Karneval umwelt- und sozialverträglich feiern
Umwelt ‐ Ob nun „Helau“ oder „Alaaf“: Während der „närrischen“ Tage steht die Republik vielerorts Kopf. Aber auch im Brauchtum kommt der Zeitgeist an: Initiativen für faires und nachhaltiges Feiern sind auf dem Vormarsch.
Aktualisiert: 13.02.2020
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Ob nun „Helau“ oder „Alaaf“: Während der „närrischen“ Tage steht die Republik vielerorts Kopf. Aber auch im Brauchtum kommt der Zeitgeist an: Initiativen für faires und nachhaltiges Feiern sind auf dem Vormarsch.
Nicht nur beim Wurfmaterial
Die geworfenen Süßigkeiten sind natürlich ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor des närrischen Festes, der eine Betrachtung aus fairer und nachhaltiger Sicht verdient. Dasselbe gilt für die Kostümierungen, die das bunte Treiben an den Straßenrändern dominieren. Auch hier stellt sich die Frage: Lieber günstige „Einmal-Ware“ - oder doch etwas Beständiges? Eine nachhaltige Alternative bieten da beispielsweise Karnevalsflohmärkte. Einen besonders erfolgreichen veranstalten seit 2019 die Benrather Schlossnarren im Düsseldorfer Henkel-Saal. Rund 1.000 Besucher und Trödler kamen auch in diesem Jahr wieder und verkauften selbstgemachte oder recycelte Kostüme. Individualität wird dabei groß geschrieben: „Die Kostüme, die hier angeboten werden, finden sich so in keinem Laden“, sagt Ellen Loth, die den Trödelmarkt für die Karnevalsgesellschaft organisiert. „Viele Aussteller stellen die Kostüme aus Second-Hand-Kleidung selbst her“, erzählt Loth. Eines der Highlights für sie waren in diesem Jahr aufgehübschte Herrensakkos, bestückt mit Glitzer, Pailletten und anderen Applikationen. „Sowas habe ich noch selten gesehen“, schwärmt sie. Es zeigt sich also: Jecke Traditionen und ihr umwelt- und sozialverträgliches Feiern müssen keineswegs Gegensätze sein. Vielmehr lassen sie sich - mit etwas Einfallsreichtum - kombinieren, ohne dass dabei der Spaß am närrischen Treiben verloren geht.Die Pappnase sitzt, das Kostüm strahlt, und der Kamellebeutel ist bereitet: Karneval, Fastnacht oder Fasching - je nach regionalem Gusto - kann kommen. Die Highlights jeder Session sind zweifellos die großen Umzüge, insbesondere an Rosenmontag. Hier werden alleine in den drei rheinischen Hochburgen Mainz, Köln und Düsseldorf jährlich mehrere Hundert Tonnen „Kamelle“ genannte Süßigkeiten unters Volk gebracht.
Wo viel geworfen wird, entsteht naturgemäß auch viel Müll: Von den jährlich rund 100 Tonnen, die nach Angaben der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe in der Domstadt über die fünf „jecken“ Tage zusammenkommen, mache der Rosenmontagszug durch die Innenstadt etwa ein Drittel aus.
Auch die großen Karnevalsverbände haben das Problem erkannt und versuchen gegenzusteuern. So ist es in Mainz und Düsseldorf inzwischen untersagt, am Rosenmontag einzeln verpackte Kaugummis oder Bonbons zu werfen – „die werden ohnehin nicht mehr aufgehoben“, heißt es aus der rheinland-pfälzischen Hauptstadt.
"Grüne Funken"
In diese Kerbe haut auch Oliver Szabo. Quasi „aus einer Bierlaune heraus" gründete der Kölner den nach eigenen Angaben ersten „grünen“ Karnevalsverein der Stadt, die „KG Grüne Rheinfunken“. „Wir wollen Spaß am Brauchtum haben, aber gleichzeitig zeigen, dass das auch anders geht“, erklärt er das Prinzip des Vereins. Dieser zählt inzwischen schon zwölf Mitglieder - mit steigender Tendenz.
Selbstverständlich wollen die „Grünen Rheinfunken“ auch selbst im Zug mitgehen und Kamelle schmeißen. Unklarheit besteht allerdings noch in einer Frage: „Geht es uns mehr darum, die Verpackung zu reduzieren oder auch um die Produktionsgeschichte des Inhalts?“
Ohne Plastik?
