Woelki für konsequente Abschiebung in Balkanländer
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Woelki für konsequente Abschiebung in Balkanländer

Flüchtlinge ‐ Die Diskussion um den Umgang mit Balkan-Flüchtlingen geht weiter - auch in der Kirche. Während der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki eine schnelle Abschiebung von Flüchtlingen aus Balkanstaaten befürwortet, lehnt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst ein „Schnell-Asylverfahren“ für Asylbewerber aus dem Westbalkan konsequent ab.

Erstellt: 19.08.2015
Aktualisiert: 19.08.2015
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Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist für eine konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus dem Westbalkan. Bei seiner Reise durch Albanien und Kosovo treffe er im Moment viele Menschen, die nicht glauben wollten, dass sie wenig Chance auf politisches Asyl in Deutschland hätten, sagte Woelki am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. Viele Einheimische verwiesen auf das Beispiel von Familienangehörigen oder Nachbarn, die schon seit rund zehn Monaten in Deutschland seien. Es sei daher nötig, abgelehnte Asylbewerber zurückzuschicken, damit in der Heimat erlebt werden könne, dass die Auskünfte einheimischer Hilfswerke wie der Caritas richtig seien, dass es geringe Chance auf einen Verbleib in Deutschland gebe.

„Wir können natürlich mit unserer Asylgesetzgebung im letzten nicht die Probleme des Kosovo oder Albaniens lösen“, sagte Woelki, der derzeit mit einer Caritas-Delegation beide Länder besucht. Daher müsse es ein Einwanderungsgesetz und legale Zuwanderungsmöglichkeiten geben, um Menschen eine Perspektive zu geben.

Zugleich forderte Woelki deutlich mehr Hilfen, um Kosovo und Albanien besser zu entwickeln. 60 Prozent der Kosovaren etwa lebten derzeit im Ausland, und es gebe kaum jemanden, der sich nicht in der Heimat ein Haus baue. Die Verwandten in Frankreich, Deutschland oder Großbritannien unterstützten häufig die Familien vor Ort. „Es sind hier wahnsinnig viele deutsche Autos gegenwärtig in den Ferien und zwar auch der gehobenen Marken“, sagte der Kardinal. Die Menschen im Kosovo erlebten das und wollten mit Recht genauso leben und am Wohlstand teilnehmen.

Den Menschen eine Perspektive bieten

Deshalb, so Woelki weiter, „müssen wir in diese Länder investieren, dass die Gründe wegfallen, überhaupt wegzugehen“. In Albanien hätten seit 2013 rund 400.000 Menschen das Land verlassen, und die Bevölkerung sei auf 2,8 Millionen Einwohner geschrumpft. „Das Problem ist, dass hier ein stark korruptes System an der Macht ist, dass die Menschen in ihren Lebenschancen stark eingeschränkt werden.“

So funktioniere beispielsweise das gesamte Gesundheitssystem nicht.  Albanien sei ein Land mit Entwicklungschancen, aber die Menschen seien von großer Depression und Hoffnungslosigkeit befallen, weil sie keine persönlichen Perspektiven sähen. Deshalb brächen viele in andere Länder auf, weil sie dort bessere Lebensverhältnisse vorfänden.

Woelki und Neher fordern mehr politisches Engagement für Flüchtlinge

„Es kann nicht sein, dass die Europäische Union in irgendwelche Prestigeobjekte investiert, in große Autobahnbauten – wir sind gestern über eine herrliche Autobahn von Albanien in den Kosovo gefahren – nein, es muss systematisch in Menschen investiert werden“, sagte Woelki.

Auch der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, der zusammen mit Woelki nach Albanien und in den Kosovo reist, forderte die Politik auf, größere Anstrengungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise aufzubringen. „Wenn ich mir die Lage im Mittelmeerraum oder aktuell in Mazedonien ansehe, kann man schon von Versagen sprechen“, sagte Neher der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch). Er halte es für „unerträglich, dass die europäischen Länder in der Flüchtlingskrise nicht in der Lage sind, zu gemeinsamen Strategien zu kommen. Es kann nicht sein, dass einige Länder keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, Flüchtlinge aufzunehmen.“

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Auch wenn die Zahlen inzwischen eine bisher nicht vorstellbare Dimension erreicht hätten, sei Deutschland in der Lage, das Problem zu schultern, betonte der Caritas-Präsident. „Wir können uns das leisten, wir müssen uns das leisten.“ Man müsse aber auch die Fluchtursachen klar benennen: In Syrien und dem Irak gebe es im Moment keine Perspektive auf einen schnellen Frieden. Für die wirtschaftlichen Probleme und die Armut in den Balkan-Ländern aber sei das deutsche Asylrecht keine Lösung.

Flüchtlingsdienst rügt Umgang mit Balkan-Flüchtlingen

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) forderte indes faire und unvoreingenommene Verfahren für Asylbewerber aus den westlichen Balkan-Staaten. Die niedrigen Anerkennungsquoten würden der Situation von Minderheiten in diesen Staaten nicht gerecht, kritisierte der JRS-Direktor, Pater Frido Pflüger, am Dienstag in Berlin. Er rügte Überlegungen der bayrischen Staatsregierung sowie von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), für Westbalkan-Flüchtlinge „Schnell-Asylverfahren“ anzustreben und ihnen nur noch Sachleistungen zukommen zu lassen.

Pflüger betonte: „Die Unterstellung, Menschen etwa aus Serbien, Bosnien-Herzegowina oder Kosovo hätten keine legitimen Fluchtgründe, ist falsch.“ Viele Asylsuchende gehörten zur Minderheit der Roma, die vielfach Opfer von rassistischer Gewalt und lebensgefährlicher Ausgrenzung seien. Nach europäischen Vorgaben müsse dies zur Anerkennung als Flüchtling führen. „Die deutsche Asylpraxis schert sich aber nicht darum“, kritisierte Pflüger und verwies darauf, dass in anderen EU-Staaten die Anerkennungszahlen für Westbalkan-Flüchtlinge wesentlich höher seien als in Deutschland. (lek mit KNA)

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