
Aachener Friedenspreis für katholischen Pfarrer in Marokko
Frieden ‐ In diesem Jahr bekommt ein katholischer Priester in Marokko den Aachener Friedenspreis. Er kümmert sich um minderjährige Flüchtlinge. Einen normalen Alltag kennt er nicht. Jeder Tag ist anders.
Aktualisiert: 09.12.2020
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In diesem Jahr bekommt ein katholischer Priester in Marokko den Aachener Friedenspreis. Er kümmert sich um minderjährige Flüchtlinge. Einen normalen Alltag kennt er nicht. Jeder Tag ist anders.
Weiter, immer weiter – dieser Appell wird in den Medien häufig Oliver Kahn zugeschrieben. Ein Ausruf, der motiviert – bei der Arbeit oder einem Projekt. Er kann einem aber auch in den Sinn kommen, wenn man den Alltag und die Projekte des diesjährigen Preisträgers des Aachener Friedenspreises ansieht.
Der katholische Priester Antoine Exelmans bekommt die Auszeichnung für seine Arbeit in der Organisation „Vivre l'Espoir“ (Hoffnung Leben). Er und sein Team leiten ein Zentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der marokkanischen Stadt Oujda. Seine Tage sind, wie er im Skype-Gepräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt, lang, ermüdend, niemals eintönig, aber immer erfüllend. „Die jungen Menschen wollen einfach leben, und die Chancen dafür wollen wir verbessern“, erklärt der Franzose Exelmans seine Motivation. Dabei erkennt man noch durch die Laptop-Kamera den Tatendrang hinter den runden Brillengläsern. „Sie sollen leben, und zwar in Frieden“, sagt er.
Trotz oder wegen der momentan schwierigen Situation werde der Pfarrer nicht aufhören, für die jungen Menschen zu kämpfen. „Sie verdienen, dass man sich für sie einsetzt und sie nicht allein lässt“, sagt er ernst. Oft hätten sie niemanden mehr und seien auf sich gestellt. Einen richtigen Alltag gebe es in dem Hilfszentrum für Flüchtlinge nicht. Aber Tag und Nacht, „ob sie lachen oder oft weinen“, immer ist Exelmans für die oft traumatisierten Jugendlichen da. Er hört ihnen zu und sucht Lösungen, für Probleme, an die man im Alltag in Deutschland kaum denkt. Dafür erhält der Pfarrer am Internationalen Tag der Menschenrechte nun den Aachener Friedenspreis.
Exelmans und sein Team unterstützen nach eigenen Angaben mit Hilfe von Caritas international seit dreieinhalb Jahren Flüchtlinge an der algerischen Grenze, die auf ihrem langen Weg über den Kontinent Marokko erreichen. Um sie vor Menschenhändlern, Erpressung und Misshandlung zu schützen, bringt sie der Priester im Gemeindezentrum und bei Überfüllung in der Kirche unter. Die Corona-Krise habe die Lage zusätzlich erschwert. Vieles, was früher selbstverständlich und einfach zu organisieren gewesen sei, brauche jetzt mehr Aufwand.
Der Laudator und Linken-Politiker Gregor Gysi fordert in seiner Videobotschaft mehr Aufmerksamkeit für die Projekte und die Arbeit von Hilfsprojekten wie die von Exelmans. Das Projekt „Vivre l“Espoir“ sei „ein Ort des Verweilens, von Schutz und Perspektivfindung“. Oft hätten Familien zusammengelegt, um die Flucht zu ermöglichen. „Auch das Gefühl, mit leeren Händen zurückzukehren, darf man nicht unterschätzen“, mahnt der langjährige Bundestagsabgeordnete. Da sich die EU gegen Flüchtlinge abschotte, bleibe oft nur der Verbleib in Marokko. Die Perspektive sei Integration.
Gysi fordert verbesserte Rahmenbedingungen für die Arbeit zugunsten von Flüchtlingen. Der Preis sei ein Zeichen: „Wir bringen zum Ausdruck, dass sich die Politik endlich ändern muss, um die Rechte der Ärmsten und Schwächsten endlich angemessen zu berücksichtigen.“
Die Preisverleihung soll die Geehrten und ihre Arbeit in den Mittelpunkt stellen, erklärte der Verein Aachener Friedenspreis. Volle Aufmerksamkeit gebühre „den wunderbaren Menschen“, so eine Vereinssprecherin. „Sie sollen wahrgenommen und geschützt werden. Wir sind dafür nur ein Vehikel.“ Neben Exelmans geht die Auszeichnung auch an die brasilianische Menschenrechtsorganisation Centro Gaspar Garcia.
Der Aachener Friedenspreis wurde 1988 erstmals verliehen. Ziel ist, Frauen, Männer oder Gruppen zu würdigen und vorzustellen, die „von unten her“ zu Frieden und Verständigung beitragen. Traditionell wird der mit jeweils 2.000 Euro dotierte Preis am Antikriegstag am 1. September vergeben, in diesem Jahr pandemiebedingt aber erst am 10. Dezember. 2019 wurden der „Initiativkreis gegen Atomwaffen in Büchel“ und das Netzwerk „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt!“ geehrt. Eine Anerkennung für Helfer, die trotz der Widrigkeiten weiter, immer weiter machen.
Von Christian Michael Hammer (KNA)
© Text: KNA