Venezuelas Krise als Chance

Venezuela ‐ Orlando Machado begann mit neun Jahren, als Lastenträger auf einem Großmarkt in Venezuela zu arbeiten. Die Kinder schuften dort schon mal bis zu 15 Stunden am Tag - ohne Vertrag und soziale Absicherung. Sie sind Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt, denn viele von ihnen sind wie Orlando Machado Indigene. Heute setzt sich Machado für die Rechte der jungen Arbeiter ein. Er ist seit 2016 Generalsekretär der Christlichen Arbeiterjugend, die in Lateinamerika, Asien und Afrika aktiv ist. Zurzeit ist er in Deutschland als Gast des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, das seine Weihnachtsaktion 2017 dem Thema „Faire Arbeit“ gewidmet hat.

Erstellt: 14.12.2017
Aktualisiert: 14.12.2017
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Orlando Machado begann mit neun Jahren, als Lastenträger auf einem Großmarkt in Venezuela zu arbeiten. Die Kinder schuften dort schon mal bis zu 15 Stunden am Tag - ohne Vertrag und soziale Absicherung. Sie sind Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt, denn viele von ihnen sind wie Orlando Machado Indigene. Heute setzt sich Machado für die Rechte der jungen Arbeiter ein. Er ist seit 2016 Generalsekretär der Christlichen Arbeiterjugend, die in Lateinamerika, Asien und Afrika aktiv ist. Zurzeit ist er in Deutschland als Gast des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, das seine Weihnachtsaktion 2017 dem Thema „Faire Arbeit“ gewidmet hat.

Venezuelas Krise als Chance

Frage: Herr Machado, Sie haben bereits im Alter von neun Jahren als Lastenträger auf einem Großmarkt in Venezuela angefangen zu arbeiten. Welche Bedingungen herrschen dort vor?

Machado: Die Bedingungen auf dem Markt sind prekär. Offiziell liegt der Mindestlohn bei rund 200 Euro pro Monat; tatsächlich werden aber oft nur zehn Euro bezahlt. Die Kinder auf dem Markt müssen ohne Arbeitsvertrag und Arbeitszeitregelung arbeiten. Für sie gibt es keine soziale Absicherung. Sie arbeiten meist als Lastenträger. Sie sind wie ich Indigene, aus dem Volk der Wayuu und werden auf dem Markt stark diskriminiert. Außerdem gibt es viel Kriminalität auf dem Markt, es werden Drogen konsumiert. Das hat natürlich auch schlechten Einfluss auf die Jugendlichen, die dort arbeiten.

Bild: © Adveniat

Frage: Sie setzen sich nun mit der Christlichen Arbeiterjugend für die Rechte der jungen Arbeiter ein. Wie genau?

Machado: Mit dieser Organisation wollen wir den jugendlichen Arbeitern helfen, sich zu organisieren und ihre Rechte zu verteidigen. Manche Hilfsorganisationen geben diesen Jugendlichen vielleicht zu Essen. Aber sie gehen nicht an die Wurzel des Problems. Mit der Christlichen Arbeiterjugend haben die jungen Menschen eine Institution, die sich für ihre Rechte einsetzt und konkrete Antworten auf die Probleme bei der Arbeit gibt. Wir setzen uns dafür ein, dass das neue Arbeitsrecht in Venezuela beachtet wird. Und die Jugendlichen spornen wir an, sich in Syndikaten und Kooperativen zu organisieren.

Frage: Venezuela erlebt zurzeit eine schwere politische und soziale Krise. Welche Auswirkungen hat diese auf die jungen Arbeiter im Land?

Machado: Die Krise im Land hat auch Einfluss auf die Arbeiter. Die Menschen haben gerade Probleme, genug zu Essen zu finden. In Venezuela werden nicht genügend Lebensmittel produziert, und durch die politische Krise können viele Produkte nicht mehr importiert werden. Die Preise der Produkte werden instabil, steigen kontinuierlich an. Der Lohn der Arbeiter orientiert sich wiederum am Schwarzmarkt und ihr Einkommen reicht nicht mehr, um sich Nahrungsmittel zu beschaffen.

Frage: Welche Lösung sehen sie in der Krise und wie muss sich angesichts der schweren Lage auch die Einstellung der Venezolaner ändern?

Machado: Eine zentrale Lösung liegt in der Neuorganisation unserer Arbeit in Venezuela: Wir müssen im Kollektiv arbeiten. Zweitens ist die Bildung wichtig, wir müssen die Werte der Einheit, des Kompromisses und des gemeinschaftlichen Engagements stärken. Ein weiteres sehr wichtiges Element ist die Eigenproduktion. Venezuela zählt noch zu stark auf seine Öl-Ressourcen, die Lebensmittel werden aber zum Großteil aus dem Ausland importiert. In der jetzigen Krise sind die Venezolaner auf Lebensmittelpakete der Regierung angewiesen. Wir müssen aber dahin kommen, dass wir die Produkte selbst herstellen. Unsere Gesellschaft muss diese Mentalität des Konsumenten ablegen, der immer alles vom Staat bekommt. Einen Wandel schaffen wir nur mit Bildung und mit Selbstorganisation im ganzen Land. Wir müssen ins Gespräch kommen mit den verschiedenen politischen Instanzen, den Gemeinschaften und den Arbeitern. Das könnte eine wichtige Lösung sein. 

Das Interview führte Claudia Zeisel

© weltkirche.katholisch.de