Großimam Ahmed al-Tayyeb wirbt für religiösen Dialog
Bild: © KNA

Großimam Ahmed al-Tayyeb wirbt für religiösen Dialog

Islam ‐ Der Großimam der Al-Azhar-Universität von Kairo, Ahmed al-Tayyeb, ist in diesen Tagen in Deutschland unterwegs. Am Dienstag rief er im Bundestag zum gemeinsamen Einsatz für den Frieden auf. Auch ein Treffen mit Vertretern der katholischen Kirche stand auf dem Programm seiner Reise.

Erstellt: 16.03.2016
Aktualisiert: 16.03.2016
Lesedauer: 

Der Großimam der Al-Azhar-Universität von Kairo, Ahmed al-Tayyeb, hat im Bundestag zum gemeinsamen Einsatz für den Frieden aufgerufen. Muslime wie Nicht-Muslime sollten gemeinsam jeglichen Extremismus und Terrorismus bekämpfen, um „dieser schrecklichen Epidemie Herr zu werden“, sagte al-Tayyeb am Dienstagabend. Es seien in erster Linie die Muslime, die den Preis des Terrors bezahlten.

Er äußerte sich im Großen Protokollsaal des Berliner Reichstagsgebäudes vor Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Vertretern der Religionsgemeinschaften und Wissenschaftlern zum „Friedenspotenzial des Islams“.

Der Gelehrte mahnte einen Dialog zwischen den Religionen an. Dabei zitierte er die Aussage des Theologen Hans Küng: „Kein Frieden zwischen den Nationen, ohne Frieden zwischen den Religionen.“ Al-Tayyeb betonte die enge Verbindung der monotheistischen Religionen. Der Islam sei keine Religion des Krieges und des Schwertes, sondern glaube, dass Gott seine Barmherzigkeit für alle Menschen gelten lasse. Der Dschihad als äußere Gewaltanwendung sei nur im Falle der Verteidigung gerechtfertigt.

Dank an Merkel für die Aufnahme von Nahost-Flüchtlingen

Al-Tayyeb dankte dabei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten. Zugleich lobte er sie für ihre „faire und mutige Haltung gegenüber den Muslimen“ und ihre Bekräftigung der Aussage von Altbundespräsident Christian Wulff, dass der Islam zu Deutschland gehöre.

In einer anschließenden Fragerunde ging al-Tayyeb auf das Thema der Gleichberechtigung von Mann und Frau ein. Eine mögliche Marginalisierung der Frau sei nicht auf den Islam, sondern andere Traditionen zurückzuführen. Nach islamischem Verständnis diene die Frau dem Mann aus Liebe, der Mann wiederum sei verpflichtet, den Lebensunterhalt der Frau zu sichern. Die Ehe einer muslimischen Frau mit einem Nicht-Muslim sei allerdings nicht möglich, da die Ehe ein religiöser Vertrag sei.

Der Scheich wandte sich zugleich gegen die Vorstellung eines europäischen Islams. Es gebe nur einen Islam, der überall praktiziert werden könne. Er wandte sich gegen eine Aufklärung, „die den Menschen über die Religion stellt“. Al-Tayyeb betonte die Glaubensfreiheit. Der Koran sehe keine bestimmten Strafen für Konvertiten vor. Allerdings verlangten einige Überlieferungen, Konvertiten zu bestrafen, sofern der Schritt eine Gefahr für die Gesellschaft darstelle.

Bild: © KNA

Gespräche mit Vertretern der katholischen Kirche

Anfang der Woche traf sich der Großimam mit Vertretern der katholischen Kirche in Berlin. Bei einem Gespräch mit dem Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke betonte al-Tayyeb die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für den Frieden. „Unsere beiden Religionen müssen gemeinsam als Friedensstifter wirken. Erst wenn die Religionen untereinander in Frieden leben, können auch die Völker in Frieden leben“, so der Scheich.

Jascke, der innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz für den interreligiösen Dialog zuständig ist, erklärte, die katholische Kirche habe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein eindeutiges Bekenntnis zum Dialog der Religionen und zur Religionsfreiheit abgelegt. „Dialog auf allen Ebenen schafft die Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis und die Überwindung von Vorurteilen“, so Jaschke. Christen und Muslime seien verpflichtet, sich öffentlich und entschieden gegen jede Form von Gewalt auszusprechen.

Al-Tayyeb ist derzeit auf einer Europareise. Am Donnerstag will er das Islamzentrum in Münster besuchen und anschließend nach Rom zur Audienz bei Papst Franziskus weiterreisen. Der 70-jährige al-Tayyeb wurde 2010 zum Großimam der Al-Azhar ernannt und lehrt dort Philosophie und Theologie. Er gilt als eine der höchsten Autoritäten des sunnitischen Islams und der islamischen Rechtsprechung. (lek/KNA/DBK)

© weltkirche.katholisch.de