Als Märtyrer gestorben
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Als Märtyrer gestorben

Eine ganze Generation hat es gedauert, bis die katholische Kirche zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der 1980 am Altar einer Kapelle in San Salvador erschossene Erzbischof Oscar Arnulfo Romero ein Märtyrer war. Zehn Jahre gingen ins Land, bis in seinem Erzbistum El Salvador der Seligsprechungsprozess auf lokaler Ebene eröffnet wurde. Nach vier Jahren endete er mit einem positiven Votum. 1997 kam der Prozess in Rom bei der zuständigen Heiligsprechungskongregation an. Und obwohl mit Vincenzo Paglia einer der einflussreichsten Kirchenmänner als Fürsprecher gewonnen werden konnte, zog sich die Sache in die Länge.

Erstellt: 03.02.2015
Aktualisiert: 12.07.2015
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Eine ganze Generation hat es gedauert, bis die katholische Kirche zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der 1980 am Altar einer Kapelle in San Salvador erschossene Erzbischof Oscar Arnulfo Romero ein Märtyrer war. Zehn Jahre gingen ins Land, bis in seinem Erzbistum El Salvador der Seligsprechungsprozess auf lokaler Ebene eröffnet wurde. Nach vier Jahren endete er mit einem positiven Votum. 1997 kam der Prozess in Rom bei der zuständigen Heiligsprechungskongregation an. Und obwohl mit Vincenzo Paglia einer der einflussreichsten Kirchenmänner als Fürsprecher gewonnen werden konnte, zog sich die Sache in die Länge.

Nach 17 Jahren Wartezeit, in der Hunderte Zeugen gehört, zahlreiche Predigten Romeros rekonstruiert und Aktenberge gesichtet wurden, kommt nun aus Rom die entscheidende Nachricht: Papst Franziskus folgte am Dienstag dem Urteil einer theologischen Kommission der Heiligsprechungskongregation: Bei der Ermordung des in seiner Heimat längst als Heiliger verehrten Erzbischofs handelte es sich um einen Märtyrertod.

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Ein Blick auf die Vorgeschichte zeigt, dass der Pontifikatswechsel von 2013 vermutlich nicht der allein entscheidende Punkt für das nun leuchtende Grüne Licht war. Schon Papst Benedikt XVI. (2005–2013) hatte 2007 während seiner Brasilien-Reise erklärt, dass Romero aus seiner Sicht die Seligsprechung verdiene. Doch das von Fachleuten im Vatikan über viele Jahre immer wieder kolportierte Argument, man könne leider nicht sicher sagen, ob der Mörder und seine Hintermänner Romero aus „Hass gegen den Glauben“ oder doch eher wegen seiner politischen Parteinahmen gegen die Regierung töteten, war nicht leicht auszuräumen.

Sorgfältige Rekonstruktion der Ereignisse

Erst eine sorgfältige Rekonstruktion seiner Ansprachen sowie eine unparteiische Analyse der gesellschaftlichen Lage des Landes El Salvador am Vorabend des Bürgerkriegs (1980–1991) konnte den Nachweis erbringen, dass Romero getötet wurde, weil er die Soziallehre der Kirche und die Liebe Christi zu den Armen verteidigte. Der wachsende Abstand von den tiefen gesellschaftlichen Gräben des Bürgerkriegs, dem Romero ebenso wie 70.000 seiner Landsleute zum Opfer fiel, hat dazu beigetragen, die Dinge klarer zu sehen.

Die nun in wenigen Monaten oder Jahren bevorstehende Seligsprechung – manche halten den 100. Geburtstag Romeros am 15. August 2017 für ein geeignetes Datum – kann nun stattfinden, ohne dass die Wunden zwischen den einst verfeindeten Lagern wieder aufgerissen werden. Die einstige Guerilla-Bewegung FMLN ist heute eine etablierte politische Partei, und die mutmaßlichen militärischen und politischen Hintermänner der Ermordung sind tot oder im hohen Greisenalter.

