„Wir brauchen Fachleute, die Ahnung von Migration haben“
Migration und Integration ‐ Die Katholische Hochschule Mainz bietet seit 2016 einen internationalen Bachelor-Studiengang „Sozialwissenschaften: Migration und Integration“ an. Es soll hier um ein strukturelles Verständnis von Migration und Integration gehen. Professor Bastian Vollmer erklärt, warum das wichtig ist.
Aktualisiert: 13.09.2022
Lesedauer:
Frage: Prof. Vollmer, die Katholische Hochschule bietet einen Internationalen Bachelor-Studiengang „Sozialwissenschaften: Migration und Integration“ an. Was ist das Besondere daran?
Prof. Bastian Vollmer: Ein Studiengang mit dem expliziten Schwerpunkt Migration und Integration ist über die katholischen Hochschulen hinaus bundesweit einmalig. Es gibt zwar ähnliche Masterstudiengänge, unser Bachelor richtet sich aber gezielt an junge Menschen, die gerade Abitur oder Fachabitur gemacht haben. Wir wollen in einem frühen Stadium eine interdisziplinäre sozialwissenschaftliche Ausbildung mit Schwerpunkt Soziologie und Politikwissenschaft anbieten. Der Studiengang ist international und zugleich praxisorientiert ausgerichtet.
Frage: Inwiefern praxisorientiert? Die Fächer Soziologie und Politikwissenschaft sind ja zunächst sehr theoretisch.
Vollmer: Der Studiengang beinhaltet recht viel Theorie, aber dies erstellt ein Fundament, auf dem wir aufbauen wollen. Die Studierenden werden über ein reichhaltiges Repertoire verfügen, was die soziologischen und kulturtheoretischen Ansätze angeht. Wir haben darüber hinaus während des Studiums auch eine Praxisvermittlung in die Institutionen, etwa in kirchliche Institutionen, Gemeinden, Ministerien, NGOs etc. Im Prinzip haben heute alle gesellschaftlichen Bereiche etwas mit Migration und Diversität zu tun. Die Absolventinnen und Absolventen des neuen Bachelors werden dann eher im mittleren Bereich des Managements von Organisationen anzusiedeln sein.
„Heute haben alle gesellschaftlichen Bereiche etwas mit Migration und Diversität zu tun.“
Frage: Inwiefern ist der Studiengang international ausgerichtet?
Vollmer: Im Studium ist ein Auslandsjahr vorgesehen, damit die Studierenden auch die Erfahrung machen, wie es ist, in einem Land „fremd“ zu sein. Neben dem Studium haben die Studierenden auch die Möglichkeit, bis zu einem halben Jahr ein Praktikum im Ausland zu absolvieren. Viele unserer Studierenden zieht es nach Lateinamerika, aber auch nach Nordamerika und ins europäische Ausland. Wir bauen an einem weitläufigen Netzwerk, wie etwa nach Uganda, Senegal, Marokko, Libanon oder China. Wir unterrichten auf Deutsch und auf Englisch. So entsteht der Austausch mit den Partneruniversitäten; ausländische Studierende kommen natürlich auch zu uns. Dann wird noch eine dritte Sprache gelehrt, man kann wählen zwischen Französisch, Arabisch, Chinesisch, Italienisch oder Spanisch. Unsere Studierenden absolvieren bei uns alle mit mindestens drei Sprachen.
Frage: Was war der Anlass für diesen eher theoretischen und internationalen Zuschnitt des Bachelors?
Vollmer: Soziale Arbeit ist natürlich ein ganz eigenes Arbeitsfeld und wir sind der Meinung, man muss sich beim Thema Migration und Integration noch breiter aufstellen, weil es wirklich in alle gesellschaftlichen Bereiche dringt. Das gilt zum Beispiel für politische Parteien, Ministerien, etc., wo wir schauen müssen: Wie ist dort das Personal ausgebildet? Wir erleben unglaubliche gesellschaftliche Umwälzungen und wir brauchen Menschen, die Ahnung haben von dem Thema Migration und dementsprechend Organisationen und Institutionen beraten können.
Frage: Inwiefern fließen in den Studiengang Elemente der katholischen Soziallehre und der Gedanken von Papst Franziskus zum Thema Migration mit ein?
Vollmer: Die christlichen Werte fließen überall mit ein. Wir haben in dem Bachelor zudem ein Modul zu Kultur, Religion und Ethik. Des Weiteren bieten wir einen Kurs über die Weltreligionen an. Wir fragen auch, wie Religion mit der eigenen Identität zusammenhängt. Ich hatte die Ehre, Papst Franziskus durch unser weltweites Netzwerk der Katholischen Hochschulen persönlich zu treffen. Dabei habe ich gemerkt, was Migration ihm für ein Herzensanliegen ist. Ich konnte zudem Fabio Baggio, Unterstaatssekretär der Sektion Migration und Flüchtlinge des Heiligen Stuhls, für eine Tagung im November gewinnen. Wir tragen natürlich das, was die Kirche bewegt, in unseren Unterricht hinein.
Frage: Welche Möglichkeiten haben die Studenten nach dem Bachelor?
Vollmer: In Deutschland sowie im europäischen Ausland gibt es Möglichkeiten, entsprechende Masterstudiengänge zu machen. Aber man kann auch direkt in die Arbeitswelt gehen, wie etwa Tätigkeiten in den Feldern der Politik, Verbänden, Verwaltungen, dazu gehören Ministerien und Gemeinden, internationale und zwischenstaatliche Organisationen, aber auch Arbeitsfelder in Medien und der Öffentlichkeitsarbeit, Kirchen und Glaubenseinrichtungen, des Sports, dem NGO-Sektor, dem Personalwesen, dem Bildungs- bzw. Gesundheitswesen sowie dem Sozial- und Wohnungswesen. Unsere Studierenden sind da ja schon während des Studiums sehr aktiv bei Menschenrechtsorganisationen und Vereinen. Wer dann erst mal einen Masterabschluss hat, kann später bei uns eine kooperative Promotion anstreben.
Das Interview führte Claudia Zeisel.
Interessierte am Bachelor-Studiengang können sich vom 1. Februar bis 30. Juni eines Jahres hier bewerben.
© weltkirche.de