaus, dass nicht der Mensch den Wert eines Bodens festlegt, indem er einen bestimmten Betrag für ihn bezahlt. Der wahre Wert bemisst sich daran, wie viel Leben in der Erde steckt und wie fruchtbar sie ist.

Frage: Dass das Thema „Bodenschutz“ ein drängendes ist, hat auch die Veröffentlichung des sogenannten Bodenatlas gezeigt. Demnach werden Land und Böden weltweit immer knapper. Woran liegt das?
Silbe: Insgesamt gesehen steigt der Wert von Boden immer mehr an. Diejenigen, die es sich leisten können, investieren in diesen Zeiten gerne in etwas Bleibendes, zum Beispiel Boden. Investoren kaufen große Flächen an Land und verpachten es an Bauern. Folglich gibt es immer weniger Landwirte, die ihr eigenes Land besitzen. Früher was das anders. Die landwirtschaftliche Fläche war in Familienbesitz und alle Mitglieder lebten davon – auch die nachfolgenden Generationen. Aus diesem Grund ging man viel bewusster und nachhaltiger mit dem Boden um. Heutzutage wird häufig kurzfristiger gedacht. Eine große Fläche an Boden liegt in den Händen Weniger. Dadurch wird die Erde zum Handelsgut. Kurzfristige Gewinne stehen im Vordergrund, nicht langfristiges Denken. Diese Entwicklung stellt ein großes Risiko dar.
Frage: Welche Auswirkung hat diese Entwicklung auf die weltweite Ernährungssicherheit?
Silbe: Man kann die fatalen Auswirkungen sehr gut in den Ländern des Südens beobachten, wo ein großer Teil der Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt. Nimmt ein internationaler Investor einer Kleinbauernfamilie ihren Boden, steht sie vor dem Nichts. Dies kann man auch in Deutschland beobachten, zum Beispiel im Braunkohlerevier in der Nähe von Aachen. Dort werden ganze Dörfer umgesiedelt und von Grund auf woanders wieder aufgebaut. Dort haben viele Menschen von der Landwirtschaft gelebt. Ihre ganzen Felder und Böden wurden ihnen genommen und damit auch ihre Lebensgrundlage. Das Beispiel zeigt: Hier geht es nur noch um wirtschaftliche Interessen, nicht mehr darum, welche Beziehung die Menschen zu der eigenen Heimat haben. Das ist eine extrem gefährliche Entwicklung. An diesem Punkt mangelt es in unserer Gesellschaft an einer Wertediskussion.
Frage: Was fordert die KLJB mit Blick darauf von der Politik?
Silbe: Zum einen brauchen wir auf europäischer Ebene eine einheitliche Bodenschutzpolitik. In Deutschland haben wir zwar im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern hohe Standards. Je stärker wir jedoch im Sinne einer gemeinsamen europäischen Agrarpolitik handeln, desto wichtiger sind gemeinsame Richtlinien. Wir würden es begrüßen, wenn unsere hohen deutschen Standards hier als Grundlage genommen würden.
Zum anderen richten wir unseren Blick auf die landwirtschaftliche Ausbildung in Deutschland. Beim Thema „Bodenfruchtbarkeit“ gibt es viel Nachholbedarf. Obwohl das Wissen über die Beschaffenheit des Bodens zu den Grundlagen der Ausbildung zählt, wird dieser Aspekt oft erst spät und dann nicht so detailliert wie notwendig behandelt. Hier wünschen wir uns mehr Beratungsangebote und Exkursionen innerhalb der Aus- und Weiterbildung.
Frage: Was kann jeder einzelne im Alltag für den Bodenschutz tun?
Silbe: Das Konsumverhalten ist der zentrale Punkt, mit dem jeder Mensch und jeder Verbraucher Einfluss nehmen kann. Welche Produkte kaufe ich? Wo und wie wurden diese hergestellt? Kann ich nachverfolgen, wo das Produkt angebaut wurde? Beim Einkauf sollte man darauf achten, dass Gemüse und Obst aus nachhaltigem Anbau stammen und möglichst wenig chemische Pflanzenschutzmittel oder Gentechnik verwendet wurden. Wenn man sichergehen möchte, kann man auch sein eigenes Gemüse zu Hause anbauen. Das ist nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt möglich, zum Beispiel im Blumenkasten auf dem eigenen Balkon. Es braucht also nicht viel für eine bewusste und nachhaltige Ernährung. Man muss nur wissen, worauf man achten sollte. Darum ist die Verbraucherbildung umso wichtiger, die wir hier auf der Grünen Woche machen.
Das Interview führte Lena Kretschmann.