Die Kirche in einer anderen Kultur erleben
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Die Kirche in einer anderen Kultur erleben

Freiwilligendienst ‐ Dass der internationale Freiwilligendienst keine Einbahnstraße sein soll, hat das Bistum Hildesheim schon früh erkannt. Auch in diesem Jahr leisten dort wieder vier Jugendliche aus Lateinamerika ihren sozialen Friedensdienst. Darunter auch Hugo Abad Chipana Flores aus Bolivien. Ein Gespräch über die Aufgaben, die Motivation und Herausforderungen eines Reverse-Freiwilligen.

Erstellt: 21.04.2016
Aktualisiert: 15.11.2022
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Dass der internationale Freiwilligendienst keine Einbahnstraße sein soll, hat das Bistum Hildesheim schon früh erkannt. Auch in diesem Jahr leisten wieder vier Jugendliche aus Brasilien und Bolivien ihren sozialen Dienst für Frieden und Gerechtigkeit in verschiedenen Einrichtungen des Bistums. Darunter auch Hugo Abad Chipana Flores. Im Interview berichtet der 23-jährige Bolivianer, wie er sich in Deutschland eingelebt hat.

Frage: Was hat Sie dazu bewogen, einen sozialen Dienst für Frieden und Gerechtigkeit im Bistum Hildesheim zu absolvieren?

Flores: Ich möchte die Kirche in Deutschland kennenlernen und dann meine Erfahrungen mit nach Hause nehmen. Mein Ziel ist es, die Kirche in einer anderen Kultur und einer anderen Realität zu erleben. Außerdem interessiert mich die Lebensform in Deutschland. Vielleicht kann ich ja deutsche Traditionen mitnehmen und in meiner Gemeinde einführen.

Frage: Welche Aufgabe werden Sie hier übernehmen?

Flores: Ich werde im Kindergarten arbeiten und dabei den Kindern von meinem Land, meiner Heimatstadt Tarija und  von den Menschen und der Kultur in Bolivien erzählen. Darüber hinaus werde ich bei der Erstkommunionvorbereitung mithelfen, wie auch bei der Firmung. Da ich gut Gitarre spiele, begleite ich zudem die Heilige Messe musikalisch – auch im Chor. Sehr viel Spaß macht mir auch der Küsterdienst.

Frage: Wo wohnen Sie während Ihres Freiwilligen-Einsatzes und wie haben Sie sich in Ihrer neuen Heimat eingelebt?

Flores: Ich wohne im Pfarrhaus der Gemeinde „Guter Hirt“ in Winsen/Luhe und habe mich dort schon gut eingelebt. Alle sind sehr nett zu mir, vor allem die Mitglieder des Bolivienarbeitskreises. Leider hapert es noch etwas an der Verständigung, denn Deutsch ist wirklich eine schwere Sprache. Aber es wird von Tag zu Tag besser. Die Gemeinde macht es mir sehr leicht, mich in dieser fremden Umgebung wohl zu fühlen.

Frage: Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Kirche in Bolivien und in Deutschland sind Ihnen bisher bewusst geworden?

Flores: Der Gottesdienst in Deutschland ist ruhiger. Bei uns in Tarija ist mehr Leben in der Heiligen Messe. Außerdem besuchen sehr viele alte Leute den Gottesdienst. Das kenne ich aus Bolivien nicht. Dort sind eben viel mehr jüngere Menschen in der Kirche. Außerdem wird der Glauben bei mir zu Hause mehr in die Öffentlichkeit getragen. Ich denke da an die Karwoche. Ich war erstaunt, dass es an Palmsonntag, am Karfreitag und in der Osternacht keine Prozession gab. Das hat mich doch etwas überrascht. Bei uns in Bolivien ist es Tradition, an diesen Ereignissen den Glauben in der Öffentlichkeit zu bezeugen.

Außerdem ist mir die geringe Besucherzahl bei den Gottesdiensten aufgefallen. Wir haben bei uns in Tarija manchmal vier Messen am Tag, drei am Vormittag und eine am Abend. Die Vormittagsmessen sind nicht so gut besucht, aber bei den Abendmessen sind bis zu 300 Gläubige in der Kirche. Hier in Deutschland sind immer dieselben Leute in der Messe, die immer auf dem gleichen Platz sitzen. Aber das ist in Bolivien genauso.

Positiv aufgefallen ist mir, dass die Gläubigen sehr engagiert sind – sowohl in Deutschland als auch in Bolivien.

Frage: Würden Sie Ihren Freunden in Bolivien einen Freiwilligendienst in Deutschland weiterempfehlen?

Flores: Auf jeden Fall würde ich den Freiwilligendienst weiterempfehlen, aber nur denjenigen, die sich für die Kirche einsetzen. Ich finde es toll, eine andere Kultur und Lebensweise kennenzulernen. Durch diesen Austausch kann man viel lernen und eventuell auch Dinge übernehmen, an die man sonst gar nicht gedacht hat.  

Frage: Was bedeutet es für Sie, dass das Bistum Hildesheim den internationalen Freiwilligendienst auf beiden Seiten fördert, d. h. sowohl deutsche Jugendliche nach Bolivien sendet als auch bolivianische Freiwillige bei sich aufnimmt?

Flores: Es ist eine tolle Sache, dass dieser Austausch stattfindet. Aber manchmal fehlt mir das Ergebnis dieses Freiwilligendienstes. Es kommt schon vor, dass Freiwillige in Deutschland waren, zurückkommen und das war es dann. Sie haben dann eine schöne  Zeit gehabt, haben viel gesehen und erlebt, aber die Gemeinde hat nichts davon. Wenn ich wieder in Tarija bin, werde ich mich weiter intensiv für den Freiwilligendienst  und die Partnerschaft einsetzen. Außerdem ist es mein Wunsch, dass noch viele junge Menschen in den Genuss des internationalen Freiwilligendienstes zwischen dem Bistum Hildesheim und der Kirche Boliviens kommen.

Von Lena Kretschmann

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