„Risiken mindern und Verluste absichern“
Klima ‐ Versicherungen mindern die Lebensrisiken des Einzelnen, bei Unfall, Krankheit oder Unwetter. Könnten aber auch ganze Länder gegen die Risiken des Klimawandels versichert werden? Das Entwicklungsministerium (BMZ) sieht hierin eine Möglichkeit, Schäden zu minimieren. Nach erfolgreichen Pilotprojekten schlägt es im Rahmen der G7-Ratspräsidentschaft Klimarisikoversicherungen für arme Länder vor, um deren Bevölkerung besser vor den Folgen extremer Wetterveränderungen zu schützen.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Versicherungen mindern die Lebensrisiken des Einzelnen, bei Unfall, Krankheit oder Unwetter. Könnten aber auch ganze Länder gegen die Risiken des Klimawandels versichert werden? Das Entwicklungsministerium (BMZ) sieht hierin eine Möglichkeit, Schäden zu minimieren. Nach erfolgreichen Pilotprojekten schlägt es im Rahmen der G7-Ratspräsidentschaft Klimarisikoversicherungen für arme Länder vor, um deren Bevölkerung besser vor den Folgen extremer Wetterveränderungen zu schützen.
Vor dem Gipfel im bayrischen Elmau Anfang Juni treffen sich dazu am Donnerstag in Berlin Experten aus der Politik, von Entwicklungsorganisationen und der Versicherungswirtschaft, um zu sehen, wie man auf diese Weise „Risiken mindern, Verluste absichern, Resilienz erhöhen“ kann.
Bei einer Klimaerwärmung um zwei Grad Celsius rechnen Experten damit, dass die Ernteerträge der Hauptanbauprodukte Afrikas, also Weizen, Mais und Hirse, um bis zu einem Viertel sinken. Die Folgen wäre Mangelernährung für weitere zehn Millionen Kinder. Eine Schädigung der Meere würde gleichzeitig etwa den Fischbestand vor den Südphilippinen um die Hälfte reduzieren.
Industrie- und Schwellenländer in der Pflicht
Der Kampf gegen Hunger, Armut und Krankheiten hängt längst davon ab, wie weit es gelingt, die Erderwärmung zu reduzieren oder sich ihr anzupassen. Die Entwicklungsländer sehen hier vor allem die Industrie- und Schwellenländer als Verursacher in der Pflicht. Sie sollen für die Schulden und Verluste aufkommen.
Die Initiative des BMZ greift auf die Erfahrungen der im April 2005 gegründeten Münchner Klimaversicherungs-Initiative (MCII) zurück. Ihr gehören die Münchner-Rückversicherung und die Allianz, Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen an. Derzeit sind den Angaben zufolge 55 Millionen Menschen direkt und 45 Millionen Menschen indirekt über Staaten gegen Schäden durch den Klimawandel versichert.
Eine Klimarisikoversicherung könnte nach Vorstellung des BMZ bis 2020 weitere 400 Millionen arme Menschen gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels schützen. Eine solche Versicherung hätte aus Sicht des Ministeriums den Charme, dass sie privates Kapital der Versicherer mobilisiert und zugleich Anreize in den betroffenen Ländern setzt. Die Versicherer verlangen, dass die Staaten Notfallpläne ausarbeiten und Vorkehrungen treffen. Die Industrieländer wiederum würden unter Umständen den Anschub finanzieren, die Versicherung möglicherweise subventionieren oder Mittel für unterstützende Maßnahmen zur Verfügung stellen.
Kenia, Mauretanien, Senegal und Niger bereits versichert
Bei der unter dem Dach der Afrikanischen Union stehenden African Risk Capacity Insurance Company (ARC) haben sich bereits Kenia, Mauretanien, der Senegal und Niger abgesichert. Im vergangenen Herbst trat für drei Länder der Versicherungsfall ein und sie erhielten insgesamt 26 Millionen US-Dollar. Dies kam nach Angaben des ARC rund 1,3 Millionen Menschen zugute, zugleich konnten 500.000 Tiere mit Futter versorgt werden.
Eine allgemeine Nothilfe hätte laut ARC demgegenüber rund 200 Millionen US-Dollar gekostet. Als Grund für die erstaunlich hohen Einsparungen wird ein schnelleres, gezieltes und präventives Eingreifen genannt.
Zugleich erwarten die Experten, dass die Versicherungen für die betroffen Staaten durch das gestreute Risiko kostengünstiger sind als eigene Rücklagen. Das BMZ hofft nun, dass sich weitere Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika ebenfalls versichern lassen und die Versicherer mehr Risikotypen erfassen. Der Schutz umfasst vor allem die Existenzgrundlagen der Menschen. Es sind allerdings noch viele Fragen offen. Etwa was geschieht, wenn sich die Risiken anhäufen.
Offen sind noch die Höhe der Summe und die Finanzierung aus öffentlicher und privater Hand für die angepeilten 400 Millionen zusätzlich Versicherten. Möglicherweise könnte sich der Green Climate Fund der UN daran beteiligen. Nach der Übereinkunft von Kopenhagen von 2009 sollen bis zum Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Anpassung an den Wandel bereitgestellt werden. Das Versicherungsmodell wäre nach Vorstellung des BMZ dafür ein Baustein.
Von Christoph Scholz (KNA)