Gemeinsam für globale Gerechtigkeit
Bild: © WCRC

Gemeinsam für globale Gerechtigkeit

Ökumene ‐ Erstmals seit 10 Jahren besuchte Mitte Juni eine Delegation der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen den Vatikan. Im Interview mit dem Internetportal Weltkirche spricht der Präsident der Weltgemeinschaft, Jerry Pillay, über das Treffen mit Papst Franziskus und den gemeinsamen Einsatz für die Ökumene.

Erstellt: 26.07.2016
Aktualisiert: 26.07.2016
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Er wird als der „African leader of a global church movement“ bezeichnet, weil er sich mit großem Engagement für den Dialog zwischen der reformierten und der katholischen Kirche einsetzt: Der südafrikanische Professor Jerry Pillay ist Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WCRC). Im Juni erhielt er die Gelegenheit, den Papst im Vatikan zu treffen. Worüber er mit Franziskus sprach und wie es um den ökumenischen Dialog zwischen reformierter und katholischer Kirche steht, berichtete Pillay im Interview.

Frage: Herr Prof. Pillay, der letzte Besuch der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen  im Vatikan liegt  zehn Jahre zurück. Was war der Anlass für Ihr aktuelles Treffen mit dem Heiligen Vater?

Pillay: Die vierte Phase des Dialogprozesses zwischen der reformierten und der katholischen Kirche, den wir seit unserem Besuch im Vatikan vor zehn Jahren kontinuierlich weitergeführt haben, kommt nun zu einem Ergebnis. Franziskus und ich haben darüber gesprochen, wie wir uns als sichtbare Einheit aller Christen in der Welt den globalen Herausforderungen der Zeit stellen können. Zusammen wollen wir auf drängende Probleme wie Armut, religiös motivierte Gewalt, Umweltfragen und dergleichen antworten. Dafür ist es notwendig, dass wir weiterhin gemeinsam an der christlichen Einheit arbeiten. Das ist Franziskus‘ ausdrücklicher Wunsch. Der Papst hat uns dazu aufgerufen, zusammenzuarbeiten, um ein besseres Leben für alle zu ermöglichen.

Frage: Welche Konsequenzen ziehen Sie für sich persönlich aus Ihrer Audienz beim Papst?

Pillay: Ich habe das Gefühl, dass es ein wirklich fruchtbares Gespräch war, das viele positive Resultate zur Folge hat. Unser Anliegen wurde ernst genommen. Besonders beeindruckt haben mich die Demut, Aufrichtigkeit und visionäre Haltung des Papstes. Er verfolgt den richtigen Weg und ist widerstandsfähig, was einigen katholischen Gläubigen – vor allem innerhalb des Vatikans – vielleicht missfallen mag. Seine Identifikation mit den Armen und Bedürftigen, den Unterdrückten und Benachteiligten ist ein Zeichen wahrer christlicher Dienerschaft.

Frage: Was bedeutet das Treffen für Sie als Präsident des WCRC?

Bild: © WCRC

Pillay: Als Präsident des WCRC glaube ich, dass wir die Türen für ein größeres ökumenisches Engagement geöffnet haben. Wir setzen uns für die christliche Einheit ein, die sich in sichtbaren Formen manifestiert und uns dazu befähigt, gemeinsam auf globale Herausforderungen zu reagieren. Es darf nicht geschehen, dass wir nur „Kirche spielen“. Wir müssen die Gegenwart Gottes in der Welt erfahrbar werden lassen, indem wir dem gemeinsamen Auftrag Jesu Christi nachkommen.

Frage: Wie bewerten Sie die bisherige Zusammenarbeit der reformierten und der katholischen Kirche?  

Pillay: Der Vatikan entsendet jedes Jahr einen Repräsentanten in das Vorstandskomitee der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Dafür sind wir sehr dankbar. Nichtsdestotrotz haben uns die letzten Entwicklungen und Austausche dazu motiviert, uns noch intensiver für die Ökumene stark zu machen. Wir arbeiten bereits seit mehreren Jahren an einem reformiert-katholischen Dialog. Allerdings müssen unsere Zusammenarbeit und unser Einsatz für die Einheit der Christen nach außen hin noch stärker sichtbar sein. Das gilt  vor allem, wenn wir uns für globale Ziele einsetzen, wie soziale Gerechtigkeit, Gendergerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit. Wir müssen uns u. a. mit dem sensiblen Thema der Frauenordination auseinandersetzen, was wir innerhalb des WCRC auch tun. Wir haben etwa beschlossen, dass an unserer nächsten Generalversammlung 2017 jeweils 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer teilnehmen sollen.

