Streit um Naturschutzgebiet spaltet Bolivien

Streit um Naturschutzgebiet spaltet Bolivien

Bolivien ‐ Es kracht wieder mal zwischen Boliviens Regierung und der katholischen Kirche. Im Zentrum der Debatte steht diesmal der Umgang mit dem Naturschutzpark TIPNIS. Die Vorwürfe gegen die Kirche wiegen schwer.

Erstellt: 11.08.2017
Aktualisiert: 15.11.2022
Lesedauer: 

Es kracht wieder mal zwischen Boliviens Regierung und der katholischen Kirche. Im Zentrum der Debatte steht diesmal der Umgang mit dem Naturschutzpark TIPNIS. Die Vorwürfe gegen die Kirche wiegen schwer.

Die Vorwürfe von Boliviens Transport-Vizeminister Galo Bonifaz wiegen schwer: Die katholische Kirche sei Komplizin des Drogenhandels und der illegalen Holzmafia. Zudem gehörten ihr 834.164 Hektar Fläche im Naturpark TIPNIS. Damit sei sie Eigentümerin von zwei Dritteln des ökologisch wertvollen Gebietes. Obendrein seien in der betreffenden Region jüngst 190 Kilo Kokain sichergestellt worden. Für den Politiker ein Beleg, dass die Kirche ihre Finger im Spiel habe. Die Bischöfe, so Bonifaz', hätten keinerlei moralisches Recht, über die Nutzung von TIPNIS zu entscheiden.

Die massiven Attacken äußerte das Regierungsmitglied des sozialistischen Präsidenten Evo Morales bei einer Pressekonferenz. Anlass ist die Kritik der Kirche an einem neuen Gesetz, das die Unantastbarkeit des Nationalparks kippen und den Weg für umstrittene Infrastrukturprojekte freimachen soll.

Kirche angesichts der Vorwürfe perplex

Die Vorwürfe sind Teil eines jahrealten Streits zwischen der Regierung und der Bolivianischen Bischofskonferenz – der nun wegen der Gesetzesnovelle eine Neuauflage erfährt. Am Tag nach den Angriffen von Vizeminister Bonifaz luden die Bischöfe ihrerseits zu einer Pressekonferenz. Sie zeigten sich perplex. Nach ihrer Aussage ist Bonifaz schlicht und einfach mit den Maßeinheiten durcheinander geraten. Die Kirche verfüge über 843 Hektar Land in dem Gebiet – und das Areal diene zur Ausbildung von Jugendlichen. Ihnen würden dort die Grundlagen von Ackerbau und Viehzucht beigebracht, erklärte Erwin Bazan, Sprecher des Erzbistums Santa Cruz.

Die Bischofskonferenz verwies derweil auf den Besuch von Bildungsminister Roberto Aguilar, der die kirchliche Einrichtung jüngst besucht habe. Der Minister sei derart beeindruckt gewesen, dass er das Modell zur Nachahmung empfohlen habe. Der Verweis auf ein Video vom Besuch des Politikers rundete den Konter ab.

TIPNIS steht für „Territorio Indigena y Parque Nacional Isiboro Secure“ (Indigenes Territorium und Nationalpark Isiboro Secure); aber auch für den nicht endenden Streit darüber, was in dem Nationalpark möglich sein soll und was nicht. Sämtliche Vorhaben werden unterschiedlich interpretiert.

Während die Anhänger des Präsidenten von einem geplanten Straßenbau sprechen, bezeichnen Umweltaktivisten und indigene Widerstandsgruppen die geplanten Infrastrukturprojekte als einen Autobahnbau, der Natur und Lebensgrundlage der indigenen Gemeinden zerstöre. Es seien die Falschen, die von einer Autobahn profitierten, argumentieren sie: Drogenhändler und illegale Holzfäller, die künftig ihr schmutziges Geschäft komfortabler betreiben könnten. Dem hält das Morales-Lager entgegen, die Straße ermögliche Wirtschaftsaufschwung und bessere Vernetzung.

Kirche fordert kühle Köpfe

Die Kirche rief nun zu einer verantwortungsvollen Debatte über den Umgang mit dem Nationalpark auf. Jose Rivera, Sprecher der Bischofskonferenz, empfahl, in der Debatte einen kühlen Kopf zu bewahren. Eine vernünftige Diskussion müsse frei von Druck oder politisch-ideologischen Interessen sein und sich vielmehr auf die Interessen der betroffenen Gemeinden sowie das Wohl der gesamten Bevölkerung konzentrieren.

Doch viele Gegner des neuen Gesetzes befürchten Schlimmes. Die Plattform „Todos Somos Tipnis“ (Wir sind alle TIPNIS) wirft der Regierung vor, in koloniale Verhaltungsmuster zu verfallen und ein verfassungswidriges Gesetz verabschiedet zu haben. Mit dem Vorhaben seien die letzten intakten Waldbestände Boliviens in Gefahr geraten.

„Dies ist ein Attentat auf TIPNIS, auf die bolivianische Bevölkerung"“, heißt in einem Schreiben der Waldschützer. Die Konsequenzen des Gesetzes seien verheerend, weil sie das Ökosystem nachhaltig schädigten. Zudem sei die obligatorische Befragung der indigenen Bevölkerung auf betrügerische Weise vorgenommen worden.

Viel Kritik also an Morales. Der hat nun seinerseits vor, erneut in die Offensive zu gehen: Am Sonntag will er in der Stadt Trinidad die Bevölkerung persönlich über das TIPNIS-Gesetz informieren. Anhänger und Kritiker haben ihr Kommen zugesagt. Es dürfte heiß diskutiert werden.