Kein einseitiger Opferdiskurs
Die Liste der Länder, in denen das Recht auf Religionsfreiheit beschädigt wird, ist leider lang: Vietnam, Nordkorea, China, Syrien, Irak … Gerade letztgenannte Länder weisen auf eine große Wunde der Christenheit hin: Die Verfolgung und Auslöschung der Kirchen dort, deren Geschichte zum Teil auf die Anfänge des Christentums geht, durch den IS und andere radikale Gruppen schmerzt. Zugleich stellt sie Christinnen und Christen vor „ihre“ Nagelprobe: Gelingt es trotz dieser unsäglichen Gräueltaten, nicht einseitig von Christenverfolgung zu sprechen, sondern von Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie von
Menschenrechten
für alle? Schließlich werden auch andere Gruppen von den Fundamentalisten verfolgt und bedrängt. „Die Zahlen und Berichte über die
Verfolgung und Bedrängung von Christen
zeigen deutlich, dass dort, wo die Religionsfreiheit für Christen eingeschränkt ist, auch die Freiheit anderer Religionen missachtet wird, beispielsweise auch von Minderheiten und Dissidenten innerhalb des Islam.“ (Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit)
Ein einseitiger und blinder Opferdiskurs der Religionsgemeinschaften ist sicherlich kein Motor für ein friedliches Zusammenleben. Selbstverständlich muss Ungerechtigkeit offen und ehrlich angeklagt werden – allerdings stets im Bewusstsein, dass auch „die anderen“ Opfer sind oder werden können. Nur wenn dieses Bewusstsein wächst, dann wächst auch eine Kultur, in der das Recht auf Religionsfreiheit für alle respektiert, geschützt und gefördert wird. Mit Blick auf die beiden pakistanischen Frauen gilt also: von Asia Bibi reden und von Malala nicht schweigen!
Von Wolf-Gero Reichert
Quelle:
DRS.GLOBAL – Aus der weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart 1/2015
. Mit freundlichem Dank für die Genehmigung.