auf einem offenen Platz steht ein mit weißer Farbe bestrichener Steinaltar, dahinter zahlreiche Steinbänke

Terror in Burkina Faso gefährdet Frieden der Religionen

Ouagadougou ‐ Der Sahelstaat Burkina Faso erlebt derzeit die schwerste Krise seit seiner Unabhängigkeit 1960. Terroranschläge sind allgegenwärtig. Da die Drahtzieher nicht bekannt sind, wächst das Misstrauen.

Erstellt: 12.12.2021
Aktualisiert: 19.03.2024
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Jacob Ouermi, seine Frau Elisabet und die sieben Kinder haben überlebt. Aus ihrem Dorf im Nordwesten von Burkina Faso retteten sie sich zuerst in die Kleinstadt Titao und von dort in die Provinzhauptstadt Ouahigouya. Seit einem guten Jahr lebt die Familie dort in einem kleinen Haus - und weiß häufig nicht, wie sie sich versorgen soll. Vor allem darf niemand krank werden. Die zusätzlichen Kosten wären eine Katastrophe.

Genauso belastend sind für die Ouermis die Erinnerungen an die Anschläge, die Flucht und die Furcht, sobald sie ein seltsames Geräusch hören. Seit 2016 verüben islamistische Terrorgruppen schwere Angriffe im Norden des Sahelstaates; Tausende Menschen wurden ermordet, mehr als 1,4 Millionen sind auf der Flucht. Jacob Ouermi, der vor seiner Flucht Katechist in seiner Kirchengemeinde war, hat das Vertrauen verloren.

Dabei galt Burkina Faso mit Blick auf das Zusammenleben der Religionen stets als Vorbild für ganz Westafrika. Etwa bei der Besetzung politischer Ämter spielte die Religionszugehörigkeit keine Rolle. „Das Leben von Katholiken und Muslimen war ganz eng miteinander verbunden“, sagt Ouermi. Im Land heißt es gerne, dass es keine Familie gebe, in der nicht Christen und Muslime zusammenleben. Von der Gewalt sind beide Religionen gleichermaßen betroffen.

Jacob Ouermi sagt aber: „Es ist nicht mehr wie früher. Man ist misstrauisch geworden.“ Denn klar ist nicht, welche Ziele die malische Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime (JNIM), der Islamische Staat der größeren Sahara (EIGS) sowie die im Land gegründete Bewegung Ansarul Islam verfolgen. Anders als in Mali haben sie bislang keine Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht, um dort einen radikalen Islam einzuführen. Nach Attacken auf Schulen – mehr als 2.600 bleiben in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen geschlossen – berichteten Augenzeugen allerdings, dass die Angreifer für den Unterricht Arabisch statt der offiziellen Landessprache Französisch gefordert hätten.

Dass das Misstrauen zunimmt, erlebt auch der Priester Victor Ouedraogo, Kommunikationsdirektor der Diözese Ouahigouya. Man befürchte, dass Angriffe „im Namen der Religion“ verübt werden. Anzeichen für eine offene Krise gebe es aber bislang nicht. In der Region seien rund 90 Prozent Muslime; Christen seien mit etwa 7 Prozent eine kleine Minderheit. „Die Religion ist nicht das Problem – aber jene, die sie manipulieren.“

Für Ouedraogo ist deshalb umso wichtiger, einen Dialog zu stärken. Gerade Frauengruppen beider Religionen haben Programme und Hilfsinitiativen entwickelt und treffen sich regelmäßig. Ihre Bedeutung werde oft vergessen in einer Situation, in der nach Einschätzung des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) etwa jeder sechste der gut 21 Millionen Einwohner auf Unterstützung angewiesen ist.

„Natürlich ist die Grundversorgung der Binnenflüchtlinge wichtig“, sagt der Priester; „man darf aber die Ursachen der Krise nicht vergessen: Der Frieden fehlt“. Würden die Ursachen nicht bekämpft, gebe es auch weiter Binnenflüchtlinge zu versorgen. Entwicklung sei nicht möglich. „Es muss uns gelingen, dass die verschiedenen Religionen nicht gespalten werden.“

„Die Religion ist nicht das Problem - aber jene, die sie manipulieren.“

—  Zitat: Pfarrer Victor Ouedraogo

Am Rande der Hauptstadt Ouagadougou, gut drei Autostunden südlich, hat Adama Sawadogo bislang noch nichts von diesem Misstrauen gespürt. Der Muslim ist ein Binnenflüchtling aus Djibo. Die Stadt, die ebenfalls im Nordwesten liegt, war bis zur Krise ein wichtiges Handelszentrum mit einem großen Viehmarkt. „Ich bin Muslim. Auch ich musste flüchten. Niemand macht in der Not einen Unterschied.“

Um ein Zeichen zu setzen, hat der Archäologe deshalb mit Unterstützung von Freunden aus Frankreich Notunterkünfte für Binnenvertriebene gebaut. Sie sind winzig, das eine oder andere Dach undicht, aber eine Anlaufstelle. „Hier fragen wir doch nicht, wer welche Religion hat“, sagt Sawadogo – „wir stehen alle vor den gleichen Problemen“.

Von Katrin Gänsler (KNA)

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