Das Stigma „Aids“
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Das Stigma „Aids“

Ghana ‐ In den Afram Plains in Ghana kümmern sich Steyler Missionsschwestern in einer Krankenstation um HIV-Infizierte und bieten ihnen einen geschützten Raum - denn wer in dem westafrikanischen Land HIV/Aids hat, wird vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen.

Erstellt: 01.12.2015
Aktualisiert: 26.07.2022
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In den Afram Plains in Ghana kümmern sich Steyler Missionsschwestern in einer Krankenstation um HIV-Infizierte und bieten ihnen einen geschützten Raum - denn wer in dem westafrikanischen Land HIV/Aids hat, wird vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen. Im Interview erklärt Schwester Dorota Sojka, wie sich die Ordensschwestern im Dorf Kwasi Fante engagieren.

Frage: Seit wann engagieren sich die Steyler Missionsschwestern in der Gesundheitsfürsorge von Kwasi Fante? Wem kommt Ihre Fürsorge zugute?

Sr. Dorota: Wir Steyler Missionsschwestern wirken seit 1999 in Kwasi Fante. Zwei deutsche Mitschwestern – Schwester Bonoza und Schwester Hyazintha – haben unsere Krankenstation aufgebaut. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist in den Afram Plains nicht besonders gut ausgebaut. Anfangs fuhren die Schwestern noch regelmäßig auf die Inseln, um dort Menschen zu impfen, Krankheiten zu behandeln und Kindern auf die Welt zu helfen. Inzwischen gibt es mehr Ambulanzen in der Region, aber das nächste Krankenhaus ist immer noch 75 Kilometer von Kwasi Fante entfernt. Wir kümmern uns um die Menschen hier und in den umliegenden Dörfern, pflegen Schwangere und helfen bei der Geburt von Kindern. Wir helfen den Menschen dabei, ihren Lebensstandard zu verbessern, und kümmern uns um jene, die am meisten Hilfe benötigen – Alte, Kinder, Schwangere und HIV-Infizierte.

Frage: Wie verbreitet ist HIV/Aids in Ghana?

Sr. Dorota: 2014 sollen nach offiziellen Angaben 150.000 Menschen in Ghana mit dem HI-Virus infiziert gewesen sein – die Dunkelziffer könnte weitaus höher liegen. Es hat jedoch in den vergangenen Jahren viele gute Kampagnen gegeben, deshalb ist die Zahl der HIV-Infizierten über die Jahre zurückgegangen. Zum Rückgang beigetragen hat auch, dass inzwischen bei allen schwangeren Frauen ein so genannter EMTCT-Test gesetzlich vorgeschrieben ist. Wenn dieser positiv ausfällt, werden die angehenden Mütter ausführlich beraten.

Frage: Und um diesen Test in Ihrer Krankenstation durchzuführen, brauchen Sie zusätzliche Räumlichkeiten?

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Sr. Dorota: Wir wollen diese Untersuchung in einem Rahmen anbieten, der absolute Privatsphäre garantiert. HIV/Aids ist ein sehr sensibles Thema. Wir möchten die schwangeren Frauen, aber auch alle Langzeit-Patienten, die an HIV/Aids leiden, in Räumlichkeiten unterbringen, in denen wir sie gut, diskret und vertrauensvoll behandeln können. Denn wer in Ghana HIV/Aids hat, wird vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen.

Frage: Wie zeigt sich dieses Stigma?

Sr. Dorota: Ihre Familien wenden sich von HIV-Infizierten ab und stoßen sie aus. Viele der Erkrankten begreifen HIV/Aids deshalb als Folge eines Fluchs. Statt Medizin zu nehmen, suchen sie Hilfe bei dubiosen Heilern. Sie sollen die „bösen Geister“ vertreiben. Manche verstehen HIV/Aids auch falsch als eine nur vorübergehende Erkrankung. Ein 16-Jähriges Mädchen, das vor kurzem bei uns sein Kind zur Welt gebracht hat, ist HIV positiv getestet worden. Mit Medikamenten und einer speziellen Diät hat sie sich zunächst gut erholt, aber dann hat sie die Behandlung abgebrochen. Sie ist auf die Verhütungspille umgestiegen, um nie mehr schwanger zu werden, hat ihre eigene Infektion aber völlig aus dem Blick verloren. Sie hat unser Dorf inzwischen verlassen. Ein anderes Beispiel: Als ich eine unserer HIV/Aids-Patientinnen kurz vor meinem letzten Heimaturlaub besuchte, sah sie sehr gut aus und wog 65 Kilo. Sie fühlte sich sogar stark genug, um auf der Farm ihrer Familie zu arbeiten. Als ich wieder aus Polen zurückkam, habe ich sie nicht wiedererkannt. Sie brachte nur noch 45 Kilo auf die Waage und konnte kaum noch gehen. Ihre Familie hatte entschieden, ihre Medikamente abzusetzen, weil sie zu teuer waren. Die Familie schickte sie kurz darauf in den Norden Ghanas, aus dem sie ursprünglich kommt. Ich habe wenig Hoffnung, sie noch einmal wiederzusehen.

Frage: Wäre da nicht vor allem Aufklärungsarbeit nötig?

Sr. Dorota: Das versuchen wir unermüdlich! Wir informieren betroffene Familien, aber auch vor allem junge Leute, wie HIV übertragen wird und welche Folgen das Virus haben kann. Wir wollen vor den Gefahren dieser schrecklichen Krankheit warnen, aber gleichzeitig die Bevölkerung dazu ermutigen, allen HIV-Infizierten ohne Angst und Abweisung zu begegnen. Parallel stehen wir allen Betroffenen durch Akzeptanz und Pflege zur Seite. Neue Räumlichkeiten, in denen auch zusätzliches Personal beschäftigt werden soll, können uns in unserer Krankenstation dabei helfen, noch umfassender für diese Menschen da zu sein.

Von Markus Frädrich

© Steyler Missionare

Welt-Aids-Tag

Der Welt-Aids-Tag wird seit 1988 jährlich am 1. Dezember begangen. Mit zahlreichen Aktionen erinnern Regierungen, Organisationen und Vereine an diesem Tag an HIV und Aids, und rufen dazu auf, Solidarität mit den von HIV betroffenen Menschen zu zeigen. Weltweit leben 36,9 Millionen Menschen mit dem HI-Virus, ein Großteil davon in Afrika südlich der Sahara. In Deutschland ist die Zahl der Neuinfektionen laut Angaben des Robert-Koch-Instituts 2014 mit 3.200 ähnlich hoch gewesen wie in den Vorjahren. Den Angaben zufolge leben in der Bundesrepublik derzeit rund 83.400 Menschen mit HIV oder Aids. Etwa 480 HIV-Infizierte sind 2014 gestorben. (KNA)