
Appell in Kolumbien: Alle Angriffe angesichts von Corona stoppen
Frieden ‐ Die Geschichte werde über die richten, die sich in dieser schwierigen Lage nicht auf die Seite des Lebens und der Menschlichkeit stellten, sagte der Leiter der Wahrheitskommission, Jesuitenpater Francisco de Roux.
Aktualisiert: 01.04.2020
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In Kolumbien hat die im Rahmen des Friedensprozesses tätige Wahrheitskommission angesichts der Corona-Krise alle illegalen bewaffneten Gruppen zu einem sofortigen Stopp der Gewalt aufgerufen. Die Geschichte werde über die richten, die sich in dieser schwierigen Lage nicht auf die Seite des Lebens und der Menschlichkeit stellten, sagte der Leiter der Wahrheitskommission, Jesuitenpater Francisco de Roux am Wochenende in einer Videobotschaft.
Während die Pandemie jeden Tag neue Schwierigkeiten bringe, gehe die Ermordung sozialer Aktivisten in verschiedenen Landesteilen einfach weiter, so de Roux. Zahlreiche Gemeinden litten weiterhin unter bewaffneter Konfrontation, Einschüchterung, Angst und Terror. Angesichts der derzeitigen Gefahren durch die Pandemie müsse nun die Solidarität, der Schutz des Lebens und der Gesundheit über allen politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Erwägungen stehen.
Aufgabe der Wahrheitskommission ist im Friedensprozess unter anderem die Aufarbeitung der während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs begangenen Gewalttaten. Im Jahr 2016 einigten sich der kolumbianische Staat und die linksgerichtete Guerilla-Organisation FARC auf einen Friedensvertrag. Im Land sind aber weiterhin rechtsgerichtete paramilitärische Banden und linksgerichtete Guerilla-Gruppen aktiv.
Kirche in Kolumbien begrüßt Waffenstillstand der ELN-Guerilla
Die katholische Kirche in Kolumbien hat die Ankündigung der marxistischen Guerilla-Organisation ELN begrüßt, ab dem 1. April einen einseitigen Waffenstillstand zu beginnen. Die Entscheidung sei für das kolumbianische Volk ein Zeichen der Hoffnung. Zugleich rief die Bischofskonferenz des Landes in einer am Montag (Ortszeit) veröffentlichten Mitteilung alle weiteren bewaffneten Gruppen auf, angesichts der Bedrohung durch das Coronavirus jegliche Gewalt einzustellen.
Die Ankündigung ihres Waffenstillstandes verband die ELN mit der Forderung an den rechtskonservativen Präsidenten Ivan Duque, die auf Eis gelegten Friedensgespräche in der kubanischen Hauptstadt Havanna im April wieder aufzunehmen, um einen bilateralen Waffenstillstand zu verhandeln. Vergangene Woche hatte die ELN laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz drei Geiseln freigelassen.
Präsident Duque hatte vor wenigen Wochen noch einmal die Bedingungen für eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit der ELN genannt. Wenn diese eine Verpflichtung gegenüber dem Frieden in Kolumbien habe, dann müsse sie alle Geiseln freilassen und ihre kriminellen Aktivitäten beenden.
Nach Schätzungen der Behörden verfügt die ELN über eine Truppenstärke von 2.500 Personen; sie ist überwiegend im Osten Kolumbiens aktiv. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehen jeweils rund 7.000 Morde und Entführungen, 3.000 Fälle von Landvertreibung und 1.000 Zwangsrekrutierungen auf das Konto der Gruppe. Die ELN wird zudem für schwere Umweltzerstörungen durch über 1.300 Anschläge auf Öl-Pipelines verantwortlich gemacht.
Im September 2016 hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Juan Manuel Santos ein Friedensabkommen mit der größten Rebellenorganisation des Landes, der FARC, geschlossen. Es beendete den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg. Für seinen Einsatz erhielt Santos 2016 den Friedensnobelpreis. Die entwaffnete FARC sitzt inzwischen als Partei im Parlament. Ein Teil ihrer Kämpfer verweigert sich dem Friedensprozess allerdings und setzt den bewaffneten Kampf fort.
Die Gespräche mit der ELN begannen im Februar 2017 noch unter der Regierung Santos und wurden im Mai 2018 nach Havanna verlegt. Nach einem Bombenattentat der ELN auf eine Polizeischule in Bogota, bei der im Januar 2019 insgesamt 22 Menschen starben und 66 Personen verletzt wurden, stoppte Kolumbiens Präsident Duque die Friedensgespräche.
© KNA