Rumänien vor schwieriger Wahl

Rumänien vor schwieriger Wahl

Rumänien ‐ Papst Franziskus reist Ende Mai nach Rumänien, einem der Sorgenkinder der EU. Dessen Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung werden derzeit zurückgedreht. Die freie Justiz ist in Gefahr. Franziskus muss sich klug äußern.

Erstellt: 20.05.2019
Aktualisiert: 20.05.2019
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Papst Franziskus reist Ende Mai nach Rumänien, einem der Sorgenkinder der EU. Dessen Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung werden derzeit zurückgedreht. Die freie Justiz ist in Gefahr. Franziskus muss sich klug äußern.

Am 31. Mai reist Papst Franziskus nach Rumänien. Das Motto lautet „Lasst uns gemeinsam gehen“ (Sa mergem impreuna). Dieses Papstwort, in den politischen Kontext des Landes hineingesprochen, scheint höchst passend. Denn Rumänien, das noch bis 30. Juni den EU-Ratsvorsitz innehat, gehört zu den Sorgenkindern der Europäischen Union. Das politische Bukarest bietet selbst eher ein Schlachtfeld statt Orientierung in einer Phase, in der demokratische Standards, Menschenrechte und Multilateralismus demontiert und ausgehöhlt werden.

Rumäniens Politik ist verkeilt im Dauerkampf zwischen Schatten-Regierungschef Liviu Dragnea und Staatspräsident Klaus Iohannis. Das Duell der beiden sehr verschiedenen Politiker gleicht einer Schlammschlacht, in der Dragnea immer den schmutzigeren Trick parat hat.

Iohannis war Ende 2014 als bürgerlicher Außenseiter angetreten, mit dem Versprechen, die grassierende Korruption zu bekämpfen. Der 59-Jährige, der der deutschstämmigen Minderheit der Siebenbürger Sachsen angehört, war der Hoffnungsträger derer, die den lauten und unsauberen Politikstil der bisherigen Eliten nicht mehr wollten.

Doch er steht scheinbar auf verlorenem Posten gegen die regierenden Sozialdemokraten Dragneas, die genau dies verhindern wollen – und ihm in den vergangenen Jahren alle verfassungsmäßigen Instrumente dafür aus der Hand geschlagen haben. Zur bevorstehenden Europawahl hat Iohannis seinen vielleicht letzten Trumpf gezogen – und das Europa-Votum mit einem Referendum über die rumänische Justizreform verbunden. Die Politik der Regierung, so warnt er immer wieder, drohe alle Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung wieder zurückzudrehen.

Ende 2016 hatte die nominell sozialdemokratische PSD, die Nachfolgepartei der Kommunisten, bei den Parlamentswahlen einen Erdrutschsieg gelandet – und das, obwohl praktisch die gesamte Parteielite wegen Wahlfälschung, Korruption oder anderer Delikte vorbestraft ist oder juristisch belangt wurde. Mit ihrer – rational unfassbaren – absoluten Mehrheit konnte die PSD nach und nach die vom Präsidenten durchgesetzte Stärkung der Antikorruptionsbehörde DNA wieder kippen.

Zwar konnte Iohannis noch PSD-Chef Dragnea als Ministerpräsidenten verhindern – weil der wegen Wahlfälschung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt ist. Doch mit seiner großen Macht in Parlament und Gesetzgebung trieb der 56-Jährige den Präsidenten derart in die Defensive, dass dieser auf Anordnung des Verfassungsgerichts sogar die oberste Korruptionsbekämpferin Laura Codruta Kövesi entlassen musste – um selbst einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zu entgehen. Diesen gefühlten Verrat an der Sache haben viele Unterstützer Iohannis nicht verziehen.

Im Tagesgeschäft ist ohnehin nicht der europafreundliche Präsident am Ruder, sondern die Dragnea ergebene PSD-Ministerpräsidentin Viorica Dancila. Die 55-Jährige wird nicht müde, wie auch zuletzt beim EU-Gipfel in Bukarest den protokollarischen Vorrang des Staatspräsidenten vor der Regierungschefin zu beklagen. Dieser Vorrang wird freilich auch bei der Papstreise wieder zum Tragen kommen. Nach dem offiziellen Empfang durch Iohannis und einem kurzen Gespräch mit Dancila spricht Franziskus im Präsidentenpalast vor Vertretern von Politik, Gesellschaft und Diplomatie.

Höhepunkt des Papstbesuchs ist die Seligsprechung von sieben griechisch-katholischen Märtyrerbischöfen am Sonntag (2. Juni) im siebenbürgischen Blaj (Blasendorf). Weitere Schwerpunkte sind ökumenische Begegnungen mit der rumänisch-orthodoxen Kirchenführung und ein Gottesdienst im siebenbürgischen Marienort Sumuleu Ciuc (Schomlenberg). Auch ein Treffen mit Roma ist geplant.

Rumänien ist ein orthodox geprägtes Land. Allerdings ist die (gleichwohl selbstbewusste) rumänisch-orthodoxe Kirche keineswegs so antiökumenisch eingestellt wie die bulgarisch-orthodoxe, der Franziskus bei seinem dortigen Besuch Anfang Mai begegnete. 2007 fand im siebenbürgischen Sibiu (Hermannstadt) die 3. Europäische Ökumenische Versammlung statt.

Unter anderem ist in Bukarest eine Unterredung mit dem seit 2007 amtierenden Patriarchen Daniel (Ciobotea) geplant. Franziskus spricht vor dem Leitungsgremium der rumänischen Orthodoxie und betet in deren neuer Nationalkirche. Die „Kathedrale zur Erlösung der Nation“ war erst im November geweiht worden. Mit 120 Metern Länge, 70 Metern Breite und 120 Metern Höhe gehört sie zu den größten orthodoxen Kirchen weltweit.

Nach Stationen im Wallfahrtsort Sumuleu Ciuc und Iasi (Jassy) reist der Papst weiter nach Blaj, dem Sitz des Großerzbistums Fagaras und Alba Iulia. Es wird geleitet vom Oberhaupt der mit Rom unierten rumänischen griechisch-katholischen Kirche, Kardinal Lucian Muresan (89), zugleich Vorsitzender der nationalen katholischen Bischofskonferenz. Die Seligsprechungsfeier auf dem Freiheitsfeld in Blaj wird im byzantinischen, ostkirchlichen Ritus zelebriert.

Von Alexander Brüggemann (KNA)

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