Sicherheitslage in Mali spitzt sich weiter zu

Sicherheitslage in Mali spitzt sich weiter zu

Afrika ‐ Trotz großer Präsenz internationaler Streitkräfte nimmt vor allem in Zentralmali die Gewalt weiter zu. Längst sind dafür nicht nur Dschihadisten verantwortlich, sondern auch Banditen und Selbstverteidigungsmilizen.

Erstellt: 24.01.2021
Aktualisiert: 23.03.2023
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Trotz großer Präsenz internationaler Streitkräfte nimmt vor allem in Zentralmali die Gewalt weiter zu. Längst sind dafür nicht nur Dschihadisten verantwortlich, sondern auch Banditen und Selbstverteidigungsmilizen.

Bertine Yakou ist wütend. Der 28-Jährige, der in Malis Hauptstadt Bamako Zahnpasta, Kaugummis und Seife verkauft, spricht laut und aufgeregt. Er trägt ein dunkelblaues Poloshirt und nickt mit dem Kopf in Richtung „Platz der Unabhängigkeit“. Rund um den Kreisverkehr hätte eigentlich am Mittwochnachmittag eine Demonstration gegen die Präsenz der französischen Streitkräfte stattfinden sollen. Die wurde aber kurzfristig verboten, offiziell um die Ausbreitung von Corona zu vermeiden. Yakou und rund 30 weitere junge Männer sind dennoch gekommen und lassen sich auch vom Tränengas der Polizei nicht abhalten. „Wir sind für unser Land hier“, sagt er.

Doch dem Land geht es zunehmend schlecht. „Die Lage hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren weiter zugespitzt“, sagt Juan Carlos Cano, Projektverantwortlicher für „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) in Mali. Die Mitarbeiter, die unter anderem in den Regionen Gao im Norden und Mopti im Zentrum in Krankenhäusern und mobilen Kliniken im Einsatz sind, versorgen jede Woche Menschen, die bei Angriffen verletzt wurden. Zum Konzept gehört auch, Ersthelfer in den Dörfern auszubilden. Sie können die Bewohner versorgen, wenn Straßen zum nächsten Krankenhaus nicht mehr passierbar sind.

Dass sich die Gewalt weiter ausbreitet, hat eine Reihe von Ursachen. Ende 2011 rebellierten im Norden Tuareg, einige forderten einen eigenen Staat. Im März 2012 folgte ein Staatsstreich und die Besetzung des Nordens durch islamistische Gruppen. Das sollte vor acht Jahren die französische Mission „Serval“ ändern, die anfangs ausgerechnet am „Platz der Unabhängigkeit“ bejubelt wurde. Doch sie verscheuchte die Terroristen nur für eine gewisse Zeit. Heute sind sie längst zurück und destabilisieren auch Zentralmali, wo sie lokale Konflikte anstacheln. Dort kommt es zudem zu Ausschreitungen zwischen lokalen Ethnien, die längst eigene Milizen haben.

„Bringt jemand die Menschen auseinander, so schwächt er ein ganzes Land“, sagt Sekou Konare, Generalsekretär der malischen Menschenrechtsorganisation AMDH. Er beobachtet, dass das Land mit seinen gut 20 Millionen Einwohnern zunehmend zu einem rechtsfreien Raum wird, offen für alle, Terroristen wie Banditen. Denn längst ist nicht jeder Überfall ein Terroranschlag. Für Angst und Unsicherheit sorgen etwa auch illegale Straßensperren, an denen Geld erpresst wird.

Daran ändert die große Präsenz der internationalen Streitkräfte nichts. Die größte ist die UN-Stabilisierungsmission für Mali (Minusma) mit einem Mandat von mehr als 13.000 Soldaten. Die Bundeswehr kann davon bis zu 1.100 stellen. Dazu kommen die EU-Ausbildungsmission EUTM, bilaterale Missionen sowie die französische Anti-Terroroperation „Barkhane“ mit 4.500 Soldaten. 

Gegen die richtet sich gerade der Zorn. „Die Franzosen sind jetzt seit acht Jahren hier“, kritisiert Demonstrant Bertine Yakou, „aber wir sehen keine Ergebnisse“. Er empfindet die Präsenz als Fremdbestimmung und als Rückkehr der einstigen Kolonialmacht. Repräsentative Umfragen, wie stark aktuell die Vorbehalte gegen „Barkhane“ sind, gibt es nicht.

Um die Lage in Mali zu ändern, braucht es nach Ansicht des Juristen und Menschenrechtlers Sekou Konare einen Aufbau staatlicher Strukturen in ländlichen Regionen. In einem Flächenstaat von mehr als 1,2 Millionen Quadratkilometern – mehr als dreimal so groß wie Deutschland – ist das aber schwierig. In ihrem jüngsten Hirtenbrief betont die katholische Bischofskonferenz zudem, dass staatliche Einrichtungen weder Frieden und Sicherheit garantierten noch für Vertrauen sorgten.

Aktuell trägt dazu die unsichere politische Lage bei. Im August wurde Präsident Ibrahim Boubacar Keita gestürzt, dessen Regime schon lange als gescheitert galt. Während anfangs das Militär bejubelt wurde, hat sich in Mali längst Ernüchterung breitgemacht. Es gibt Zweifel, dass der Übergangsrat tatsächlich bis März 2022 Wahlen organisieren wird. Choguel Maiga, Sprecher der Bewegung M5-RFP, die vor dem Putsch Proteste gegen Keitas Regierung organisiert hatte, spricht von einem verdeckten Militärregime, das unrechtmäßig an der Macht sei.

Von Katrin Gänsler (KNA)

© Text: KNA