
Misereor warnt vor dreifacher Katastrophe in Ostafrika
Afrika ‐ Einige Regionen Ostafrikas kämpfen gleichzeitig gegen Überschwemmungen, Heuschreckenschwärme und die Corona-Pandemie an. Die Lebensgrundlage von Hunderttausenden Menschen ist bedroht, berichten Misereor-Partner und Fachleute.
Aktualisiert: 07.07.2020
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Corona, Heuschrecken, Überflutungen: „Die Lage in Ostafrika macht uns derzeit gewaltige Sorgen“, so Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. „Ich habe schon im Februar die Bedrohung durch Heuschrecken vor Ort selbst wahrgenommen. Einige Regionen Ostafrikas kämpfen jetzt nicht nur gegen die globale Corona-Pandemie an, sie sind gleich dreifach getroffen. Durch die parallelen Krisen ist die Lebensgrundlage von Hunderttausenden Menschen bedroht“. Die Situation sei dramatisch, berichten Misereor-Partner aus den besonders betroffenen Ländern Kenia und Äthiopien.
Schon seit Beginn des Jahres sind insbesondere der Süden Äthiopiens und weite Teile Kenias mit der schlimmsten Heuschreckenplage seit Jahrzehnten konfrontiert, es folgten Corona und die damit verbundenen Restriktionen im öffentlichen Leben. Nun haben starke Regenfälle insbesondere im Westen und den Küstenregionen Kenias zu Überflutungen geführt. „Nach aktuellem Stand sind insgesamt 800.000 Menschen von den Fluten betroffen. Es haben über 160.000 Menschen ihre Häuser verloren, 200 sind bislang in Folge der Katastrophe gestorben“, berichtet Katharina Götte, Kenia-Länderreferentin bei Misereor. Große Teile der Felder wurden überschwemmt, die Pflanzen zerstört. Viele Menschen stehen vor dem Nichts.
Und dies in einer ohnehin schon von Krisen geprägten Zeit, meint Götte: „Auch wenn nicht alle Regionen gleichermaßen stark von den stattfindenden Katastrophen betroffen sind, bedeutet die Häufung der Notlagen eine Überforderung der lokalen Verwaltung. Es gibt nicht genügend finanzielle Ressourcen, um der Bevölkerung zu helfen. Dabei haben bereits Anfang des Jahres Viehhirten und Kleinbauern durch die Heuschreckenplage große Verluste erlitten. Die Corona-Krise verschärft die Notlagen in den betroffenen Gebieten weiter.“
Die weiträumige Schließung der Flughäfen, Schulen, Restaurants und teilweise von Geschäften zur Vorbeugung einer Ausbreitung des Coronavirus hat darüber hinaus sowohl in Äthiopien als auch in Kenia die ärmeren Teile der Bevölkerung stark getroffen. Viele haben ihre Arbeit verloren, die Lebensmittelpreise sind im Gegenzug stark angestiegen, was die Situation noch verschärft.
Neben den anhaltenden, heftigen Regenfällen bereitet auch die derzeit brütende, nächste Generation der Heuschrecken Sorge. Für Dorothée Zimmermann, Äthiopien-Länderreferentin bei Misereor, stellt dies insbesondere in vielen Regionen des ländlich geprägten Südens Äthiopiens eine große Gefahr dar: „Man geht davon aus, dass die nächste Generation der Insektenschwärme noch um ein Vielfaches größer sein wird und somit noch mehr Schaden anrichten kann. Dabei sind die Weideflächen vieler Viehhirten bereits jetzt vernichtet. Die von der Landwirtschaft lebende Bevölkerung hat zudem schon große Teile der Ernten verloren.“
Als Methode zur Bekämpfung würden derzeit großflächig Insektizide eingesetzt, was wiederum negative Folgen nach sich ziehe: „Die verwendeten Mittel kontaminieren große landwirtschaftliche Flächen und töten auch nützliche Insekten. Die ökologischen Folgen sind dramatisch. Partner berichten, dass aus Angst vor den Folgen Bauern und Viehhalter die Ankunft der Schwärme nicht an die Behörden weitermelden.“
Unterstützung für Partner in Kenia und Äthiopien
Misereor finanziert aktuell vier Soforthilfemaßnahmen von Partnern in Kenia und Äthiopien mit insgesamt mehr als 140.000 Euro. Die lokalen Behörden befänden sich aufgrund der multiplen Krisen am Rande ihrer Kapazitäten, weshalb die Unterstützung gerade jetzt sehr wichtig sei, berichten Partner vor Ort. Sie können nun selbst aktiv werden und auch dank der zur Verfügung gestellten Mittel von Misereor den Menschen in ihrer Not helfen und Zukunftsperspektiven schaffen. So steht im Mittelpunkt der Arbeit des Äthiopischen Katholischen Komitees für Soziales und Entwicklungskoordination die mechanische Bekämpfung der Heuschrecken, erklärt die Äthiopien-Länderreferentin Zimmermann: „Die Soforthilfemaßnahme unseres Partners in der ländlichen 'South Omo Zone' zielt darauf ab, den betroffenen Landwirten und Viehhirten umweltfreundliche mechanische Methoden an die Hand zu geben, die sie ohne externe Unterstützung anwenden können. In Anbetracht der Dimension der Heuschreckenplage sind die staatlichen Strukturen längst an der Kapazitätsgrenze angelangt. Von dem Wissen profitieren die Menschen auch in Zukunft und können es anwenden.“ Des Weiteren ist ebenfalls Aufklärungsarbeit zum Coronavirus vorgesehen, um die Menschen zu sensibilisieren. In Kenia richtet der Misereor-Partner IMPACT sein Augenmerk auf die gezielte Ausbildung von Freiwilligen, um zum einen die Heuschreckenschwärme zu überwachen und so eine Bekämpfung zu erleichtern, und zum anderen die Aufklärung über das Coronavirus in der Bevölkerung zu unterstützen. Gleichzeitig seien die Organisationen IMPACT in Nanyuki, Cadamiac in Kisumu und die Kommission „Frieden und Gerechtigkeit“ in Bungoma vor Ort, um die Betroffenen der Überflutungen zu unterstützen. „Von den von Misereor zur Verfügung gestellten Mitteln können Lebensmittel und Produkte zur Basisversorgung beschafft werden. Darüber hinaus bringen unsere Partner einige der Menschen ohne Obdach an einem geschützten Schlafplatz unter“, erläutert Katharina Götte.© Text: Misereor