Befreiungstheologen wollen Signal von Papst Franziskus
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Befreiungstheologen wollen Signal von Papst Franziskus

Kolumbien ‐ Die Verfechter der Befreiungstheologie erhoffen sich von Papst Franziskus ein Signal während seiner Kolumbien-Reise. Doch der kolumbianische Befreiungstheologe Fernando Torres hat da so seine Zweifel.

Erstellt: 04.09.2017
Aktualisiert: 04.09.2017
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Die Verfechter der Befreiungstheologie erhoffen sich von Papst Franziskus ein Signal während seiner Kolumbien-Reise. Doch der kolumbianische Befreiungstheologe Fernando Torres hat da so seine Zweifel.

Die Gegner der Befreiungstheologie seien mächtig – und sie versuchten Papst Franziskus zu beeinflussen; davon ist Fernando Torres überzeugt. Der 64 Jahre alte Theologe aus Kolumbien glaubt, dass es ausgerechnet in seinem Heimatland eine breite Front gegen die Theologie der Armen und Rechtlosen gebe. All das werde gerade wieder in der Debatte über den Friedensprozess für das einstige Bürgerkriegsland deutlich.

„Wir befinden uns in einem Land, das total polarisiert ist. Die Hälfte befürwortet den Friedensprozess, die andere Hälfte ist dagegen. Obendrein befinden wir uns im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2018, die bereits ihre Schatten vorauswerfen“, sagt Torres im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). All das mache die Papstreise politisch besonders brisant.

„Jene, die die politische und wirtschaftliche Macht im Land haben, fühlen sich dem Friedensprozess nicht verpflichtet. Sie warnen vor einer Machtübernahme des Castro-Chavismus und stammen aus dem Lager von Ex-Präsident Alvaro Uribe. Diese Kräfte haben auch großen Einfluss innerhalb der Kirche und der Kolumbianischen Bischofskonferenz.“ Und sie wollten auch verhindern, so Torres, dass Papst Franziskus die berühmte Konferenz der lateinamerikanischen Bischöfe in Medellin 1968, die als Geburtsstunde der Befreiungstheologie gilt, zu sehr in den Mittelpunkt seiner Reise rückt.

Der Theologe hat die vergangenen Jahrzehnte kolumbianischer Kirchengeschichte analysiert und dokumentiert. Es waren bewegende Zeiten, als der katholische Priester Camilo Torres (1929-1966) angetrieben von der Rechtlosigkeit der armen Landbevölkerung zu den Waffen griff und sich der ELN-Guerilla anschloss. Die ELN wurde 1964 von Studenten, katholischen Radikalen und linken Intellektuellen aus Protest gegen die Armut der Kleinbauern gegründet.

Das Verhältnis von Marxismus und Christentum kommentierte Camilo Torres mit dem legendären Satz: „Warum sollen wir streiten, ob die Seele sterblich oder unsterblich ist, wenn wir beide wissen, dass Hunger tödlich ist?“ Torres starb 1966 bei Kämpfen mit Regierungstruppen und wurde zur Ikone der katholischen Linken. Es war laut kolumbianischen Quellen sein erster Kampfeinsatz überhaupt.

Sein Namensvetter Fernando Torres kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. Ausgerechnet die als besonders konservativ geltende Kirche aus dem Großraum Medellin habe verhindert, dass das historische Erbe der Konferenz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich geworden sei. Statt zu einem Pilgerort für Befreiungstheologen zu werden, habe Medellin versucht, die Spuren zu beseitigen und die Geschichte zu ignorieren. Er nennt diese Kräfte die „Anti-Medellin-Bewegung“; sie sei bereits während der Konferenz 1968 entstanden und habe versucht, die Aufbruchsstimmung zu unterdrücken.

Bis heute sei die Befreiungstheologie ausgrenzt und ausgeschlossen, sagt Torres. „Es gibt in Kolumbien keine Theologie-Ausbildung ohne die Kontrolle der Kirche. Die Universitäten werden alle von der Kirchenleitung kontrolliert.“ Für die Befreiungstheologie sei da kein Platz. Der Theologie werde die Möglichkeit genommen nachzufragen, nachzubohren, nachzuforschen. „Die Kirche hier stand immer sehr auf der Seite der Macht und der Mächtigen.“

Papst Franziskus habe dem zuletzt entgegengewirkt, meint Torres. Das habe ihn überrascht – denn zu seiner Zeit als Kardinal in Buenos Aires habe Franziskus nicht in dem Ruf gestanden, ein Befreiungstheologe zu sein. Doch mit seiner Enzyklika „Laudato si“ knüpfe Franziskus an die Ideen von 1968 ebenso an wie mit der Seligsprechung des 1980 ermordeten Erzbischofs Oscar Romero von San Salvador, der in ganz Lateinamerika als „Bischof der Armen“ verehrt wird.