Erster katholischer Aids-Seelsorger wird 75
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Erster katholischer Aids-Seelsorger wird 75

HIV und Aids ‐ Petrus Ceelen arbeitete schon vor Jahrzehnten als Seelsorger an den Rändern der Gesellschaft. Im Gefängniskrankenhaus sprach er mit RAF-Mitgliedern, und er betreute Aidskranke. Jetzt wird er 75.

Erstellt: 09.02.2018
Aktualisiert: 02.02.2018
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Petrus Ceelen arbeitete schon vor Jahrzehnten als Seelsorger an den Rändern der Gesellschaft. Im Gefängniskrankenhaus sprach er mit RAF-Mitgliedern, und er betreute Aidskranke. Jetzt wird er 75.

Der Typ ist ein Unikat: Er arbeitete schon als Laientheologe in einer Pfarrei, als es das Berufsbild Pastoralreferent noch nicht gab. Er war viele Jahre im baden-württembergischen Gefängniskrankenhaus auf dem Hohenasperg und Deutschlands erster katholischer Aids-Seelsorger. Petrus Ceelen gehört zu denen, die immer bereit sind, sich die Hände schmutzig zu machen. Jetzt wird er 75 – aus Sicht des Belgiers mit der Liebe zu Württemberg passenderweise am Karnevalssonntag.

Eher zufällig kam Ceelen nach Stationen in Speyer, Mainz und Berlin 1971 ins Ländle. Da hatte der studierte Theologe bereits für sich erkannt, dass er sich nicht zum Zölibat berufen fühlte – er schaffte „rechtzeitig vor der Weihe den Absprung“, wie er es selbst formuliert. Aber es bedeutete nicht das Ende seiner Idee, mit Menschen arbeiten zu wollen.

Weil er das Gefühl hatte, dass der Hohenasperg nördlich von Stuttgart, in dem später Steffi Grafs Vater Peter inhaftiert war, für ihn „genau der richtige Ort war“, blieb er 17 Jahre, sprach fast täglich mit Junkies, Mördern, Vergewaltigern, aber auch mit Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt, den beiden Schlüsselfiguren der zweiten Generation der RAF, die nach einem Hungerstreik auf den Hohenasperg verlegt worden waren.

Sie konfrontierten ihn damit, dass er in seiner Rolle als kirchlicher Angestellter und Seelsorger im Gefängnis letztlich ein Unterstützer des verhassten Systems sei. „Höchst unangenehm“ war ihm das, zumal er seine Helferrolle im Knast selbst immer kritisch sah. Er trug auch dazu bei, so schreibt er es in seinem Erinnerungsbuch zum 75., „dass die Vollzugsmaschinerie wie geschmiert läuft“.

Irgendwann war es dann genug. Ceelen wollte gehen, wollte sich um Aidskranke kümmern. 1992 hatte er seinen Willen durchgesetzt. Der damalige württembergische Bischof und heutige Kardinal Walter Kasper ernannte den Vater zweier Töchter gegen das Votum der Rottenburger Personalverwaltung zum Aids-Seelsorger in Stuttgart. Und Ceelen konnte wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: Widerstände überwinden.

Denn in der Szene war er alles andere als willkommen. Katholisch und Aids - das wurde wie Himmel und Hölle wahrgenommen. Die Kirche galt als die Institution, die den Erkrankten noch mit einer moralischen Keule begegnete. Hinzu kam, dass HIV-Infizierten medizinisch damals kaum geholfen werden konnte. Ceelen musste viele jüngere Frauen und Männer beerdigen, musste „trösten, wo kein Trost möglich war“.

Doch ihm gelang es, Vertrauen auf- und Vorurteile abzubauen, er schuf Beziehungen. Die Aidshilfe ernannte ihn später zum Ehrenmitglied. Er selbst haderte mit seiner Rolle, hatte nach eigenem Bekunden oft sogar ein schlechtes Gewissen, nicht aus der Kirche ausgetreten zu sein. Deren Umgang mit Lesben und Schwulen empfand er als unerträglich. Und auch, dass er sich von einer Institution bezahlen ließ, die den Gebrauch von Kondomen verdammte, bereitete ihm einige schlaflose Nächte.

Zugleich weiß der Mann mit dem grauen Vollbart und den buschigen schwarzen Augenbrauen, dass er genau dieser Kirche sehr viel zu verdanken hat. Sie hat ihm über Jahrzehnte ermöglicht, sein Verständnis von Christsein zu leben. An seinem 70. Geburtstag, am Rosenmontag 2013, erhielt Ceelen dann im Rückblick sein „schönstes Geschenk“. Gemeint ist damit nicht der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. an diesem Tag, sondern die dadurch erst mögliche Wahl des neuen Kirchenoberhaupts wenige Wochen später.

Denn natürlich ist Ceelen Franziskus-Fan und sieht sich im Nachhinein bestätigt in seinen Versuchen, an den Rändern zu sein und genau dort zu helfen. Eine späte Versöhnung mit seinem Arbeitgeber: „Was ich anfangs gegen Widerstände gemacht habe – heute sind es offizielle Arbeitsfelder“. Ceelen sieht eine „Blickverschiebung“. Persönlich hatte er die vor mehr als zehn Jahren vollzogen, zweieinhalb Jahre vor dem Renteneintrittsalter schied er aus dem Bistumsdienst aus. Seine Frau war krank geworden, und er wollte sich nicht nachsagen lassen, er habe „für alle Zeit, nur nicht für die Lebenspartnerin“.

Heute pendelt der mit einer Wallonin verheiratete Flame gerne und häufig zwischen der belgischen Nordseeküste und Schwaben, weil es seiner Frau viel besser geht und es immer noch viele Menschen in und um Stuttgart gibt, die von ihm beerdigt werden wollen. Er sieht das als Bestätigung seiner Arbeit. Und es hat damit zu tun, dass er den Tod als sein Thema sieht. Er weiß, dass seine Tage gezählt sind „und eines Tages auch ich in der Kiste liege“. Bis dahin will er weiter „schon beim Aufstehen jeden Tag in Dankbarkeit annehmen und bewusst leben“. Schließlich sei „das Leben ein großes Puzzle“ – und jeder Tag ein Unikat.