Lob und Kritik für Vorschläge zum EU-Lieferkettengesetz
Brüssel ‐ Die EU-Kommission hat ein Gesetzgebungsverfahren für nachhaltige Unternehmensführung auf den Weg gebracht. Der am Mittwoch in Brüssel vorgestellte Entwurf einer Richtlinie sieht vor, große Firmen für die Einhaltung der Menschenrechte und umweltgerechtes Wirtschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette in die Pflicht zu nehmen.
Aktualisiert: 29.11.2022
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Die EU-Kommission hat ein Gesetzgebungsverfahren für nachhaltige Unternehmensführung auf den Weg gebracht. Der am Mittwoch in Brüssel vorgestellte Entwurf einer Richtlinie sieht vor, große Firmen für die Einhaltung der Menschenrechte und umweltgerechtes Wirtschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette in die Pflicht zu nehmen.
In einigen Mitgliedstaaten gibt es bereits entsprechende Regeln, so auch das Lieferkettengesetz in Deutschland. Entwicklungs- und Umweltorganisationen beurteilten den Entwurf als guten Ansatz, aber in entscheidenden Punkten als nicht konsequent genug.
Die EU-Kommission betonte, der Ruf nach einem europaweit einheitlichen Rechtsrahmen komme von einem Großteil der Unternehmen selbst. Auch für acht von zehn Verbrauchern sei laut einer Umfrage Nachhaltigkeit wichtig. Binnenmarktkommissar Thierry Breton machte als Argument für eine EU-weite Regelung ein „unübersichtliches Geflecht einzelstaatlicher Vorschriften“ geltend. Der Kommissionsvorschlag weise großen Marktakteuren eine führende Rolle bei der Verringerung der Risiken in ihren Wertschöpfungsketten zu. Gleichzeitig würden kleine Unternehmen bei Veränderungen unterstützt.
Die Richtlinie will Unternehmen verpflichten, international verbriefte Arbeitnehmerrechte – beispielsweise auf angemessene Nahrung, Kleidung sowie Wasser und Sanitärversorgung – zu schützen. Etwaige Verstöße sind demnach zu verhindern, abzustellen oder ihre Konsequenzen abzumildern. Das Gleiche gilt für ökologische Folgen, die multilateralen Umweltübereinkommen zuwiderlaufen. Bestimmte Firmen sollen darlegen müssen, dass ihre Geschäftsstrategie mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist. Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen schließt dem Entwurf zufolge auch eine Verantwortung für Tochterunternehmen und Wertschöpfungsketten ein.
Die geplante Richtlinie zielt zunächst nur auf große Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit weltweit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von über 150 Millionen Euro. Kleine und mittlere Unternehmen werden von der Regelung nicht erfasst. Für die Anwendung der Richtlinie, die Überwachung und Sanktionierung von Betrieben sowie für Beschwerdestrukturen sind die einzelnen Mitgliedstaaten verantwortlich.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam in Berlin sprach von einem „Hoffnungsschimmer“, bemängelte aber, das Gesetz würde beispielsweise nur für ein Prozent der Unternehmen in Europa gelten. Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch kritisierte, die Frage der Beweislast bei mutmaßlichen Verstößen sei ungeklärt. Auch für einen effektiven Schutz von Umwelt und Klima bleibe der Entwurf zu unkonkret.
Das katholische Hilfswerk Misereor in Aachen würdigte den Vorschlag als „ambitioniert“ und als Fortschritt gegenüber dem deutschen Lieferkettengesetz, warnte aber vor einem „Schlupfloch“, wenn die Richtlinie die Sorgfaltspflichten wie vorgesehen auf „etablierte Geschäftsbeziehungen“ begrenze.
Die gleichen Kritikpunkte benannte das zivilgesellschaftliche Bündnis „Initiative Lieferkettengesetz“ in Berlin. Zwar lege die EU einen „Grundstein für weniger Ausbeutung und Umweltzerstörung in den Lieferketten europäischer Unternehmen“. An entscheidenden Stellen habe die Kommission aber „dem Lobby-Druck der großen Wirtschaftsverbände nachgegeben“, erklärte Johannes Heeg, Sprecher des Bündnisses.
Als nächste Schritte haben das Europäische Parlament und der Rat den Vorschlag zu billigen. Nach seiner Annahme haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen und der Kommission ihre Umsetzungsvorschriften zu übermitteln.
Von Burkhard Jürgens (KNA)
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