Bischof Ackermann: Lage im Heiligen Land deprimierend
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Bischof Ackermann: Lage im Heiligen Land deprimierend

Bedrängte Christen ‐ Im Heiligen Land findet derzeit das 19. Internationale Bischofstreffen statt. Der Besuch der katholischen Bischöfe steht nach Worten des Trierer Bischofs Stephan Ackermann im Zeichen der Begegnung und Solidarität. „Unser jährliches Kommen ungeachtet der fehlenden politischen Fortschritte ist ein Akt der Treue und des Nichtaufgebens“, sagte der Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz am Dienstag.

Erstellt: 15.01.2019
Aktualisiert: 15.01.2019
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Im Heiligen Land findet derzeit das 19. Internationale Bischofstreffen statt. Der Besuch der katholischen Bischöfe steht nach Worten des Trierer Bischofs Stephan Ackermann im Zeichen der Begegnung und Solidarität. „Unser jährliches Kommen ungeachtet der fehlenden politischen Fortschritte ist ein Akt der Treue und des Nichtaufgebens“, sagte der Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz am Dienstag.

Frage: Bischof Ackermann, was ist das Ziel des Solidaritätsbesuch im Heiligen Land?

Stephan Ackermann: Wir kommen nicht, um Ratschläge zu erteilen, sondern um Menschen zu begegnen. Wir stellen Fragen und hören zu. Das wird von den Menschen hier stark wahrgenommen. Gleichzeitig kommen durch unseren Besuch Menschen zusammen, die sich sonst nicht treffen würden. Mit unseren Fragen fordern wir unsere Gesprächspartner heraus, sich zu erklären und sich Situationen zu stellen, die sie sonst selten erleben, etwa wenn Vertreter der Drusen bei unserem interreligiösen Treffen erstmals das Heiligtum der Bahai besuchen.

Für uns wiederum machen die wiederholten Besuche das Verständnis für die Komplexität der Lage differenzierter. Dadurch wird man vorsichtiger im Urteil. Es macht es schwieriger, Stellung zu nehmen, wird aber der Lebenswirklichkeit besser gerecht.

Frage: Erstmals liegt der Schwerpunkt des Solidaritätsbesuchs auf dem Norden des Heiligen Landes. Sehen Sie Unterschiede zur Region um Jerusalem und Bethlehem?

Ackermann: Nach meinem Eindruck ist der Norden säkularer, pluraler und weniger verdichtet. Es herrscht eine größere Entspanntheit, wie sie für uns eher Normalität ist. Auch die sozio-ökonomische Lage scheint mir günstiger.

Frage: Sie haben das Treffen mit Vertretern verschiedener Religionen in Israel angesprochen. Welche Bilanz ziehen Sie nach der Begegnung?

Ackermann: Während der Begegnung gab es durchaus kritische Momente, die durch unsere Fragen ausgelöst wurden. Daraus ergibt sich die Frage, was dem Dialog hilft. Es hilft, ehrlich zu sagen, dass es Themen gibt, die besser ausgeklammert werden. Wenn etwa hier die politische Situation thematisiert wird, kommt der Dialog nicht zustande. Das Thema wird daher nicht aus Naivität, sondern sehr bewusst ausgeklammert. Da die Religionsvertreter, die wir getroffen haben, sich regelmäßig treffen, konnten sie auch die brenzlige Gesprächssituation bewältigen. Das zeugt von Vertrautheit und ist ein gutes Beispiel für Dialog. Moderiert und übersetzt wurde das Treffen von einem maronitischen Priester. Dass Christen diese Rolle spielen, ist ebenfalls ein gutes Zeichen.

Frage: Während der Begegnungen wurde eine doppelte Kritik an dem Verhältnis des Westens zum Heiligen Land geäußert. Zum einen fühlten sich die Christen hier vergessen, zum anderen förderten westliche Hilfsgelder eine Empfängermentalität, hieß es. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Ackermann: Diese Stimme ist neu für uns. Sie weitet unseren Blick. Unter anderem sagt sie uns, dass wir auch die Christen in Israel nicht vergessen dürfen. Der berechtigte Wunsch nach einer stärkeren finanziellen Unabhängigkeit und Partnerschaft herrscht auch an anderen Orten, etwa in Afrika. Solange wir allerdings die finanziell potenteren Partner sind, wird diese Asymmetrie bestehen bleiben. Bereits jetzt arbeiten unsere Hilfswerke in partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Um diese Partnerschaft zu stärken, braucht es Verbindlichkeiten von beiden Seiten, etwa durch zuverlässige Ansprechpartner und Evaluation.

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„Der Friedensprozess scheint von beiden Seiten stillschweigend begraben worden zu sein.“

—  Zitat: Stephan Ackermann, Bischof von Trier

Frage: Wie bewerten Sie die gegenwärtige Lage im Heiligen Land?

Ackermann: Sie ist deprimierend: Es sind weder Fortschritte noch ein Gesprächswille zu erkennen. Der Friedensprozess scheint von beiden Seiten stillschweigend begraben worden zu sein. An einer realistischen Perspektive wird nicht gearbeitet. Unser jährliches Kommen ungeachtet der fehlenden politischen Fortschritte ist ein Akt der Treue und des Nichtaufgebens und gibt uns die Möglichkeit eines regelmäßigen Updates zur aktuellen Lage.

Frage: Und positive Entwicklungen?

Ackermann: Am Rande des Bischofstreffens haben wir auch die Dormitio-Abtei in Jerusalem besucht, deren vielfältige Arbeit einen markanten Punkt kirchlicher und deutscher Präsenz im Heiligen Land darstellt. Neben dem wichtigen Einsatz im Dialog und der Deutschsprachigenseelsorge sehen wir Investitionen. Die unter anderem mit deutschen Regierungsgeldern finanzierte Restaurierung der Krypta sowie weitere Renovierungsprojekte sind ein Zeichen der Wertschätzung dieser wichtigen Präsenz.