Langjähriger Renovabis-Geschäftsführer Haneke verabschiedet
Freising ‐ Bei Renovabis war Haneke zunächst für die Kommunikationsarbeit verantwortlich, dann wurde er Geschäftsführer für die Projektarbeit. Im Interview berichtet der 66-jährige gebürtige Düsseldorfer über seine Begeisterung für die Länder und Menschen Osteuropas, über Projekte, die ihm ans Herz gewachsen sind - und über die Situation in der Ukraine.
Aktualisiert: 14.02.2022
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Im Jahr 2001 wechselte Burkhard Haneke von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung zum katholischen Osteuropahilfswerk Renovabis. Anfangs war er dort für die Kommunikationsarbeit verantwortlich, später als Geschäftsführer für die Projektarbeit. Nun ist der 66-jährige gebürtige Düsseldorfer in den Ruhestand gegangen. Im Interview berichtet er über seine Begeisterung für die Länder und Menschen Osteuropas, über Projekte, die ihm ans Herz gewachsen sind - und über die Situation in der Ukraine.
Frage: Herr Haneke, nach fast 21 Jahren ist Ihre Zeit bei Renovabis nun zu Ende gegangen. Was bleibt Ihnen vor allem in Erinnerung?
Haneke: Ich durfte hautnah miterleben, wie sich die Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa nach der Wende 1989 in positiver Weise entwickelt haben. Für die Kirchen, von denen viele verfolgt worden waren, taten sich neue Freiheiten auf. Glaube und Religiosität konnten sich entfalten. Aber es fehlte an Ressourcen. Das Osteuropahilfswerk der deutschen Katholiken konnte mit Rat und finanziellen Mitteln helfen, Strukturen aufzubauen, auch für die soziale Arbeit. Bis jetzt höre ich bei meinen Begegnungen, wie dankbar man Renovabis dafür ist, dass wir bei vielen Projekten „Geburtshelfer“ waren.
Frage: Was war Ihre Aufgabe?
Haneke: Anfangs war ich für die Inlandsarbeit zuständig. Dabei haben wir auch versucht, nicht nur die Herzen der Menschen für die Anliegen unserer Partner in Osteuropa zu öffnen, sondern auch die Geldbörsen. Das ist in einer wunderbaren Weise gelungen. Gingen 2001 etwa 4,2 Millionen Mark an Spenden ein, so sind es selbst im zweiten Corona-Jahr 2021 ganze 8,8 Millionen Euro gewesen. Später übernahm ich dann Verantwortung in der Projektarbeit.
Frage: Sie haben unter anderem Slawistik studiert. Woher kommt diese Begeisterung für Osteuropa?
Haneke: Russisch habe ich gelernt, um die entsprechende Literatur lesen zu können. Und mein Interesse galt auch der Geschichte Osteuropas. Ich war als Kind meiner Generation immer ein begeisterter Europäer und habe mich für das Zusammenwachsen der Länder, auch im christlichen Geist, engagiert. Mitzuhelfen, dass Ost und West sich näherkommen, war nach der „Wende“ auf einmal möglich. Meine Ausbildung als Philosoph, Theologe, Slawist und Politologe kam da gelegen.
Frage: Zuletzt waren Sie für die Projektzusammenarbeit tätig. Gibt es Projekte, die Ihnen besonders ans Herz gewachsen sind?
Haneke: Dazu gehören die in Bosnien-Herzegowina aufgebauten Europaschulen in der Erzdiözese Sarajewo und in Banja Luka. Inzwischen gibt es sieben Zentren mit 14 Schulen im Primär- und Sekundärbereich. Dort werden Kinder der verschiedenen Ethnien und Religionen unterrichtet. Sie stammen aus Familien, die vor einigen Jahren in jenem schrecklichen Bosnien-Krieg gegeneinander kämpften. Dass diese jungen Leute gemeinsam die Schulbank drücken, soll ein Beitrag zur Versöhnung der verfeindeten Ethnien sein.
Frage: Was haben Sie von den Projektpartnern gelernt?
Haneke: 2021 traf ich in Sibirien mit Vertretern aller katholischen Diözesen in Russland zusammen. Gefeiert wurden 30 Jahre Religions- und Glaubensfreiheit. Seit 1991 war es wieder möglich, öffentlich Gottesdienste zu feiern. Zuvor war die religiöse Betätigung hinter dem Eisernen Vorhang über Jahrzehnte unterdrückt worden. Mit der neu gewonnenen Freiheit mussten die Menschen aber erst lernen umzugehen. Bis heute ist zu spüren, dass selbst die jetzige Generation, die nicht in den diktatorischen Systemen groß geworden ist, von dieser Zeit in ihrem Denken und Fühlen noch geprägt ist.
Frage: Macht Ihnen die rückwärtsgewandte politische Entwicklung in manchen osteuropäischen Ländern Sorge?
Haneke: Die Szenarien sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Die Situation in Russland gibt einem das Gefühl, als ob das Rad der Geschichte wieder ein Stück weit zurückgedreht würde. Eigentlich war man dort in Bezug auf demokratische Werte wie Meinungs- und Religionsfreiheit schon mal weiter.
Frage: Könnten darunter Renovabis-Projekte leiden?
Haneke: Ja und nein. Die Kirchen haben nach wie vor im Rahmen ihrer Betätigung Freiheitsspielräume. Das heißt aber nicht, dass der Staat deren Tun nicht regimekritisch „zu deuten“ versucht. Unsere Partner stehen unter starker Beobachtung und müssen bisweilen schikanöse Prüfungen über sich ergehen lassen. Deshalb überlegen wir gut, was an politischen Äußerungen sinnvoll ist. Aber wir nehmen dennoch Stellung zur Ukraine und zu Belarus, ohne unsere Partner zu gefährden. Sie sollen am Ende nicht die Leidtragenden sein.
Frage: Wie sieht Ihre soziale Arbeit in der Ukraine aus?
Haneke: Wir arbeiten sehr eng mit der griechisch-katholischen und römisch-katholischen Caritas zusammen. Beide tun viel an der Grenze für jene Menschen, die ihren Wohnsitz verloren haben. Aus dem besetzten Osten sind viele vertrieben worden. Sie leben jetzt in der sogenannten Pufferzone oder sind weiter nach Westen geflohen. Von der Caritas erhalten die Betroffenen Lebensmittel, Kleidung und anderes. Auch psychologische Hilfe ist wichtig. Den Krieg in der Ukraine gibt es schon seit 2014! Jeden Tag sterben dort im Osten Menschen. Durch den gewaltigen Aufmarsch der russischen Truppen als Drohszenario könnte es aber noch schlimmer werden.
Frage: Gibt es ein Renovabis-Projekt, dem Sie verbunden bleiben werden?
Haneke: Erst einmal möchte ich mich nun zurückziehen. Aber wenn ich ehrlich bin, für das im Aufbau befindliche Europazentrum für Frieden, Versöhnung und Zusammenarbeit im ehemaligen Trappistenkloster „Maria Stern“ in Banja Luka würde ich mich als Ruheständler gern engagieren. Dort finden schon Veranstaltungen statt, aber längst nicht in der Breite, wie man sich dies wünschen würde. Es steht in einer Gegend, wo Muslime, orthodoxe Serben und katholische Kroaten geografisch aufeinandertreffen. Dem Gründungskuratorium gehört auch der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff an.
Die Fragen stellte Barbara Just (KNA)
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