
„Wir müssen jetzt für den Frieden beten!“
Die Diözese Odessa-Simferopol liegt im Südosten der Ukraine. Wegen der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland ist das Bistum momentan geteilt. Im Interview spricht der Generalvikar von Odessa-Simferopol Krzysztof Kontek über die Spaltung seiner Diözese und die Situation der Menschen vor Ort.
Aktualisiert: 12.07.2015
Lesedauer:
Die Diözese Odessa-Simferopol liegt im Südosten der Ukraine. Wegen der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland ist das Bistum momentan geteilt. Im Interview spricht der Generalvikar von Odessa-Simferopol Krzysztof Kontek über die Spaltung seiner Diözese und die Situation der Menschen vor Ort.
Frage: Wie gestaltet sich aktuell die Lage in Ihrer Diözese?
Kontek: Die Situation in der Diözese Odessa-Simferopol ist momentan sehr schwierig. Auf dem Gebiet im Süden der Ukraine trafen eigentlich schon immer Menschen vieler unterschiedlicher Nationalitäten aufeinander. Dabei gab es erstaunlich wenig Probleme, besonders wenn man bedenkt, dass allein in Odessa nach offiziellen Angaben Menschen aus rund 170 Nationalitäten friedlich zusammen leben. Die Lage hat sich jetzt natürlich zugespitzt – vor allem wegen der Situation im Osten der Ukraine und auf der Krim. Die Spannungen ergeben sich hauptsächlich aus der politischen Einstellung der Menschen gegenüber der Ukraine oder Russland. Es ist momentan unmöglich, Menschen zusammenzubringen, die hier gegensätzliche Ansichten haben. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die Zahl der pro-ukrainisch eingestellten Bürger im Süden in der vergangenen Zeit enorm angestiegen ist.
Frage: Wie reagiert die Diözese auf die Teilung und die Situation im Osten des Landes?
Kontek: Neben der notwendigen und humanitären Nothilfe, die die Kirche leistet, ermutigt die Diözese gemeinsam mit allen Bischöfen der Ukraine die Menschen dazu zu beten. Wir sind uns einig darin, dass die Krise nicht einfach mit politischen Entscheidungen oder ökonomischen Sanktionen gelöst werden kann. Die Situation ist festgefahren und hat viele tief in ihrem Inneren verletzt. Wir können das Problem nicht lösen, ohne dass die Menschen ihre Herzen im Gebet verwandeln lassen. Wir müssen jetzt für den Frieden beten!

Frage: Welche Auswirkungen hat die Krise auf die Menschen, besonders auf die Familien im Land?
Kontek: Die ökonomische Situation ist gerade für Familien sehr schwierig. Die Menschen waren auch vor der Krise nicht reich, aber nun reicht das Gehalt oder die Rente kaum mehr aus, um sich zu ernähren. Zwar sind die Einkommen in der Landeswährung gleich hoch geblieben, aber der Wertverlust der Griwna (Währung in der Ukraine - Anm. d. R.) ist mit rund 70 Prozent enorm. Das hat auch einen gewaltigen Einfluss auf die Familien im Land, denn wenn das Geld knapp wird, sind Konflikte oft vorprogrammiert. Ein weiteres Problem für Familien ist die brisante politische Situation, denn die gesellschaftlichen Konflikte führen auch innerhalb der Familien zu Spannungen und Streit. Für uns ist klar, dass es da keine einfache Lösung gibt, denn die Verletzungen, die sich Menschen hier zufügen, sind häufig sehr tief und prägend. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Menschen im Glauben und im Gebet zu stärken, nur so können die seelischen Wunden tatsächlich erkannt und behandelt werden.
Frage: Was brauchen die Menschen momentan am dringendsten?
Kontek: Die humanitäre Hilfe ist sehr wichtig, denn die Menschen werden ärmer und ärmer. Dazu kommen viele Flüchtlinge aus dem Osten und von der Krim. Natürlich gibt es auch viele verwundete Soldaten, die dringend behandelt werden müssen. All diese Menschen kommen wirklich mit nichts. Sie kommen oft nur mit den Kleidern, die sie am Leib tragen – ohne Geld, ohne Arbeit, ohne Dach über dem Kopf. Am wichtigsten für uns ist es, diesen Menschen erst mal das Nötigste zu geben: Essen, Kleidung, Medizin. Viele kommen, nachdem sie vom Staat nicht viel Hilfe erhalten können, zu uns, weil einfach kein Geld da ist. Sie wissen, dass das ihre letzte Möglichkeit ist. Viele kommen jeden Tag wieder, sie haben einfach niemanden, zu dem sie gehen können. Für diese Menschen da zu sein, das ist unsere wichtigste Arbeit momentan.