„Trump mauert, statt zu integrieren“
Bild: © KNA

„Trump mauert, statt zu integrieren“

Migration und Integration ‐ Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat kritisiert anlässlich des Weltflüchtlingstags am Mittwoch die Abschottungspolitik der USA. Diese verstärke die sozialen Konflikte und zementiere eine Wirtschaft, die den Reichen immer größere Gewinne beschert, sagte Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz im Interview mit weltkirche.katholisch.de.

Erstellt: 19.06.2018
Aktualisiert: 19.06.2018
Lesedauer: 

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat kritisiert anlässlich des Weltflüchtlingstags am Mittwoch die Abschottungspolitik der USA. Diese verstärke die sozialen Konflikte und zementiere eine Wirtschaft, die den Reichen immer größere Gewinne beschert, sagte Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz im Interview mit weltkirche.katholisch.de.

Frage: Pater Heinz, diese Woche wollen die US-Abgeordneten über das Schicksal der rund 800.000 sogenannten „Dreamer“ im Land abstimmen. Diese Migranten, die vor dem 16. Lebensjahr illegal eingereist sind, könnten eine befristete Aufenthaltsgenehmigung sowie die US-Staatsbürgerschaft erhalten, wenn sie eine Ausbildung absolviert haben oder eine Beschäftigung nachweisen können. Gleichzeitig soll die legale Einwanderung eingeschränkt und Geld für den Mauerbau lockergemacht werden. Was macht das auf Sie für einen Eindruck?

Pater Heinz: Die US-Regierung setzt weiterhin auf Abschottung: Donald Trump mauert, statt zu integrieren. Er untergräbt das Menschenrecht auf Asyl, statt die Fluchtursachen zu bekämpfen. Eine Abschottungspolitik verstärkt jedoch die sozialen Konflikte und zementiert eine Wirtschaft, die den Reichen immer größere Gewinne beschert. Auf der Strecke bleiben die Armen. Ich hoffe sehr, dass die Dreamer ihren Traum von einem friedlichen Leben verwirklichen können und die US-Staatsbürgerschaft erlangen. Sie sind mittlerweile in den USA zu Hause, tragen zum Wohlstand der Gesellschaft bei und leisten überlebensnotwendige Geldüberweisungen, die ‚remesas‘, an ihre Familien in Mexiko und Mittelamerika.

Frage: Die Situation an der US-Grenze hat sich mittlerweile so zugespitzt, dass sogar die Frau des US-Präsidenten, Melania Trump, fordert, die dort angekommenen Familien nicht zu trennen. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage an der US-Grenze zu Mexiko?

Heinz: Die US-Behörden haben seit Mitte April etwa 2.000 Kinder von ihren Eltern getrennt, die beim Grenzübertritt aufgegriffen wurden. Die Inhaftierung von Kindern ist verboten, da sie nicht eines Verbrechens bezichtigt werden dürfen. Die US-Regierung überschreitet mit ihrer Null-Toleranz-Politik die Grenze der Menschlichkeit. Eltern und Kinder dürfen nicht voneinander getrennt werden. Im Gegenteil: Familien, die vor Gewalt und Armut fliehen, müssen geschützt werden.

Bild: © Adveniat

Frage: Die Migrationsfrage beschäftigt Lateinamerika und besonders Mittelamerika nun schon viele Jahre. Steigt der Migrationsdruck?

Heinz: Die Flüchtlingskrise in Lateinamerika hat sich verschärft. Viele Menschen aus Süd- und Mittelamerika suchen aufgrund der ausufernden Banden- und Drogenkriminalität sowie der wirtschaftlichen und sozialen Krisen in ihren Herkunftsländern in den USA Arbeit und Perspektiven für ihr Leben. Die Trump‘ sche Abschottungspolitik stoppt den Flüchtlingsstrom nicht. Immer mehr Menschen machen sich auf den lebensgefährlichen Weg in Richtung USA. Natürlich verstärkt die humanitäre Krise in Venezuela den Migrationsdruck. Ziel der Venezolaner sind aber vor allem das Nachbarland Kolumbien und nahegelegene Länder wie Ecuador, Peru und Chile. Und auch aus Nicaragua versuchen die Menschen zu fliehen. Ich habe lange Schlangen vor den Migrationsbehörden gesehen. Die Nicaraguenses versuchen vor allem Visa für Costa Rica zu bekommen. Ein Leben in Frieden und Wohlstand führen zu können wie in den USA oder Europa, bleibt für die meisten aber ein unerfüllter Traum.

Frage: Mexiko ist als Transitland noch immer stark gefragt, gleichzeitig wird der Umgang mit Migranten immer härter. Nun stehen unmittelbar Wahlen an. Gibt es Hoffnung, dass sich die Situation für die Migranten mit einer neuen Regierung verbessert?

Heinz: Umfragen zu Folge liegt der Linkspolitiker Andrés Manuel López Obrador, im Volksmund ‚Amlo‘ genannt, vorne. Der ehemalige Hauptstadtbürgermeister verspricht eine ‚friedliche Revolution‘ und sagt dem ‚korrupten Machtkartell‘ den Kampf an. Er sagt aber auch – ähnlich wie Trump: México primero, Mexiko zuerst. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation für Migranten aus Mittelamerika wesentlich verbessert. Das liegt auch daran, dass Menschenhandel, Erpressung und das Ausrauben der Migranten zum einträglichen Zusatzgeschäft der organisierten Kriminalität geworden sind. Donald Trump spielt im mexikanischen Wahlkampf eigentlich keine Rolle. Denn alle Kandidaten sind gegen ihn.  

Frage: Wie wehrt sich die Kirche Mexikos gegen die Bedrohung der Kartelle Mexikos und wie kann sie sich für Menschenrechte und Migranten einsetzen?

Heinz: Mexiko wird von einer Welle der Gewalt erschüttert. Immer öfter ermorden kriminelle Banden auch Priester, die Friedensarbeit leisten. Vor allem vor der Präsidentenwahl am 1. Juli mischt die organisierte Kriminalität die Karten neu. Es gilt die einfache Regel: Entweder du stehst auf unserer Seite oder du stirbst. Das gilt gerade auch für Ordensleute und Priester. 26 starben in den vergangenen sechs Jahren.

Als Lateinamerika-Hilfswerk unterstützt Adveniat in Mexiko bereits zahlreiche Projekte zugunsten von Migranten. In Migrantenheimen sowohl an der Grenze zu Guatemala als auch an der zu den USA werden die ankommenden Menschen mit Nahrungsmitteln und Kleidung versorgt, erhalten eine Unterkunft und werden rechtlich beraten. Wichtig ist es aber auch, die Menschen psychologisch zu begleiten, die als Helfer tagtäglich mit den traumatischen Erlebnissen der Migranten konfrontiert sind. Außerdem unterstützt Adveniat eine Initiative, die sich um die Integration von aus den USA ausgewiesenen Mexikanern kümmert.

Das Interview führte Claudia Zeisel.

© weltkirche.katholisch.de