Kardinal: Verfassungsversammlung in Venezuela illegal
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Kardinal: Verfassungsversammlung in Venezuela illegal

Venezuela ‐ Präsident Maduro spricht von einem „historischen Tag“, seine Gegner fürchten die Errichtung einer Diktatur. Schon in wenigen Tagen könnte das Parlament im Ölstaat Venezuela de facto entmachtet werden. Der venezolanische Kardinal Jorge Urosa Savino bezeichnete die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung als wertlos und illegal.

Erstellt: 31.07.2017
Aktualisiert: 31.07.2017
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Präsident Maduro spricht von einem „historischen Tag“, seine Gegner fürchten die Errichtung einer Diktatur. Schon in wenigen Tagen könnte das Parlament im Ölstaat Venezuela de facto entmachtet werden. Der venezolanische Kardinal Jorge Urosa Savino bezeichnete die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung als wertlos und illegal.

Überschattet von Todesfällen und Boykottaufrufen der Opposition hat Venezuela erste Schritte für eine Verfassungsreform eingeleitet. 19,4 Millionen Menschen waren am Sonntag zur Wahl der 545 Mitglieder einer Verfassungsgebenden Versammlung aufgerufen. Es wurde damit gerechnet, dass es in dem Gremium eine klare Mehrheit mit Anhängern der Sozialisten von Staatspräsident Nicolás Maduro geben wird. Die Opposition befürchtet nun den Umbau zu einer Diktatur.

Sechs Menschen starben, seit Anfang April rund 120 Tote

Mindestens sechs Menschen starben. Darunter war ein Kandidat für die Verfassungsversammlung, der als Anhänger der Sozialisten galt. Seit Ausbruch der Proteste Anfang April starben knapp 120 Menschen.

Als einer der ersten gab Maduro seine Stimme ab: „Das ist ein historischer Tag“, sagte er. Es gehe um eine „ruhige Zukunft“. Die Lage war angespannt, Panzerwagen patrouillierten, 232.000 Soldaten sollten die Wahl im Land mit den weltweit größten Ölreserven sichern.

Mitte der Woche soll die Versammlung ihre Arbeit aufnehmen – und zwar im Gebäude des Parlaments, in dem die Opposition die Mehrheit hat. Es gibt Hinweise, dass diese Verfassungsversammlung das Parlament ersetzen könnte. Dann wäre die Gewaltenteilung de facto aufgehoben und die Sozialisten hätten wieder die alleinige Macht.

Kardinal ruft zu Dialog und Frieden auf

Der venezolanische Kardinal Jorge Urosa Savino hatte bereits zum Auftakt der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung seine Kritik bekräftigt. Die von Maduro angeordnete Versammlung sei wertlos und illegal, weil sie nicht vom venezolanischen Volk einberufen worden sei, sagte der Erzbischof von Caracas am Sonntag der Tageszeitung „El Universal“. Zudem helfe sie nicht, die drängenden Probleme des Landes zu lösen, sondern verschärfe die Konflikte. Urosa rief Regierung und Opposition erneut zu einem Dialog auf: Das Land wolle einen Regierungswechsel. Dies müsse auf friedlichem Wege erreicht werden.

Es gab aber reihenweise Schießereien und kriegsartige Szenen. Zudem gab es Angriffe auf Wahllokale, Wahlcomputer wurden verbrannt. Wiederholt hatte Maduro deutlich gemacht, dass ihm das seit Anfang 2016 von der Opposition dominierte Parlament ein Dorn im Auge ist.

Gewählt wurden 364 kommunale Vertreter, dazu acht indigene Vertreter und 173 Mitglieder aus Sektoren, die vorwiegend den Sozialisten nahestehen: Arbeiter, Studenten, Rentner, Bauern.

Zehntausende fliehen nach Kolumbien

Die USA drohen mit Wirtschaftssanktionen, sie sind einer der größten Abnehmer des Öls. Auch die EU will das Votum nicht anerkennen. Neben der politischen Krise wird das Land von einer Versorgungskrise erschüttert. Lebensmittel fehlen und es mangelt an Medikamenten.

„Verzweifelte Eltern versuchen, ihre Kinder bei Hilfsorganisationen unterzubringen, damit sie dort wenigstens etwas zu essen bekommen“, berichtete der Direktor der SOS-Kinderdörfer in Venezuela, José Luis Benavides. Viele Fluggesellschaften fliegen Venezuela nicht mehr an. Über 140.000 Venezolaner sollen bereits illegal in Kolumbien leben.

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