Lateinamerikas Kirche wird zum Rettungsanker in der Pandemie

Lateinamerikas Kirche wird zum Rettungsanker in der Pandemie

Lateinamerika ‐ Die Corona-Pandemie hat in Lateinamerika katastrophale Auswirkungen. Die katholische Kirche ist angesichts explodierender Armutszahlen vielerorts eine wichtige Anlaufstelle für Hilfesuchende.

Erstellt: 08.10.2020
Aktualisiert: 08.10.2020
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Die Corona-Pandemie hat in Lateinamerika katastrophale Auswirkungen. Die katholische Kirche ist angesichts explodierender Armutszahlen vielerorts eine wichtige Anlaufstelle für Hilfesuchende.

Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Hiobsbotschaften aus Argentinien die Dramatik der Corona-Pandemie deutlich machen. Das Heimatland von Papst Franziskus erfährt die Auswirkungen der Krise in diesen Tagen mit voller Wucht. Die Infektions- und Todeszahlen explodieren; die Armutsrate steigt angesichts eines wochenlangen Lockdowns auf über 40 Prozent.

Das Erzbistum Corrientes im Nordosten des Landes hat nun seine Priester aufgerufen, ihre solidarische Arbeit stärker bekannt zu machen, um die Bevölkerung zu Spenden zu ermuntern. Neben der Corona-Krise ist die Kirche noch mit einem zweiten Problem konfrontiert: Sie muss finanziell unabhängiger von staatlichen Einnahmen werden. Eine Caritas-Kollekte vor wenigen Wochen ergab ein außergewöhnlich gutes Ergebnis.

Im Nachbarland Chile helfen mehr als 3.800 Freiwillige, um rund eine Million Mahlzeiten an Bedürftige zu verteilen. Mehr als 75 Prozent der Helfer sind Frauen. Schlüssel ist das Netzwerk der Caritas im Verband mit den Bistümern. Es ermöglicht, die Verwundbarsten der Gesellschaft direkt zu erreichen.

Lateinamerika ist weiter Epizentrum der Corona-Pandemie. Die Zahl der Infizierten hat die zehn Millionen überschritten; mehr als 350.000 Menschen sind laut WHO an oder mit dem Virus gestorben, berichtet das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat (Donnerstag). Und das ist erst der Anfang. Fast alle Wirtschaftsprognosen sagen für die Weltregion herbe Einbrüche der Volkswirtschaften voraus. Massenarbeitslosigkeit und neue Migrationsbewegungen könnten die Folge sein.

Gemeinsam mit seinen Projektpartnern hat Adveniat bereits 400 Projekte mit knapp sieben Millionen Euro im Rahmen der Corona-Nothilfe unterstützt, um die Menschen direkt medizinisch sowie mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln zu versorgen. Weitere Maßnahmen seien dringend nötig. „Denn in der Region kommen gleich mehrere Probleme zusammen, die eine starke Ausbreitung des Virus begünstigen: Große Armut, gepaart mit prekären und engen Wohnverhältnissen von Millionen Menschen, lässt die notwendige Distanz nicht zu“, so Adveniat-Hauptgeschäftsführer Michael Heinz im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Hinzu kämen verantwortungslose Regierungen sowie schlecht ausgestattete öffentliche Gesundheitssysteme.

Gleichzeitig steige der Druck auf die Regierungen, die strengen Ausgangssperren und die Beschränkungen der ökonomischen Aktivitäten zu lockern, so der Ordensmann. „Denn die fragilen Volkswirtschaften drohen nach mehrmonatiger Quarantäne zu kollabieren.“ Vor allem jene Millionen Lateinamerikaner, die ohne soziale Absicherung von dem leben, was sie täglich erarbeiten, wollten nicht länger zuhause bleiben. „Wenn uns nicht das Virus tötet, tut es der Hunger“, kritisieren sie. „Deshalb ist die Hilfe von Adveniat zurzeit wichtiger denn je – Gott sei Dank wissen das auch unsere Spender“, so Heinz.

Es ist allerdings nicht nur die konkrete Hilfe, die die Kirche in der Pandemie leisten kann. Erzbischof Jose Antonio Eguren aus Piura y Tumbes in Peru spricht auch jenen Mut zu, die ganz weit vorne gegen das Virus kämpfen. „Wir verneigen uns vor allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen, die seit dem ersten Tag der Notlage am Rande ihrer Leistungsfähigkeit arbeiten und sich in der Frontlinie des Kampfes befinden, um das Leben infizierter Menschen zu retten.“

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Von Tobias Käufer (KNA)

 © Text: KNA