
Faire Bohnen
Fairer Handel ‐ Wer in einer Markthalle einkauft, kann sich persönlich über Waren informieren. Im Supermarkt muss man schon genauer auf die Etiketten schauen. Die „Faire Woche“ in Berlin wirbt daher für transparente Lieferketten.
Aktualisiert: 15.09.2015
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Angestrengt dreht Michelle Wolf an dem Hebel der kleinen Kaffeemühle, die aussieht wie aus Großmutters Zeiten. Die Schülerin ist mit ihrer Klasse zur Eröffnung der „Fairen Woche“ in die „Markthalle 9“ im Berliner Stadtteil Kreuzberg gekommen. Bei einem sogenannten Kaffee-Parcours soll sie lernen, wie viel Arbeit in der Tasse Kaffee am Morgen stecken. „Ich wusste zum Beispiel gar nicht wie Kaffee vor der Verarbeitung aussieht“, berichtet die 16-Jährige. Sogar Bohnen geröstet habe sie mit ihren Klassenkameraden.
Von Schnittblumen bis Frozen Yogurt – die Palette an fair gehandelten Produkten wächst ständig. Einen Überblick über das Angebot bietet sich bis zum 25. September auf der „Fairen Woche“. Das Forum Fairer Handel fordert dabei gemeinsam mit dem Weltladen-Dachverband und der Organisation TransFair in diesem Jahr mehr Transparenz in den konventionellen Lieferketten und bei den Preisen für Produzenten. Dabei dreht sich bei der „Fairen Woche 2015“ alles um Kaffee.
Wie viel Arbeit in einer Tasse Kaffee steckt, weiß auch Sonia Vasquez aus Honduras. Die Kaffee-Produzentin berichtet über die Kaffeeproduktion ihrer Kooperative, zu der sich rund 1.000 Mitglieder zusammengeschlossen haben. „Wir treffen unsere geschäftlichen Entscheidungen gemeinsam. Das gilt auch für die Prämien, die wir durch den fairen Handel von unserer Partnerorganisation bekommen“, erklärt Vasquez. Mit diesen zusätzlichen Geldern könnten die Arbeit verbessert und Fortbildungen angeboten werden.
Den Weg der Waren transparent machen
Für den Vorstandsvorsitzenden des Forums Fairer Handel, Robin Roth, sind das die Vorteile des fairen Handels für die Produzenten am anderen Ende der Lieferkette. „Es geht darum, eine langfristige Beziehung aufzubauen. Und wir versuchen den langen Weg der Waren transparent zu machen“, erklärt Roth. Im konventionellen Handel sei die Lieferkette dagegen geradezu unsichtbar. Noch mache der faire Handel im Vergleich zum konventionellen einen Anteil von einem Prozent aus. Doch Roth zeigt sich – auch angesichts eines Umsatzanstiegs von 30 Prozent bei fairen Waren in diesem Jahr – optimistisch: „Die restlichen 99 Prozent schaffen wir auch noch.“
Einen Teil dazu tragen laut Roth auch die über die Bundesrepublik verteilten Weltläden bei. Am Stand der Berliner Weltläden in der Kreuzberger Markthalle steht Waiel Kourd-Ali. Auf einem Tisch hat er das Angebot des Ladens in der evangelischen Emmaus-Kirche drapiert. Dort liegen neben Säften und Schokolade auch Portemonnaies, T-Shirts, Spielzeug – und natürlich Kaffee. „Die braunen Bohnen werden tatsächlich am meisten bei uns verkauft“, weiß der gebürtige Syrer mit 15-jähriger Weltladen-Erfahrung.
Vor rund 50 Jahren hat der heute grauhaarige Kourd-Ali seine Heimat Syrien verlassen. Für den fairen Handel engagiert er sich auch ehrenamtlich, weil er weiß, wie wichtig gerechte Preise für die Bauern sind. „Man kann Auswanderung nur vorbeugen, wenn man die Menschen vor Ort unterstützt, damit sie dort ein gutes Leben führen können“, mahnt der Syrer.
Am Stand beschäftigen sich gerade zwei junge Besucherinnen mit der Frage nach einem nachhaltigen Leben. Mit einem Quiz in Postkartenformat will die Initiative „Nachhaltiger Warenkorb“ die Besucher mit ihren Einkaufs- und Alltagsgewohnheiten konfrontieren. Nehme ich das Rad oder vielleicht doch das Auto, um in die Stadt zu fahren, heißt es da zum Beispiel. „Wir wollen die Menschen auf ihr Konsumverhalten aufmerksam machen und sie sensibilisieren“, erklärt Anna Michalski von der Initiative.
Viele der Interessierten hätten danach einen richtigen Aha-Effekt, freut sich Michalski. Den hatte wohl auch die Schülerin Michelle Wolf. Am Kaffeestand trinkt sie einen Latte Macchiato aus fairer Produktion. „Den genieße ich jetzt richtig“, sagt sie.
Von Maike Müller (KNA)
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