Franziskus bestätigt weitere Martyrien

Zudem greift der Vatikan auf einen bereits mehrfach angewandten Kniff zurück: Dem mutmaßlich im Auftrag der Rechten ermordeten Erzbischof Romero aus El Salvador werden drei Märtyrer zur Seite gestellt, deren Tod auf das Konto der linksgerichteten Guerilla-Organisation „Leuchtender Pfad“ in Peru gehen. In einem weiteren vom Papst autorisierten Dekret bestätigte die Heiligsprechungskongregation am Dienstag das Martyrium der beiden Minoriten Michele Tomaszek und Sbigneo Strzalkowski sowie des Diözesangeistlichen Alessandro Dordi vom August 1991.

Die Rebellen warfen den Geistlichen damals vor, für die örtliche Caritas zu arbeiten und bedürftige Indios mit Nahrung und Medikamenten zu versorgen. Sie hielten damit die Menschen in Armut, argumentierten die Kidnapper.

Mit Spannung wird in Mittelamerika darüber spekuliert, ob Franziskus für die Seligsprechung Romeros – der jetzt nur noch er selbst sowie eine Gruppe von Bischöfen und Kardinälen zustimmen müssen – persönlich nach San Salvador reisen wird. Normalerweise überlässt der Papst Seligsprechungsfeiern den zuständigen Ortskirchen. Doch im Fall des von ihm auch persönlich hoch verehrten Märtyrers Romero wäre eine Ausnahme von dieser ungeschriebenen Regel denkbar.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Freude beim Hilfswerk Adveniat

Das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat hat die Nachricht zur baldigen Seligsprechung von Oscar Romero mit großer Freude aufgenommen. „Ich freue mich sehr über diese Nachricht aus Rom. Vor allem freue ich mich mit den Menschen in El Salvador, für die Óscar Romero längst ein Heiliger ist“, unterstreicht Prälat Bernd Klaschka, Hauptgeschäftsführer von Adveniat, die Bedeutung dieses Märtyrers für die Kirche in dem kleinen mittelamerikanischen Land. „Die Seligsprechung Romeros setzt ein deutliches Signal, wo die Kirche ihren Platz hat, nämlich an der Seite der Armen und der Unterdrückten, die von jeglicher Entwicklung ausgeschlossen sind“, betont Klaschka. Óscar Romero war Projektpartner von Adveniat und hat als Erzbischof von San Salvador in zahlreichen Anliegen finanzielle Hilfe erhalten. Im vergangenen Jahr unterstützte das Lateinamerika-Hilfswerk in El Salvador insgesamt 48 Projekte mit einer Gesamtsumme von 665.600 Euro.

Auf den Spuren von Oscar Romero

Auf der Webseite des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat finden Sie ein umfangreiches Dossier zum Leben und Wirken des ermordeten salvadorianischen Erzbischofs:

