
Auf Friedensmission im Kongo
Seit zwei Jahren leitet der deutsche Diplomat Martin Kobler die UN-Friedensmission im Kongo, Monusco. Im Osten des Landes liefern sich bewaffnete Gruppen Kämpfe um die Vorherrschaft in der rohstoffreichen Region. In Kongos Hauptstadt Kinshasa haben unterdessen die Vorbereitungen für die 2016 geplanten Wahlen begonnen. Ein schwieriges Terrain für den Leiter der größten UN-Friedensmission.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Seit zwei Jahren leitet der deutsche Diplomat Martin Kobler die UN-Friedensmission im Kongo, Monusco. Im Osten des Landes liefern sich bewaffnete Gruppen Kämpfe um die Vorherrschaft in der rohstoffreichen Region. In Kongos Hauptstadt Kinshasa haben unterdessen die Vorbereitungen für die 2016 geplanten Wahlen begonnen. Ein schwieriges Terrain für den Leiter der größten UN-Friedensmission.
Frage: Herr Kobler, wie sieht Ihr Alltag als Leiter von Monusco, der UN-Friedensmission im Kongo, aus?
Kobler: Ich reise viel. Der Kongo ist riesig, so groß wie Europa von Portugal bis Weißrussland. Das Hauptquartier unserer Mission ist in Kinshasa. In der Hauptstadt bin ich meistens an drei Tagen. Donnerstag, Freitag und Samstag halte ich mich im 2.000 Kilometer entfernten Goma, im Ostkongo auf – und sehe zu, dass ich den Sonntag frei habe.
Frage: Wie oft kommen Sie aus Goma heraus, das ja mitten im Konfliktgebiet liegt?
Kobler: Wir haben 92 Basen, die mitten im Busch liegen. Da kann man nicht überall sein. Vor wenigen Tagen erst wurden durch eine der bewaffneten Gruppen, die islamistisch angehauchten Allied Democratic Forces ADF, 19 Menschen massakriert. Wenn ich massakriert sage, meine ich nicht getötet, sondern grausam hingerichtet und verstümmelt.
Frage: Wenn Sie so etwas sehen – wie kommen Sie damit klar?
Kobler: Das sind Bilder, die immer wiederkehren. Einfach abschalten ist da unmöglich. Aber ich arbeite nicht in vorderster Front. Für die Kollegen, für die solche Anblicke – leider Gottes! – zum Alltag gehören, stehen Psychologen zur Verfügung. Trotz alledem erfüllt mich meine Arbeit. Ich bin froh, in Goma zu sein und dem kongolesischen Volk zu helfen.
Frage: Aber haben Sie nicht doch manchmal das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen? Die Mission läuft immerhin schon seit 15 Jahren.
Kobler: Wir sind die größte Friedensmission der Vereinten Nationen, mit ungefähr 20.000 Soldaten und 5.000 Zivilisten. Pro Jahr kostet der Einsatz 1,4 Milliarden US-Dollar. Insofern ist der Druck, so langsam mal aus dem Kongo rauszugehen, sehr groß. Hinzu kommt, dass in der Zwischenzeit weitere Krisenherde hinzugekommen sind wie in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik. Dort wird jetzt eine UN-Truppe mit 12.000 Soldaten aufgebaut. Wir dagegen werden bis Ende des Jahres unsere Truppenstärke voraussichtlich um 2.000 Soldaten verringern.
Frage: Vor wenigen Wochen wurde das Monusco-Mandat um weitere zwölf Monate verlängert – mit welchen Zielen?
Kobler: Unser Hauptauftrag ist es, die Zivilbevölkerung im Kongo vor der Gewalt der vielen bewaffneten Gruppen zu schützen. Diese Gruppen sollen wir nach Möglichkeit neutralisieren. Hinter diesem Wort verbirgt sich ein offensiver Kampfauftrag, den die UN zum ersten Mal in ihrer Geschichte so formuliert hat. Es geht also ganz konkret darum, diese Gruppen notfalls mit Waffeneinsatz unschädlich zu machen. Dann gibt es den politischen Aspekt unseres Mandats.
Frage: Der besteht worin?
