Schick: „Eine der wichtigsten und gefährlichsten Reisen von Franziskus“
Weltkirche ‐ Im Interview zieht Bambergs Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Bilanz über den Besuch von Papst Franziskus im Irak. Schick selbst war bereits mehrfach in dem gebeutelten Land.
Aktualisiert: 08.09.2022
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Eigentlich hätte der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick bei der Reise von Papst Franziskus in den Irak dabei sein sollen. Doch die Vorschriften aufgrund der Corona-Pandemie machten es unmöglich. Schick war schon zweimal im Irak. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zieht der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz Bilanz über den Besuch des Kirchenoberhaupts in einem gebeutelten Land.
Frage: Wie haben Sie die Reise wahrgenommen?
Schick: Ich empfand sie als sehr bewegend. Mich hat es gefreut, dass der Papst den Irak überhaupt besuchen konnte und dass er den Mut dazu hatte. Es war sicher eine der wichtigsten und gefährlichsten Reisen von Franziskus. Ich hoffe, dass sich dadurch etwas bewegt im Irak, ein Versöhnungs- und Friedensprozess in Gang kommt.
Frage: Sie waren selbst schon zweimal in dem Land.
Schick: Ja, zuletzt im April vor drei Jahren, kurz nach der militärischen Niederlage des sogenannten Islamischen Staates. Ich habe damals auch in jener Kirche in Karakosch Gottesdienst gefeiert, in der der Papst am Sonntag das Angelus-Gebet gesprochen hat. Diese war damals eine Ruine, vom IS zerstört. Jetzt habe ich gesehen, wie schön das Gotteshaus wieder hergerichtet ist. An einen Besuch in Mossul war vor drei Jahren aus Sicherheitsgründen noch nicht zu denken.
Frage: Welche Botschaft des Papstes ist für Sie zentral?
Schick: Mir sind drei Begriffe hängen geblieben: Vergebung, Frieden und Geschwisterlichkeit. Und Franziskus hat immer wieder die Bedeutung eines dauerhaften ehrlichen Dialogs betont. Mir hat seine Ansprache in Ur sehr gefallen, in der er dazu aufruft, in den Himmel zu schauen, die Sterne zu sehen und letztlich dahinter den einen und einzigen Gott – so wie Abraham. Schaut auf den Himmel und geht los in einem Dialog der Geschwisterlichkeit, der Vergebung und des Friedens. Dann wird auch der Irak zu einem gelobten Land werden. Er fordert vor allem die Religionen auf, sich auf den Frieden zu besinnen und dafür zu wirken. Das ist eine starke Botschaft!
Frage: Hat da allein die Reise von Franziskus schon etwas verändert?
Schick: Die Erklärung des Schiitenführers Ajatollah al-Sistani nach dem Treffen mit dem Papst ist bemerkenswert, wenn er betont, dass die Christen zum Irak gehören und wie alle Iraker in Frieden und Sicherheit leben können müssen und er sich dafür einsetzen will. Das waren schon hoffnungsvolle Worte. Auch für die Jesiden ist der Irak Heimatland.
Frage: Nun ist ja der Irak nicht das einzige Land in der Region, das Frieden braucht.
Schick: Aber es ist ein wichtiges Land für die gesamte Region. Deshalb ist es so entscheidend, was dort passiert. Zum einen geht es darum, dass zwischen den Schiiten und Sunniten Frieden möglich wird. Das hätte sicher positiven Einfluss auf viele andere Länder im Nahen Osten: den Iran, Syrien, aber auch auf die Türkei mit den Kurden. Der Irak würde zu einem Stabilitätsfaktor für die gesamte Region.
Frage: Was kann die Kirche in Deutschland hier tun?
Schick: Wir müssen zunächst die Christen im Irak unterstützen, damit sie wieder dauerhaft dort leben können. Ganz wichtig ist der Wiederaufbau der kirchlichen Schulen, Kindergärten und auch Universitäten. Denn die besuchen auch viele Muslime. Das trägt zur Verständigung bei. Wir haben es in der Flüchtlingskrise gemerkt: Wir leben in einer globalen Welt. Wenn im Irak Bürgerkrieg ist, wirkt sich das auch bei uns in Deutschland aus. Friede bereichert immer die ganze Menschheit, Kriege und Terror machen immer alle Menschen ärmer.
Frage: Können die vier Tage im Irak auch ein Impuls für den interreligiösen Dialog in Europa, etwa auch in Deutschland sein?
Schick: Der Appell des Papstes an die Religionen, sich für den Frieden einzusetzen, der gilt auch für Europa und für Deutschland. Franziskus hat da starke Worte gefunden. Wichtig ist, dass dieser Dialog dauerhaft ist, um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen. Friede, auch unter den Religionen, ist nie ein Dauerzustand, es muss immer wieder neu errungen und gestaltet werden. Das Treffen mit dem Schiitenführer ist auch ein Signal an die muslimische Gemeinschaft, den Frieden miteinander weltweit zu suchen und die innermuslimischen Konflikte zu beenden.
Von Christian Wölfel (KNA)
© Text: KNA