Insgesamt sind die katholische und die reformierte Kirche darum bemüht, ihre Arbeit im Einsatz für Gerechtigkeit sowohl auf theologischer als auch auf praktischer Ebene zu verbinden. Dazu müssen wir unseren kommunikativen Austausch weiter fortführen und Möglichkeiten wahrnehmen, um einen ökumenischen Beitrag zu leisten. Wenn wir unsere gemeinsamen Ressourcen mobilisieren, können wir die Welt verändern.

Frage: Wenn man Papst Franziskus und die Ökumene betrachtet hat man den Eindruck, der gemeinsame christliche Einsatz für Gerechtigkeit und Notleidende in der Welt sei ihm wichtiger als der fachtheologische Dialog. Teilen Sie diese Auffassung?

Pillay: Papst Franziskus ist eher daran interessiert, sich den Herausforderungen rund um die Themen Gerechtigkeit und Leid auf praktisch-pastorale Weise zu stellen, als diese auf rein theoretischer Ebene zu diskutieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass er den Wert der letzteren Vorgehensweise verkennt! Vielmehr ist es so zu verstehen, dass in einer Zeit des Schmerzes und Leidens Taten lauter sprechen als Worte. Und diese Einstellung unterstütze ich persönlich vollkommen! Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass es andere Theologen im Vatikan gibt, die mehr Zeit darauf verwenden, über globale Probleme theologisch zu debattieren. Damit ist auch diese Lücke gefüllt.

Frage: Wird die Begegnung mit Papst Franziskus Auswirkungen auf die 26. Generalversammlung des WCRC nächstes Jahr in Leipzig haben?

Pillay: Wir haben Papst Franziskus zu der Generalversammlung eingeladen, sind allerdings noch nicht sicher, ob er persönlich teilnehmen oder Kardinal Koch, der im Vatikan für die Ökumene zuständig ist, senden wird. Die Teilnahme des Papstes würde eine signifikante Aussagekraft für die Einheit der Christen und das christliche Zeugnis bedeuten, zumal wir uns darauf verständigt haben, unseren Beitrag zur Gemeinsamen Erklärung zwischen der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund über die Rechtfertigungslehre zu leisten, welche von der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund ausgearbeitet wurde.

Das Interview führte Marita Wagner.

© weltkirche.katholisch.de

Zur Person

Prof. Jerry Pillay, der selbst der presbyterianischen Kirche angehört, ist neben seiner Funktion als Präsident des WCRC lehrender Professor und Fachbereichsleiter für das Fach Kirchengeschichte und -politik an der University of Pretoria in Südafrika. Neben der Kirchengeschichte ist er außerdem promovierter Theologe in den Bereichen Missionstheologie und Neues Testament. Zudem ist er der Generalsekretär der Uniting Presbyterian Church in Südafrika.

Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WCRC)

Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen ist ein internationaler Zusammenschluss von 226 evangelisch-reformierten und unierten Kirchen mit mehr als 80 Millionen Mitgliedern in rund 100 Ländern. Sie hat ihren Hauptsitz in Hannover und entstand im Juni 2010 durch den Zusammenschluss des Reformierten Weltbundes und des Reformierten Ökumenischen Rats. In Deutschland sind die Evangelisch-reformierte Kirche und die Lippische Landeskirche Mitglieder der Gemeinschaft. 2017 wird die Generalversammlung der Weltgemeinschaft in Leipzig tagen. (lek)

Lutherischer Weltbund (LWB)

Der Lutherische Weltbund (LWB) repräsentiert mit rund 72 Millionen Menschen nach Katholiken und Orthodoxen die drittgrößte christliche Gruppierung. Dem 1947 im schwedischen Lund gegründeten LWB gehören derzeit 145 Kirchen in 98 Ländern an. Seine Zentrale hat der LWB in Genf, wo auch der Ökumenische Rat der Kirchen sitzt. Präsident ist seit 2010 der jordanische Bischof Munib Younan (65), Generalsekretär der in Chile geborene lutherische Pfarrer Martin Junge (55). Oberstes Entscheidungsgremium des LWB ist die Vollversammlung, die meist alle sechs Jahre stattfindet. Zwischen den Vollversammlungen leitet ein Rat den LWB. Seit 1967 besteht ein theologischer Dialog zwischen römisch-katholischer Kirche und LWB. (KNA)