An den Rändern verwurzelt

An den Rändern verwurzelt

Wer sich in Brasilien und anderswo umhört, was diakonisch engagierte Ordensfrauen und -männer leisten, wird immer wieder hören: Da wo niemand mehr ist, da finden Sie immer noch Ordensleute. Wenn staatliche Gesundheits- und Schulsysteme noch nicht oder nicht mehr funktionieren, wenn Gewalt herrscht, dann gibt es immer noch die Erfahrung, dass Ordensleute da sind. Gerade Ordensfrauen sind häufig die letzten, die gehen, wenn Dörfer vertrieben werden oder Stadtviertel neuen Shoppingzentren weichen müssen. Sie stehen und gehen an der Seite der Vertriebenen und Verletzlichsten.

Erstellt: 08.04.2015
Aktualisiert: 12.07.2015
Lesedauer: 

Wer sich in Brasilien und anderswo umhört, was diakonisch engagierte Ordensfrauen und -männer leisten, wird immer wieder hören: Da wo niemand mehr ist, da finden Sie immer noch Ordensleute. Wenn staatliche Gesundheits- und Schulsysteme noch nicht oder nicht mehr funktionieren, wenn Gewalt herrscht, dann gibt es immer noch die Erfahrung, dass Ordensleute da sind. Gerade Ordensfrauen sind häufig die letzten, die gehen, wenn Dörfer vertrieben werden oder Stadtviertel neuen Shoppingzentren weichen müssen. Sie stehen und gehen an der Seite der Vertriebenen und Verletzlichsten.

Von Anfang an Projektpartner

Mit dieser Haltung sind Ordensgemeinschaften in aller Welt von Anfang an Projektpartner Misereors . Wir bauen auf ihr Engagement und ihre Kompetenz. Ordensleute haben häufig Gespür und Wissen darüber, was Menschen im Alltag brauchen. Sie haben dafür oft international vernetzte Strukturen der politischen Einflussnahme aufgebaut. So arbeitet Misereor mit dem Internationalen Büro der Franziskaner/innen für Menschenrechte in Genf bei der UNO zusammen wie mit den Jesuiten, die in Nairobi ihre Justice and Peace-Arbeit für Afrika koordinieren oder in New Delhi und Bangalore mit Beratungs- und Bildungszentren präsent sind und Misereor in politischen Analysen zu Indien beraten.

Charisma der Gründergestalten

Mit dem spezifischen Charisma der Gründergestalten im Rücken entwickeln Orden vor Ort kulturell angepasste Modelle des Christ- und Kircheseins. Dadurch können sie durchaus in Konflikt mit der Ortskirche geraten: wieweit sollen sie sich integrieren, wieweit selbständig bleiben?

Bild: © Misereor

Menschliche Präsenz

Gerade die menschliche Präsenz von Ordensleuten in Entwicklungsprozessen ist sehr hoch einzuschätzen. Sie müssen aber ebenfalls den steigenden Ansprüchen an ihr professionelles Handeln gerecht werden. Pädagogik, Finanzmanagement, Loslassen und Übergabe von Verantwortung müssen gelernt werden.

Kontinuität der Orden

Der Erfolg so mancher Prozesse und Projekte beruht auf der Kontinuität der Orden. Wenn über Jahre, ja Jahrzehnte die gleichen Orden präsent bleiben, wenn sie an Themen kontinuierlich arbeiten, dann können sie einheimische Strukturen stärken. Problematisch ist hingegen eine Personalpolitik, die sich lediglich an den Bedürfnissen des Ordens und nicht an den Notwendigkeiten der Prozesse und Projekte vor Ort orientiert.

Zeichen des neuen Lebens

Die franziskanisch inspirierte Zuwendung zu den vielfach armgemachten und nicht anerkannten Menschen, gepaart mit der jesuitischen Unterscheidung der Geister sowie den Charismen und der Vielfalt weiterer Orden verwirklicht Kirche, so wie sie sein will: beispielhaftes Zeichen des neuen Lebens, gerecht, anerkennend, plural, schöpfungsverbunden für die Welt. Tief im Raum der Mystik und gerade so sozial und politisch engagiert.

Radikalität der Nachfolge

Für die sozial, ökologisch, politisch engagierten Ordensleute gehören Mystik und Politik zusammen zur Radikalität der Nachfolge. Dabei gibt das Ordensleben die Freiheit, neue Probleme (z.B. Flüchtlinge In Deutschland, Landrechte in Brasilien, Rohstoffe im Kongo, christliche Minderheitskontexte in Indien) anzugehen, die eigenen ethischen und theologischen Vorstellungen in diesem Kontext zu überprüfen und neue Antworten zu finden. Der Aufruf von Papst Franziskus, eine arme Kirche für die Armen zu sein bzw. zu werden, ist auch in mehrfacher Weise eine Herausforderung an die Orden: leben sie ihr Charisma an den Rändern der Existenz? Setzen sie ihre Ressourcen zugunsten der vielfach Armgemachten und Ausgeschlossenen von heute ein? Ist ihr Lebensstil bescheiden und nachhaltig? Mit wem gehen sie Bündnisse zu Gunsten von wem ein?

Evangelium statt Wettbewerb

Immer wieder taucht die Frage auf, ob kirchliche Entwicklungszusammenarbeit besser sei als staatliche oder die anderer Nichtregierungsorganisationen. Diese Frage führt nicht weiter. Es geht darum, das gut zu machen, was und wie sie es machen. Nicht im Sinne des Wettbewerbs, sondern aus dem Geist des Evangeliums heraus zu handeln, darauf kommt es an. Wenn Ordensleute in der Nachfolge konkret werden lassen, was Angenommen-sein vor aller Leistung, was Kreuz und Auferstehung bedeuten, dann ist ein eigener Beitrag geleistet worden. Ihr Zeugnis spricht für sich.

Von Pirmin Spiegel

Quelle: weltweit. Das Magazin der Jesuitenmission. Ostern 2015 . Mit freundlichem Dank für die Genehmigung.