Eine kritische Frage, findet auch Christoph Alessio. Als Leiter des Projekts „Jecke Fairsuchung“ des Vereins „Tatort-Straßen der Welt“ plädiert er für das Werfen von fair gehandelten Kamelle. Qualität statt Quantität lautet die Devise. Doch für Plastikverpackung sieht auch er noch keine Alternative. „Aus hygienischen Gründen ist das bisher leider kaum anders möglich.“
Für die Öko-Bilanz der fairen Kamelle natürlich ein Punktabzug. Allerdings ist es ein notwendiger Kompromiss, den die Initiative eingehen muss. Im Vordergrund steht der Gedanke, mit den geworfenen Süßigkeiten auch deren Produzenten gerecht zu unterstützen. Alessio ist sich bewusst, dass die fairen Kamelle dadurch höher zu Buche schlagen und deshalb kaum als alleiniges Wurfmaterial für alle Karnevalsgesellschaften in Frage kommen. „Unser Motto ist deshalb: 10 Prozent des Kamellebudgets in faire Kamelle investieren“, erklärt er und stellt in Aussicht: „Wenn mehr faire Kamelle verkauft werden, kann man sie in größeren Mengen eventuell auch anders verpacken.“
Mit gutem Beispiel voran
Einer der wichtigsten Abnehmer der fairen Kamelle ist die Stadt Monheim. Seit 2018 unterstützt die „Fairtraide-Stadt“ am Rhein die Initiative. „Wir haben überlegt, wie wir das Thema mehr in die Öffentlichkeit bringen können“, erzählt die städtische Fairtrade-Koordinatorin Annika Patz. Da Karneval in Monheim zu den wichtigsten Traditionen gehört und viele Monheimer in den Vereinen aktiv sind, lag die Lösung nahe: „Die Idee der fairen Kamelle sehen wir als eine ideale Verbindung von lokaler Tradition mit dem globalen Geschehen.“
Im ersten Jahr spendierte die Stadt faire Kamelle für alle Gruppen im Wert von 50.000 Euro. Dieser Betrag hat sich schon 2019 verdoppelt. Und auch in der aktuellen Session sollen es wieder 100.000 Euro sein.
Die Idee des fairen Wurfmaterials ist inzwischen aber auch bei den „Großen“ angekommen. So will die Genossenschaft Mainzer Fastnacht für die Session 2021 entsprechende Angebote einholen und eine gemeinsame Bestellung für alle Zuggruppen aufgeben.
Nicht nur beim Wurfmaterial
Die geworfenen Süßigkeiten sind natürlich ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor des närrischen Festes, der eine Betrachtung aus fairer und nachhaltiger Sicht verdient. Dasselbe gilt für die Kostümierungen, die das bunte Treiben an den Straßenrändern dominieren. Auch hier stellt sich die Frage: Lieber günstige „Einmal-Ware“ – oder doch etwas Beständiges?
Eine nachhaltige Alternative bieten da beispielsweise Karnevalsflohmärkte. Einen besonders erfolgreichen veranstalten seit 2019 die Benrather Schlossnarren im Düsseldorfer Henkel-Saal. Rund 1.000 Besucher und Trödler kamen auch in diesem Jahr wieder und verkauften selbstgemachte oder recycelte Kostüme. Individualität wird dabei groß geschrieben: „Die Kostüme, die hier angeboten werden, finden sich so in keinem Laden“, sagt Ellen Loth, die den Trödelmarkt für die Karnevalsgesellschaft organisiert.
„Viele Aussteller stellen die Kostüme aus Second-Hand-Kleidung selbst her“, erzählt Loth. Eines der Highlights für sie waren in diesem Jahr aufgehübschte Herrensakkos, bestückt mit Glitzer, Pailletten und anderen Applikationen. „Sowas habe ich noch selten gesehen“, schwärmt sie.
Es zeigt sich also: Jecke Traditionen und ihr umwelt- und sozialverträgliches Feiern müssen keineswegs Gegensätze sein. Vielmehr lassen sie sich – mit etwas Einfallsreichtum – kombinieren, ohne dass dabei der Spaß am närrischen Treiben verloren geht.
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