„Das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens ist außer Reichweite gerückt"
Weltklimakonferenz COP26 ‐ Über 30.000 Menschen befinden sich derzeit im schottischen Glasgow und verhandeln auf dem Klimagipfel COP26 über die konkrete Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Die Steyler Missionsschwester Ida Haurand ist vor Ort und berichtet von ersten „Meilensteinen“, die beschlossen worden seien. Doch mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel zeigt sie sich in ihrer Zwischenbilanz pessimistisch.
Aktualisiert: 11.07.2022
Lesedauer:
Über 30.000 Menschen befinden sich derzeit im schottischen Glasgow und verhandeln auf dem Klimagipfel COP26 über die konkrete Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Die Steyler Missionsschwester Ida Haurand ist vor Ort und berichtet von ersten „Meilensteinen“, die beschlossen worden seien. Doch mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel zeigt sie sich in ihrer Zwischenbilanz pessimistisch.
Eine überdimensionale Sitzecke wie aus dem IKEA-Katalog: gelbe Sessel, schwarz-weiß-geringelte Kissen und Abstelltischchen. Darüber ragt imposant eine Weltkugel – sie dreht sich langsam, den ganzen Tag lang, als würde sie sagen wollen – auch wenn ihr 30.000 Menschen hier drin in einen anderen Kosmos eingetaucht seid – die Welt dreht sich weiter, langsam aber unaufhaltsam.
Während die Staatschef*innen und Unterhändler*innen der fast 200 anwesenden Staaten verhandeln, unzählige Events und Diskussionsrunden stattfinden und die Mitarbeiter*innen in den unterschiedlichen Ausstellungspavillons gratis Kaffee verteilen, gibt es unzählige Menschen, für die diese Konferenz entscheidend, ja sogar existentiell ist. Der Präsident der Malediven fragte in seinem Statement zu Beginn der Konferenz: „What will it take for you to listen to us?“.
Auch wenn wir hier alle auf den gleichen IKEA-Sesseln sitzen und beim Warten in der Schlange zur Security Kontrolle gleichermaßen von der Höflichkeit der Schotten begeistert sind: Es gibt ein „Wir“ und ein „Ihr“. Auf der einen Seite sind diejenigen, die sich um ihre Wirtschaft, Arbeitsplätze und die ein oder andere Überschwemmung sorgen. Auf der anderen Seite sind die Menschen, die bei einer Erderwärmung von 2 Grad Celsius oder mehr ihren Lebensraum verlieren werden. Der derzeit unkontrollierte Anstieg des Meeresspiegels wird dazu führen, dass Inselstaaten ganz von der Landkarte verschwinden und andere besonders vulnerable Länder extremen Schaden erleiden.
„So wie es derzeit ausschaut, steuern wir mit den aktuellen Vereinbarungen auf eine Erwärmung von etwa 1,8 - 2,7 Grad Celsius zu.“
Wir alle wissen, diese betroffenen Länder sind diejenigen, die am wenigsten zur globalen Erderwärmung beigetragen haben und wir alle wissen, wer die Verantwortung für die Jahrzehnte lang unkontrolliert ausgestoßenen Emissionen trägt. Nein, es sind nicht China und Indien. Vor diesem Hintergrund wirken die Selbstverpflichtungen und das Geld, das auf dem Tisch liegt und seinen Besitzer wechselt eher wie Alibis. Und trotzdem wurden einige Meilensteine beschlossen: Die Abholzung großer Teile der weltweiten Wälder soll bis 2030 gestoppt werden, zahlreiche Länder wollen ihren Methanausstoß radikal senken, die Landwirtschaft soll klimafreundlicher werden und zu guter Letzt wurde eine Allianz gegründet, die einen Kohleausstieg zwischen 2030-2040 anstrebt.
Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens ist trotz der ambitionierten Ziele außer Reichweite gerückt. Ein Problem ist, dass die Vereinbarungen zwar völkerrechtlich bindend sind, es jedoch keinen Strafenkatalog für das Nichteinhalten der Ziele gibt. So wie es derzeit ausschaut, steuern wir mit den aktuellen Vereinbarungen auf eine Erwärmung von etwa 1,8 – 2,7 Grad Celsius zu. Das drückt die Stimmung in Glasgow nur außerhalb des inneren Kreises, der „Blue Zone“. Draußen in der Stadt und vor dem Messegelände demonstrieren tausende Menschen, „Stopp killing us“ ist ein präsenter Slogan. Greta Thunberg nannte die COP26 plakativ „Greenwashing“. In der Blue Zone wird dies nicht so direkt ausgesprochen. Ex-Präsident Obama, der mit seinem Privat-Jet, für einen Tag vorbeikam, forderte die Jugend auf weiter „angry“, wütend, zu sein. Das wird wohl so sein. Mit oder ohne seinen Appell.
Von Sr. Ida Haurand SSpS
Bild: Christian Schnaubelt/DPSG