Chronologie

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) zeigt in einer Chronologie die Verflechtung von Romeros Leben mit dem Bürgerkrieg in El Salvador (1980–1991) sowie die Auseinandersetzung in den folgenden Jahrzehnten auf: 1972: Carlos Humberto Romero Mena wird Verteidigungsminister in El Salvador. Er verschärft die Unterdrückung von Studenten und Oppositionellen und setzt sie nach seiner Wahl zum Präsidenten (1977) fort. 1977: Oscar Arnulfo Romero wird Erzbischof von San Salvador. Er gilt als konservativ und unpolitisch. Im selben Jahr wird der Befreiungstheologe und Jesuit Rutilio Grande von Militärs ermordet. Der Erzbischof fordert die Aufklärung der Bluttat und geht auf Distanz zur Regierung. 1979: Nach dem Sturz des Diktators Somoza im Nachbarland Nicaragua durch eine linke Volksfront putschen in El Salvador Militärs und Politiker gegen Präsident Romero und bilden eine „revolutionäre Regierungsjunta“, um einer kommunistischen Revolution zuvorzukommen. Die Junta laviert zwischen fortschrittlichen Projekten (Landreform) und einer Politik der harten Hand gegen die Opposition. Rechts überholt wird sie vom früheren Regierungsmitglied Major Roberto D''Aubuisson Arrieta, der mithilfe von Militärs und Todesschwadronen Persönlichkeiten der Linken ermorden lässt. 1980: Am 24. März wird Erzbischof Romero während der Heiligen Messe von einem Scharfschützen ermordet. Zeugen beschuldigen später d''Aubuisson, er sei der Auftraggeber gewesen. Der Ex-Major bleibt bis zu seinem Lebensende straflos. Nach der Ermordung des Erzbischofs verdichtet sich die politische Gewalt in El Salvador zu einem Bürgerkrieg zwischen der nach rechts gerückten Regierung und der linken Guerilla-Einheitsfont „FMLN“. Der Bürgerkrieg dauert elf Jahre; rund 70.000 Menschen werden Opfer politisch motivierter Gewalt. 1989: Sechs Jesuitenpatres und zwei Angestellte der katholischen Universität von San Salvador werden von einer militärisch ausgerüsteten Truppe erschossen. Das Ereignis löst international Empörung aus und verstärkt den Druck aus den USA auf die Regierung, mit der FMLN-Guerilla zu einem Friedensabkommen zu gelangen. Weltweit endet durch den Zerfall des kommunistischen Blocks der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA. 1990: Im Erzbistum San Salvador wird von Weihbischof Gregorio Rosa Chavez das Seligsprechungsverfahren für Erzbischof Romero eröffnet. 1992: Guerilla und Regierung in El Salvador schließen ein Friedensabkommen; die FMLN wird politische Partei. 1997: Der Seligsprechungsprozess für Romero wird in Rom eingereicht. Die Prüfung seiner Lehren und der politischen Umstände seines Todes zieht sich in die Länge. Gegner einer Seligsprechung geben zu bedenken, die Ermordung sei politisch motiviert gewesen; daher fehle das Kriterium für einen Märtyrertod. 2007: Papst Benedikt XVI. erklärt, er habe „keine Zweifel“, dass Romero die Seligsprechung verdiene. 2014: Papst Franziskus sagt, es gebe „keine Hindernisse mehr“ auf dem Weg zur Seligsprechung. 2015: Der Papst teilt das Urteil der vatikanischen Heiligsprechungskongregation, dass Romeros Tod die formalen und sachlichen Voraussetzungen für ein Martyrium erfülle. Quelle: KNA

Theologie der Befreiung

Befreiungstheologie heißt eine Denkströmung aus Lateinamerika. Im Mittelpunkt steht die sogenannte Option für die Armen. Zu den bekanntesten Vertretern zählen die Brüder Leonardo und Clodovis Boff aus Brasilien, der nicaraguanische Ex-Kulturminister Ernesto Cardenal, der 1980 ermordete salvadorianische Erzbischof Oscar Romero, der verstorbene brasilianische Bischof Dom Helder Camara und der Peruaner Gustavo Gutierrez (86). Dessen Buch „Teologia de la liberacion“ (1972) gab der Bewegung ihren Namen. Die Befreiungstheologie reagierte auf die politische und soziale Situation Lateinamerikas in den 1960er und 70er Jahren. Angesichts der Massenarmut hatte 1968 der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM die „Option für die Armen“ zum Handlungsmaßstab erklärt. Es entstanden Tausende sozialpolitisch engagierte „Basisgemeinden“. Der Vatikan ging hart gegen jene Anhänger der Befreiungstheologie vor, die von der kirchlichen Lehre abwichen. Er kritisierte vor allem, dass diese in ihrer Gesellschaftsanalyse auch marxistische Deutungsmuster gebrauchten. Zahlreiche Theologen und Priester wurden mit Lehr- und Schreibverboten belegt oder suspendiert. Quelle: KNA