
Volkswagen zahlt 5 Millionen in brasilianischem Diktaturprozess
Brasilien ‐ Die Vorwürfe gegen Volkswagen standen seit Jahren im Raum: Der Autobauer soll in der Zeit der brasilianischen Diktatur mit dem Regime kollaboriert haben. Nun gibt es eine Vereinbarung - nicht alle Betroffenen sind damit zufrieden.
Aktualisiert: 24.09.2020
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Die Vorwürfe gegen Volkswagen standen seit Jahren im Raum: Der Autobauer soll in der Zeit der brasilianischen Diktatur mit dem Regime kollaboriert haben. Nun gibt es eine Vereinbarung - nicht alle Betroffenen sind damit zufrieden.
Wegen der Zusammenarbeit mit dem Militärregime in den 1970er-Jahren wird der Volkswagenkonzern etwa 5,5 Millionen Euro zahlen. Im Gegenzug entgeht der Konzern dank einer Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft einem Prozess in Brasilien, wie Medien (Mittwochabend Ortszeit) berichten. Volkswagen soll während der Diktatur (1964-1985) mehrere Arbeiter an die Sicherheitsbehörden ausgeliefert und die Folter von Gewerkschaftern auf dem Werksgelände ermöglicht haben.
Opfervertreter kritisierten den ohne ihre Mitwirkung abgeschlossenen Vergleich gegenüber der Katholischen Nachrichtenangentur (KNA). Am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) will VW den Vergleich in Sao Paulo unterzeichnen.
Seit 2015 beschäftigte sich die Staatsanwaltschaft in Sao Paulo mit dem Fall. Damals reichten ehemalige Arbeiter des VW-Werkes eine Sammelklage gegen den Autobauer ein. Volkswagen hatte seinerseits zwei Historiker mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beauftragt. Vor drei Jahren wurde der Bericht schließlich veröffentlicht, in dem die politischen Verhaftungen auf dem Werksgelände sowie das Ausspionieren der Belegschaft bestätigt wurde. Allerdings kam der Bericht zu dem Schluss, dass die Kollaboration mit dem Regime im Jahr 1979 endete.
Dieser These widerspricht Sebastiao Neto, der die Kollaboration von Volkswagen für die 2011 eingerichtete Wahrheitskommission über Menschenrechtsvergehen während der Diktatur aufgearbeitet hat. Derzeit vertritt Neto eine Gewerkschaftskommission, die VW-Opfer begleitet. So sei die Zusammenarbeit mit dem Regime noch bis Anfang der Achtzigerjahre fortgesetzt worden, also während der Zeit der großen Streiks in der brasilianischen Automobilindustrie. Zudem warf Neto VW vor, die Verhandlungen über Entschädigungen alleine mit der Justiz, jedoch nicht mit den Opfervertretern geführt zu haben.
Die nun mit der Staatsanwaltschaft vereinbarte Summe wird zu einem Teil an eine Stiftung ehemaliger VW-Arbeiter spenden, die nachweislich von der Verfolgung betroffen waren. Es geht um circa 60 Personen. Allerdings komme die Vereinbarung für die am schwersten betroffenen Arbeiter zu spät, erinnert Neto. So starb Lucio Bellentani, der nachweislich auf dem Werksgelände in Sao Bernardo do Campo gefoltert wurde, 74-jährig im vergangenen Jahr, „ohne jemals eine Entschädigung oder eine Entschuldigung von VW erhalten zu haben“, so Neto.
Zudem spendet Volkswagen Gelder an Menschenrechtsorganisationen und Universitäten, die Projekte zur Aufarbeitung der Diktaturzeit unterhalten. In einer Pressemitteilung kritisierten Opfervertreter am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) den Spendencharakter der Zahlungen. „Volkswagen geht es um sein Image und sein Marketing. Die zu leistenden Spenden werden von dem Unternehmen als Wohltat und nicht wie eine Wiedergutmachung für sein Komplizentum mit der Diktatur dargestellt. So gesehen kommt Volkswagen sauber aus der Sache raus“, so der Pressetext.
Von Thomas Milz (KNA)