„Rolle der Kirche ist fundamental“
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„Rolle der Kirche ist fundamental“

Es sind nur ein paar hundert Meter, aber dennoch richten sich alle Blicke an diesem Tag auf Präsident Juan Manuel Santos: Der in die politische Mitte gerückte bürgerliche Politiker nahm am Sonntag wie Zehntausende andere Kolumbianer in mehr als 40 Städten des Landes am Friedensmarsch für das Leben teil. Im weißen T-Shirt marschierte Santos vom „Torre Colpatria“, dem höchsten Bürogebäude des Landes bis zum Präsidentenpalast. Hier, auf dem Plaza Bolivar, versammelten sich nach dem Demonstrationszug viele Tausend Menschen, die den aktuellen Friedensprozess unterstützen wollen.

Erstellt: 10.03.2015
Aktualisiert: 12.07.2015
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Es sind nur ein paar hundert Meter, aber dennoch richten sich alle Blicke an diesem Tag auf Präsident Juan Manuel Santos: Der in die politische Mitte gerückte bürgerliche Politiker nahm am Sonntag wie Zehntausende andere Kolumbianer in mehr als 40 Städten des Landes am Friedensmarsch für das Leben teil. Im weißen T-Shirt marschierte Santos vom „Torre Colpatria“, dem höchsten Bürogebäude des Landes bis zum Präsidentenpalast. Hier, auf dem Plaza Bolivar, versammelten sich nach dem Demonstrationszug viele Tausend Menschen, die den aktuellen Friedensprozess unterstützen wollen.

Initiator der Aktion ist Bogotas ehemaliger Bürgermeister Antanas Mockus, ein Politiker aus dem grün-liberalen Spektrum der kolumbianischen Politik. Der ehemalige Universitätsprofessor ist vor allem bei den Studenten des südamerikanischen Landes beliebt, weil er Probleme gerne philosophisch anzugehen versucht. „Das Leben ist nicht konservativ, liberal oder kommunistisch. Das Leben gehört allen und ist heilig“, sagt Mockus und trifft damit den Zeitgeist in Kolumbien, den sich auch Santos zu eigen gemacht hat. Es gehe nicht mehr um die beiden politischen Extreme, die das Land in den jahrzehntelangen Bürgerkrieg gestürzt haben. Der richtige Weg sei die Mitte, sagt Santos.

Der seit zwei Jahren andauernde Friedensprozess macht in Kolumbien Fortschritte. Am Wochenende wurde erstmals über ein Treffen von FARC-Chef Rodrigo Londono alias „Timochenk“ und Präsident Santos spekuliert. Ob es tatsächlich dazu kommen wird, ist allerdings fraglich. Noch fehlen wesentliche Bestandteile des Abkommens wie zum Beispiel eine verbindliche Regelung zur Entwaffnung der FARC und die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsvergehen, die im bewaffneten Konflikt sowohl von der Guerilla und rechten Paramilitärs als auch der regulären Armee begangen wurden.

„Die Kirche kennt dieses Land wie nur wenige Institutionen, weil sie auch mit den entlegensten Ecken unseres Landes verbunden ist.“

—  Zitat: Juan Manuel Santos, Präsident von Kolumbien

Santos unterstreicht Rolle der Kirche im Friedensprozess

Die Hoffnung der Kolumbianer ist groß, dass das bald gelingen könnte. In der Phase nach dem Konflikt soll dann vor allem die katholische Kirche eine Rolle spielen. „Die katholische Kirche hat eine große Glaubwürdigkeit, sie hat eine große Autorität“, sagte Santos der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bogota. „Die Kirche kennt dieses Land wie nur wenige Institutionen, weil sie auch mit den entlegensten Ecken unseres Landes verbunden ist.“

Schon jetzt bereiten sich staatliche und zivilrechtliche Organisationen in Kolumbien auf die Zeit nach einem Friedensabkommen vor. „Wir stehen in Gesprächen mit der Kirche“, sagt Santos. „Ihre Rolle nach dem Konflikt ist fundamental, denn sie hat Möglichkeiten, an Orte zu gelangen, zu denen bislang nicht einmal der Staat Zugang hatte.“

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Für Bogotas Erzbischof Kardinal Ruben Salazar Gomez ist das keine Überraschung: „Die Kirche hat sich schon immer für die Versöhnung eingesetzt. Für uns ist das keine neue Aufgabe“, sagte Salazar jüngst. In Zukunft wird dieses Engagement allerdings vom Umfang her in neue Dimensionen vorstoßen, denn wenn erst einmal die Guerilla-Brigaden entwaffnet sind, müssen ganze Landstriche befriedet und gesellschaftlich neu strukturiert werden.

Opfer des Terrors mit am Verhandlungstisch

Wie groß das Vertrauen in die Kirche ist, zeigen die aktuellen Verhandlungen in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Im Rahmen der Gespräche zwischen FARC und Regierung hatten die Nationale Universität, die Vereinten Nationen und die katholische Kirche eine Auswahl der 60 stellvertretenden Opfer getroffen, die den Delegationen in Kuba von Angesicht zu Angesicht über den linken und rechten Terror berichten sollten.

Die Aktion der direkten Konfrontation der Oper mit den Tätern verfehlte ihre Wirkung nicht. „Die Mehrheit der Kolumbianer unterstützt den Friedensprozess“, sagt Santos mit Blick auf die Kritik aus dem Lager seines Vorgängers und rechtskonservativen Präsidenten Alvaro Uribe. Auch hier kann sich Santos auf die Kirche verlassen: Sie stehe als Vermittler zwischen den beiden Weggefährten bereit, ließen die Bischöfe jüngst wissen.

Von Tobias Käufer (KNA)

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