Kobler: Die Kontakte zur Regierung in Kinshasa zu pflegen. Dabei machen wir uns nicht immer beliebt. Manchmal müssen wir auch unliebsame Botschaften übermitteln, etwa wenn wir den Respekt der Menschenrechte anmahnen oder uns für Oppositionelle einsetzen. Aber wir helfen auch bei der Vorbereitung der Wahlen, die im November 2016 anstehen.

Frage: Präsident Joseph Kabila hat bereits für Unmut gesorgt, als er ankündigte, ein drittes Mal für das Amt des Staatschefs zu kandidieren.
Kobler: Ich glaube nicht, dass Kabila gesagt hat, dass er ein drittes Mal kandidieren wird. Der Präsident weiß, dass es eine Verfassung gibt und die Verfassung besagt, dass man nur zweimal für eine Amtszeit von jeweils fünf Jahren antreten darf.
Frage: Aber Kabila wollte angeblich die Verfassung genau in diesem Punkt ändern.
Kobler: Der fragliche Artikel kann nicht einfach geändert werden. Mitarbeiter von Kabila haben deswegen die Idee eines Referendums ins Spiel gebracht. Aber diese Idee ist jetzt wohl auch vom Tisch.
Frage: Die Wahlen werden also ordnungsgemäß stattfinden – ohne einen Kandidaten Kabila?
Kobler: Ich bin zuversichtlich, dass der Termin eingehalten werden kann. Meine Erfahrung zeigt allerdings, dass man wirklich 18 Monate zur Vorbereitung braucht. Dieser Prozess ist jetzt angelaufen.
Frage: Rund die Hälfte der Kongolesen ist katholisch. Die Kirche gilt als wichtiger Player in dem Land. Welche Rolle spielt sie im Vorfeld der Wahlen?
Kobler: Die Kirche bezieht eine politische Position, die der unseren nicht unähnlich ist: Verfassungsmäßigkeit des Prozesses, Einhaltung des Wahlkalenders, friedlicher Übergang der Macht und ein ungehinderter Wahlkampf.
Frage: Sind die Entführungen und Ermordungen von Priestern im Ostkongo ein Indiz dafür, dass Spannungen zwischen Kirche und Politik zugenommen haben?
Kobler: Das ist zumeist der chaotischen Situation in diesem Teil des Landes geschuldet. Insgesamt wissen wir von 400 bis 500 Menschen aus diesem Gebiet, die vor einiger Zeit verschwunden sind, darunter eben auch Priester. Viele von ihnen konnten wieder in ihre Heimat zurück, nachdem die Milizen, die für ihre Verschleppung verantwortlich waren, besiegt wurden.
Frage: Müssen sich Warlords für solche und andere Verbrechen im Kongo juristisch verantworten?
Kobler: Das ist ein mitunter mühsamer Prozess. Wie schwierig das auch auf internationaler Ebene ist, zeigt das seit 2011 laufende Verfahren gegen Ignace Murwanashyaka in Stuttgart, der seine Kämpfer von Deutschland aus zu Kriegsverbrechen im Kongo angestachelt haben soll.
Frage: Was ist mit der kongolesischen Armee, deren Soldaten ebenfalls derartige Verbrechen zur Last gelegt werden?
Kobler: Wir können nur mit Truppenteilen zusammenarbeiten, die eine saubere Menschenrechts-Bilanz haben. Wenn eine Truppeneinheit unsere Hilfe möchte – Transport, Nahrungsmittel, Wasser, Diesel –, dann prüfen wir die Truppenführer. Seit 2012 haben wir rund 2.600 Offiziere nach einem Ampelsystem bewertet: „Grün“ für unbelastet, „Rot“ für belastet. Bei „Rot“ gibt es dann beispielsweise keine Unterstützung.
Frage: Wie fällt die Gesamtbilanz aus?
Kobler: Von den 2.600 Fällen wurden nur 118 als „rot“ eingestuft. Jeder dieser 118 Soldaten ist einer zu viel. Aber es zeigt doch, dass 95 Prozent des Offizierskorps durchaus die Menschenrechte respektieren. Man muss auch das Positive sehen.
Von Joachim Heinz (KNA)