
Kinder kämpfen für ihre Rechte
Indien ‐ In der größten Demokratie der Welt stehen sie hoch im Kurs: Kinderrechtsclubs. In zahlreichen Dorfgemeinschaften Indiens verteidigen Kinder selbst ihre Rechte und setzen sich gegen Kinderarbeit und Kinderehen ein. Unterstützt werden sie dabei unter anderem von den Salesianern.
Aktualisiert: 31.01.2018
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In der größten Demokratie der Welt stehen sie hoch im Kurs: Kinderrechtsclubs. In zahlreichen Dorfgemeinschaften Indiens verteidigen Kinder selbst ihre Rechte und setzen sich gegen Kinderarbeit und Kinderehen ein. Unterstützt werden sie dabei unter anderem von den Salesianern.
Es klingt ein bisschen unwirklich, wenn der Salesianerpater Joy Nedumparambil von den Erfolgen der Don-Bosco-Zentren für benachteiligte Kinder im indischen Bangalore erzählt. 215 Kinderehen wurden demnach aufgehalten, 1.612 Kinder aus der Kinderarbeit geholt – und zwar von Kindern selbst. Das alles ist möglich dank der Kinderrechtsclubs, die von den Salesianern in staatlichen Schulen eingerichtet wurden. Das Projekt hat den klingenden Namen CREAM, was die Abkürzung ist für „Child Rights Education and Action Movement“.
Einmal im Monat treffen sich in den Clubs Kinder, um gemeinsam mit Eltern, Sozialarbeitern und Lehrern über ihre Rechte zu sprechen und Missstände anzugehen. Allein in der Millionenmetropole Bangalore gehen 150.000 Kinder nicht zur Schule, viele müssen arbeiten. Ein weiteres Problem ist die weit verbreitete Praxis der Kinderehen: Im gesamten Bundesstaat Karnataka werden laut Don Bosco 44 Prozent der Mädchen frühzeitig verheiratet. Dem gegenüber stehen zwischen 50 und 60 Kinderrechtsclubs in den Bezirken des Bundesstaats. „Es sollte die Clubs eigentlich in jeder Schule Indiens geben“, so Pater Nedumparambil.
Die Traditionen der Erwachsenen durchbrechen
In den Clubs werden die Kinder zunächst über ihre Rechte aufgeklärt und bekommen zahlreiche Trainings. Die Clubs sind eng an die Dorfgemeinschaften angebunden. Dort erfassen die Kinder Probleme und geben diese dann auch an die lokale Regierung weiter. „Das Recht auf Teilhabe ist wohl das zentrale Recht im CREAM-Projekt. Die Kinder haben zum Beispiel die Möglichkeit, an Sitzungen der lokalen Behörden teilzunehmen. Mit diesen Trainings lernen sie, selbstbewusst aufzutreten, werden tapfer und mutig.“ So schafften es die Kinder, bei den Erwachsenen für ein Umdenken zu sorgen.
Tatsächlich zeigt die Mobilisierung der Kinder Wirkung: Ein Mitglied der lokalen Regierung etwa hatte ein Kind als Haushaltshilfe angestellt. Die Kinder kamen zu zehnt zu ihm, um ihn dazu zu bewegen, das Kind nicht mehr zu beschäftigen. Sie hatten Erfolg. „Es braucht eine Weile, bis die Kinder für den Kampf für ihre Rechte gewappnet sind und die Traditionen der Erwachsenen durchbrechen können“, erklärt Pater Nedumparambil. Auch der Fall von sexuellem Missbrauch eines Lehrers an einem Kind wurde schon in den Clubs thematisiert. „Die Kinder haben hier die Rolle eines Wachhunds und können Missstände direkt an die lokalen Behörden weiterleiten“, erklärt der Salesianer.
Manchmal geht es aber auch um praktische Dinge wie die Einrichtung von Toiletten an öffentlichen Schulen. Jungs können hinausgehen, um ihr Geschäft zu verrichten, für Mädchen ist das zu gefährlich. Oder die Kinder schlagen in den Clubs vor, dass die Lehrer endlich mal mit dem Computer arbeiten sollten.
Zusammenarbeit mit dem Staat trotz Diskriminierungen
Trotz einer wachsenden Diskriminierung der christlichen Minderheit in Indien läuft die enge Zusammenarbeit der Salesianer mit staatlichen Behörden gut, findet Pater Nedumparambil. „Es ist in Indien zurzeit besonders für christliche Nichtregierungsorganisationen sehr schwierig. Aber im Bundesstaat Karnataka arbeiten wir sehr eng mit den staatlichen Behörden zusammen. Die Behörden haben verstanden, dass wir uns um die benachteiligten Kinder kümmern.“ Davon könnten sie sich auch bei Besuchen in den Don-Bosco-Zentren überzeugen. Diese setzen auf Kooperation: „ Wir als Don Bosco im Bundesstaat Karnataka sind der Überzeugung, dass die Zusammenarbeit mit der lokalen Regierung die beste Lösung ist. Wir wollen nicht gegen das politische System agieren, sondern eng mit dem System zusammenarbeiten.“ In anderen indischen Bundesstaaten aber hätten christliche Organisationen mehr Schwierigkeiten mit dem indischen Staat. „Wenn sich morgen die politische Situation in Karnataka ändert, kann es auch hier Probleme geben. Aber ich denke, dass der gute Wille der Regierung überwiegen wird. Sie sehen, dass wir alle für das Wohl der Kinder arbeiten. Ich hoffe und bete, dass sie unsere Worte anerkennen.“
Von Claudia Zeisel
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